Kylie Minogue geht an …

Guerilla Die Regisseurin Isabell Šuba benutzt Cannes als Kulisse ihrer Kritik: „Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“
Ausgabe 33/2014

Vor dem Filmfestival von Cannes im Jahr 2012 machte ein in der französischen Tageszeitung Le Monde abgedruckter Text der Regisseurinnen Fanny Cottençon, Virginie Despentes und Coline Serreau Furore. Die drei Autorinnen beklagten, dass im Wettbewerb des bedeutendsten Filmfestivals der Welt allein männliche Regisseure vertreten seien.

Der Artikel trug die Überschrift „A Cannes, les femmes montrent leurs bobines, les hommes, leurs films“, was so viel heißt wie: „In Cannes zeigen Frauen ihre Visagen und Männer ihre Filme“. Dass die deutsche Filmemacherin Isabell Šuba auf dem gleichen Festival einen Guerilla-Film gedreht hat, in dem es dezidiert um den Ort einer Regisseurin in der Filmwelt geht, ist also vielleicht kein Zufall. Unter dem noch einmal pointierteren Titel Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste kommt Šubas Film nun ins Kino. Er handelt davon, wie schwer das Filmemachen ist und zeigt zugleich, dass es ganz leicht gehen kann. In den fünf Tagen auf dem Festival hat Isabell Šuba gedreht, ohne Gagen und ohne den Apparat, der die Unternehmung Kino so schwerfällig macht.

Arbeit an Körpern

Der eigentliche Clou von Šubas Film ist aber, wie sich die Filmemacherin mit ihrem Dreh in die Kulissen von Cannes integriert. Die Regisseurin war selbst eingeladen, den Kurzfilm Chica XX Mujer in einer Nebenreihe zu zeigen. Die dazugehörige Akkreditierung hatte Isabell Šuba dann an die Schauspielerin Anne Haug weitergereicht, die als „Isabell Šuba“ sämtliche Termine absolvierte (auch solche, bei denen es um „echte“ Geschäftsgespräche Šubas ging). An Haugs Seite gibt sich der Schauspieler Matthias Weidenhöfer als Produzent David Wendlandt aus. Die Regisseurin selbst ist als Filmstudentin Anne zum Festival gelangt, bei anderen Akteuren ist man nicht immer sicher, inwiefern sie dokumentarische oder fiktive Figuren sind.

Das Spiel mit den Unschärfen von Inszeniertheit bewirkt tolle Effekte. Wenn Šuba am ersten Abend ihre beiden Protagonisten auf den Roten Teppich vor dem Festivalpalast schickt, dann nimmt sich das Material von dort, das für gewöhnlich via Fernsehen die Welt mit Glamour versorgt, auf einmal ganz anders aus: Die Pose von Regisseur Leos Carax, der, mit Kylie Minogue als Trophäe an der Seite, sich feiern lässt für seinen Film Holy Motors und sich als Machtbeweis im Kinosaal eine Zigarette ansteckt, erscheint im Fokus von Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste wie ein clownesker Einfall. Carax wirkt in dem Moment wie die Karikatur eines lächerlich machoiden Systems.

Šubas Film lenkt den Blick auf die Arbeit an den Körpern, die selbst in den engen Hotelzimmern der Randgestalten aufgewendet wird für die Treffen der Branche: Pickel-Ausdrücken, Schminken, Rasieren. Immer wieder schaut Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste den Menschen auf die Schuhe: High Heels als Bedingungen für das Mitmachendürfen. Auch dagegen behauptet Isabell Šubas Filmfigur ein lesbisches Begehren.

Auch wenn der Film in der zweiten Hälfte an innerer Spannung verliert und die privaten Händel gegenüber den Branchenbeschreibungen zum Ende hin privilegiert – es bleibt Isabell Šuba zu wünschen, dass sie sich die Unversöhntheit und Chuzpe bewahrt, mit der sie diesen Film „gepitcht“ hat: durchs Machen.

Der Trailer zum Film:

Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste Isabell Šuba Deutschland 2013, 76 Minuten

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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