Das Projekt war lange geplant. Über 30 Regisseure und zahlreiche weitere italienische Filmschaffende schlossen sich zusammen, darunter Ettore Scola, Mario Monicelli, Francesco Maselli, Gillo Pontecorvo, Damiano Damigiani, die Brüder Taviani, Woody Allens Kameramann Carlo di Palma und der frühere Biennale-Leiter Carlo Lizzani. Ihr Ziel: Die Aktivitäten der ATTAC-Bewegung rund um den G8-Gipfel in Genua zu erfassen und davon ein anderes Bild zu zeigen, als es die Massenmedien bis dahin meist verbreitet hatten. Durch sie - und durch die suggestive Bezeichnung ATTAC - war der Eindruck von einer Horde Krawallmacher entstanden. Der Film sollte die andere Seite zeigen - Menschen, die Genua zum Ort eines friedlichen Happenings machen, die nach Alternativen zum Liberalismus und der fortschreitenden Verarmung der dritten Welt suchen. Statt der 40.000, die die Polizei erwartet hatte, kamen 300.000 Teilnehmer. Der Film, der fast ohne Worte auskommt, zeigt Momentaufnahmen aus der Stadt. Der Hafen von Genua scheint plötzlich das Malecon von Havanna zu sein, dann wieder fühlt man sich in den Karneval von Rio de Janeiro versetzt. Man sieht tanzende, fröhliche Menschen. Alle handeln sie aus einer einzigen Motivation heraus: Sie wollen eine andere Welt, und sie behaupten: "Un mondo diverso è possibile", eine andere Welt ist möglich. "Wir sind die erste weltweite Bewegung", sagt eine Teilnehmerin, "die einzig für eine bessere Welt kämpft, frei von Interessen und Ideologien". Bekanntlich wurde das Filmprojekt von einer anderen Wirklichkeit eingeholt - der zweite Teil zeigt Bilder von der Eskalation der Gewalt und vom Tod des Demonstranten.
Kürzlich fand eine Versammlung der Filmschaffenden statt, zu der Sie angeregt haben. Dabei wurde der Kulturpolitik von Berlusconi der Widerstand angesagt ...
Francesco Maselli: "Widerstand" könnte falsch, zu passiv verstanden werden. Wir haben viele Ideen. Auch der Widerstand gegen den Faschismus und den Nationalsozialismus war ja mit dem Projekt einer anderen Welt verbunden. In diesem Sinn sind wir gegen die Mechanismen, die jetzt eingeleitet worden sind: dagegen und konstruktiv zugleich.
Dienen diese Mechanismen der Gleichschaltung der italienischen Kulturwelt?
Die Gefahr ist da, aber ich will nicht zu holzschnittartig argumentieren. Die Tendenz geht dahin, dass an die Stelle kompetenter Fachleute Parteigänger der Rechten ohne Erfahrung treten. Paolo Baratta zum Beispiel, der bis vor kurzem die Biennale von Venedig leitete, hat eine großartige Arbeit gemacht und die Biennale auf den Weg einer völligen Umstrukturierung gebracht. Sie ist jetzt ständig aktiv, nicht nur während der Festivals. Sein Nachfolger, Franco Barnabé, hat auf diesem Gebiet keinerlei Erfahrung und behindert diesen Prozess natürlich. Noch Schlimmeres passiert zur Zeit mit dem Centro Sperimentale, der nationalen Filmschule. Dort hat man an die Stelle eines ausgewiesenen Filmfachmanns, Lino Micciché, einen Soziologen auf den Chefsessel gesetzt. Der Mangel an Kompetenz führt zur Zerstörung ganzer Kulturzweige. Das kann auch Berlusconi nicht wollen.
Die offizielle Argumentation lautet aber, das sei nur die Konsequenz aus der Einführung des amerikanischen "spoil systems". Wenn eine neue Regierung an die Macht kommt, soll sie die Führungskräfte in den gehobenen Positionen austauschen.
Ja sicher, das hat seinen Ursprung im Votum für das Mehrheitswahlrecht, das Italien zweigeteilt hat, weshalb ich persönlich dagegen war. Aber dieses System zwingt einen doch nicht, gleich alle auszutauschen. Es ist doch völlig überzogen, einen, der gute Arbeit gemacht hat, durch einen ahnungslosen Funktionär zu ersetzen. Die Rechte hat beim Kino nur wenige Experten: Zefirelli und Squitieri, nur die zwei. Deshalb müssten sie eigentlich sehen, was sie alles zerstören, selbst von ihrem Standpunkt aus. Es ist typisch italienisch, widersprüchlich, und soweit normal. Aber hier haben wir uns ein Laboratorium des Schlechteren eingehandelt.
Sehr viele italienische Filmschaffende, die sich jetzt gegen Berlusconis Kulturpolitik auflehnen, waren am kollektiven Film über den G8-Gipfel von Genua beteiligt. Was bedeutet es für sie, dass der Film jetzt in Berlin vor der internationalen Presse vorgestellt werden kann?
Zuerst einmal ist es die Anerkennung einer großen kollektiven Anstrengung aller, die sich an diesem Film beteiligt haben. Das Anliegen von ATTAC, die 1.000 regionalen Kulturen zu stärken, ist sehr wichtig. Wir werden auch unser Möglichstes tun, von dort aus einen Appell zum konstruktiven Widerstand gegen die Verarmung der italienischen Kultur zu richten.
Das Gespräch führte Ulrich Müller-Schöll
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