Kunst und Fleiß vertragen sich nicht

Künstlersozialkasse In Österreich gibt es keine mit Deutschland vergleichbare Künstlersozialversicherung. Doch nun soll sich etwas tun. Man darf skeptisch sein
Ausgabe 09/2014

Künstler gelten, vom kleinen Segment ganz oben mal abgesehen, als eine Mischung aus Hungerkünstler und Lebenskünstler. Immerhin gibt es in Deutschland die Künstlersozialkasse (KSK). Sie wird durch Zuschüsse des Bundes und durch Abgaben von Unternehmen finanziert, die von den Leistungen KSK-Versicherter profitieren. Bei der Zahlungsmoral happert es allerdings, das soll nun durch eine „gesetzliche Klarstellung“ geändert werden, vergangene Woche wurde ein entsprechender Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht.

Bei unseren Nachbarn in Österreich gibt es dagegen bisher keine vergleichbare Künstlersozialversicherung, sondern lediglich einen Zuschuss zur gesetzlichen Pflichtversicherung, der von einem sogenannten Künstlersozialversicherungsfonds (KSVF) ausbezahlt wird. Liest man dessen Unterlagen, kann man schier verzweifeln. Und nicht wenige, auch der Autor dieser Zeilen, lassen es besser gleich sein.

„Schriftsteller sind Bittsteller“, heißt das bösartige Stück, das da aufgeführt wird. Doch auch in Wien soll sich nun etwas tun. Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ), hat „erhebliche Verbesserungen in der Künstlersozialversicherung“ in Aussicht gestellt. Nichts Genaues liegt vor, Skepsis ist geboten. Denn selbst wenn im Kulturbudget nicht eingespart wird, wie der Minister gleich betont hat, gleichzeitig aber der Bereich der Leistungsbezieher ausgeweitet werden soll, kann das nur heißen, dass für die einzelnen weniger rausspringt oder anderswo im Ressort finanzielle Einschnitte gesetzt werden müssen.

Und es gibt ein grundsätzliches Problem: das Künstlerische und das Geschäftsmäßige vertragen sich nicht, sie müssen so (anders als etwa Lohnarbeit und Kapital) zueinander gezwungen werden. Kriterien wie Arbeit und Leistung, Wert und Konkurrenz, so fragwürdig sie überhaupt sind, verlieren in Bezug auf das Kreative jeden Sinn. Die stets eingeforderte Betriebsamkeit ist also zu simulieren, um nachweisen, dass er oder sie sich rechnet.

Wie grauslich, so etwas wollen zu müssen. Doch der PR-Speak beherrscht das Terrain. Das Begriffsbombardement der Marktbesoffenheit lässt uns ja inzwischen von Denkfabriken und Kreativwirtschaft sprechen. Creative industries? Das klingt professionell, ist aber ideologisches Getöse. Das Schöpferische und das Fleißige passen nicht zusammen. Das ist Antagonismus pur. Die substanzielle Potenz der Kunst ist der Müßiggang. Damit ist sie verdächtig.

Tatsächlich werden Begriffe wie Urheberschaft oder Werkintegrität immer fragwürdiger. Das Recht selbst als Instrumentarium versagt an dieser Front der Interessen. Wer wie viel mit, oder besser aus einem Werk eines Kulturschaffenden verdient, wie soll sich das seriös bemessen lassen?

Indes, kapituliert man vor der Berechnung, dann werden die Künstler enteignet; installiert man Bezahlmodelle, dann folgen bürokratische Gängelung und soziale Kontrolle. Schon wer als Künstler und was als Kunst gilt, ist umstritten, und wie könnte es auch anders sein? Kunst- und Künstlerbescheinigungskurien beheben dieses Manko nicht, ja sind ein Anachronismus schlechthin. Doch wenn die Alternative der Hungerturm ist, nimmt man solche Hürden in Kauf. „Na, was hamma denn zeichnet, Frau Huber?“, „Sie dichten, Herr Schandl?“, „Aber gengans!“


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