Lady Ju

Gescholten und brüskiert Aus der Umgebung des ukrainischen Präsidenten Kutschma bekommt Julia Timoschenko vieles zu hören - nur keine Komplimente

In der Ukraine ist sie längst zu einem Politstar geworden. Niemand hat im Laufe seiner Karriere mehr Spitznamen von Journalisten erhalten als die zierliche Oppositionspolitikern mit dem charmanten Lächeln und der vernichtenden Logik in Parlamentsdebatten. Als sie Mitte der neunziger Jahre an der Spitze eines Großkonzerns stand, der mit russischen Gaslieferungen in die Ukraine auf einen jährlichen Umsatz von zehn Milliarden Dollar kam, wurde sie "Gasprinzessin" genannt. Später, als sie aus der Wirtschaft in die Politik wechselte, kreierten Kiewer Journalisten in Anspielung auf den Lady Di-Kult den Namen "Lady Ju".

1999 hatte Julia Timoschenko als Stellvertreterin des Reform-Premiers Viktor Justschenko die Kontrolle über die ukrainische Energiewirtschaft übernommen und sich mit den mächtigsten Oligarchen des Landes angelegt - genau genommen mit den Leuten, zu denen sie einst selbst gehört hatte. Ihre Politik brachte ihr in der Umgebung des Präsidenten Leonid Kutschma alles andere als einen Sympathie-Bonus. Einerseits hieß es, Timoschenko sei der einzige "richtige Kerl" in der Regierung, andererseits soll sie der Staatschef persönlich nur noch "Schlampe" genannt haben, was im Jahr 2000 publik wurde, als Kiew seinen "Watergate-Skandal" erleben durfte, wie die Affäre um einen früheren Leibwächter des Präsidenten bezeichnet wurde, der Tonaufzeichnungen von Gesprächen in der Präsidialkanzlei veröffentlicht hatte.

Die Methoden des Systems Kutschma kennt Julia Timoschenko seit 2001 zur Genüge. Sie wurde der Korruption beschuldigt, aus der Regierung geworfen und zur Abschreckung in Untersuchungshaft gesteckt. Gleich nach der Tonband-Affäre hatte Timoschenko mit dem Präsidenten gebrochen und landesweit Anti-Kutschma-Demonstrationen unter der Losung "Steh auf, Ukraine!" organisiert. Nun wurde "Lady Ju" zuweilen als "ukrainische Jeanne d´Arc" gefeiert. Für die Parlamentswahlen 2002 aber brauchte sie keine Würdigungen mehr - ihr eigener Name war politisches Symbol genug. Ihr Wahlbündnis hieß Block Julia Timoschenko.

Im Herbst stehen in der Ukraine Präsidentenwahlen an, bei denen der jetzige Amtsinhaber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht noch einmal kandidieren kann - die zehnjährige Regentschaft des Leonid Kutschma geht unwiderruflich zu Ende. Der Block Julia Timoschenko wird im Wahlkampf mit Viktor Justschenko den Oppositionspolitiker unterstützen, der gegen den für das höchstes Staatsamt kandidierenden Premierminister Viktor Janukowitsch noch die größten Chancen besitzt.


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