FREITAG: Sind Bienen Haustiere wie zum Beispiel ein Hund?
BENEDIKT POLACZEK: Wir haben nie direkten Kontakt zu einer Biene, wir haben nur Kontakt zu einem Volk, und das sind Tausende von Bienen. Manchmal sprechen wir auch mit ihnen, aber wir geben ihnen keine Namen.
Erkennen Bienen ihren Imker, ihren Besitzer?
Manche Imker sagen, dass das möglich sei. Ich glaube allerdings kaum. Es kommt darauf an, wie wir an den Bienenvölkern arbeiten. Die Bienen merken ganz genau, ob der Imker Zeit für sie hat oder die Arbeiten nur schnell hinter sich bringen will. Diese Nervosität überträgt sich auf das Volk, und dann bekommt der Imker mit Sicherheit auch ab und zu einen Stich.
Wie viele Bienenvölker hat die FU in Dahlem? Und wie viele Bienen hat ein Volk?
Wir haben 30 Völker. In der Hochsaison, Mai und Juni, erreicht ein Volk bis zu 40.000, 50.000 Bienen. Im Spätsommer verringert sich dann die Zahl kontinuierlich auf 5.000 bis 20.000 Individuen im Winter.
Warum reduziert sich die Zahl der Bienen?
Bienenvölker sind sehr sparsam. Wenn die Lindentracht im Juli vorbei ist, hat die Natur kaum noch Nektar anzubieten. Die Zahl der Bienen wird dann automatisch reduziert. Zur Überwinterung sind große Völker nicht nötig. Wichtig ist nur, dass die Königin gesund den Winter überlebt. Und 5.000 bis 20.000 Arbeiterinnen garantieren, dass dieser Staat im Winter ausreichend funktioniert.
Sterben die Sommerbienen an Schwäche?
Die Sommerbienen leben nur bis zu sechs Wochen, aber diese Lebenszeit ist auch abhängig davon, wie viel sie draußen arbeiten. Bei regnerischem Wetter erreichen mehr Bienen diese sechs Wochen Lebenszeit, bei sonnigem Wetter sterben sie schneller. Die so genannten Winterbienen leben bis zu sechs Monaten, und deshalb können sie als Volk überwintern, ohne Brut. Es schlüpfen keine jungen Bienen im Winter.
Wie lange lebt die Königin?
Sie kann bis zu fünf Jahre alt werden.
Sind Bienen sozialer als die Menschen?
Eigentlich ja. Eine Biene wird in einem fremden Volk aufgenommen, wenn sie nicht mit der Absicht kommt, Futter zu klauen. Wenn junge Bienen an ihrem fünften Lebenstag zum ersten Mal den Orientierungs- und Reinigungsflug machen und dann bei einem fremden Volk landen, werden sie aufgenommen. In jedem Volk leben circa zehn bis 15 Prozent "fremde" Bienen.
Woran erkennen Bienen, dass es eine "fremde" Biene ist?
So genannte Wächterbienen überprüfen heimkehrende Bienen anhand ihres Geruchs, ob sie zum Volk gehören.
Gibt es auch einzeln lebende Bienen?
Die Honigbienen sind staatbildende Insekten, sie können nicht einzeln leben. In Berlin und Brandenburg gibt es aber rund 400 Wildbienenarten, das sind sogenannte Solitärbienen oder Einsiedlerbienen. Sie bauen jede für sich ihre Brutzellen in Erdlöchern, Röhrchen oder Baumritzen.
Man nennt die Bienen in Berlin auch "Großstadtbiene" oder "Balkonbiene".
Damit ist gemeint, dass unsere Bienen hier in Berlin durch gezielte Züchtung nicht stechlustig sind. In der Großstadt kann man keine stechlustigen Bienen halten.
Sind die Bienen in Berlin denn sanftmütig?
Wir haben hier in Berlin die Carnica - die Kärntnerbiene, die aus Österreich und Ungarn nach dem Kriege hier eingeführt worden ist. Sie ist eine sehr gutmütige Biene. Früher hatte man hier die schwarze, deutsche Biene, die heute zum Teil noch von Heideimkern gehalten wird. Das ist eine sehr stechlustige Rasse. Bei unseren Bienen kann man ohne Hut, Schleier und Handschuhe arbeiten. Wenn ich bei der Arbeit gestochen werde, bin ich meistens selber schuld. Wenn ich zu schnell arbeite, übersehe ich oft eine Biene, fasse sie so an, dass sie sich wehren muss, und dann bekomme ich einen Stich.
Wie schützt sich der Imker vor seinen Bienen?
Wir benutzen Smoker oder eine Imkerpfeife, in denen wir Rauchkräuter verbrennen, wenn wir ein Volk öffnen. Wir blasen etwas Rauch ins Volk, und die Bienen denken, dass im Volk etwas brennt und versuchen instinktiv zu retten, was zu retten ist. Sie können aber nicht die Brut und den Pollen retten, sie können nur den Honig retten. Sie saugen ihren Honigmagen voll, und sind dann faul und weniger stechlustig.
Ist die Stechlust blinde Verteidigung?
Bienen stechen nicht wahllos. Sie stechen nur, wenn eine Gefahr für ihr eigenes Leben oder für das gesamte Volk besteht. Wird man gestochen, so riechen andere Bienen das Bienengift auf der Haut und betrachten den Gestochenen als eine mögliche Bedrohung. Weitere Stiche können folgen. Um das zu vermeiden, sollte man so schnell wie möglich nach einem Stich den Stachel herausnehmen und die Stelle neutralisieren, mit Wasser oder auch mit Spucke.
Kann eine "brave" Königin ein aggressives Volk haben?
Ja. Die Königin paart sich bei ihrem Hochzeitsflug mit zehn und mehr Drohnen, die auch von stechlustigen Völkern stammen können. Die Nachkommen der Königin sind nur zu etwa zehn Prozent Schwestern und ansonsten Halbschwestern. Stammt das Sperma von einem stechlustigen Drohn, dann ist seine Tochter auch stechlustiger.
Was ist Schwarmlust?
Das ist ein Teilungsprozess, in der Natur haben die Völker sich so vermehrt. Die Imker haben lieber Bienenvölker, die nicht so schwarmlustig sind, weil Schwärmen immer mit einem Risiko verbunden ist. Der Schwarm bleibt in der Nähe hängen, und wenn wir ihn nicht abfangen, dann zieht er ein paar Kilometer weiter. So verlieren wir ein bis zwei Kilogramm Bienen, manchmal sogar mehr.
Ein Kilogramm Bienen - wie viele Bienen sind das?
10.000 Arbeiterinnen wiegen ein Kilogramm. Eine Arbeiterin wiegt etwa 100 Milligramm, und sie trägt pro Sammelflug die Hälfte ihres Gewichtes ein. Für ein Kilogramm Nektar sind etwa 20.000 Sammelflüge nötig.
Wie fleißig sind Bienen?
Eine Sammlerin fliegt zehnmal oder mehr am Tag, und sie besucht etwa 100 Blüten pro Flug, bis zu einer Entfernung von drei Kilometern. Für ein Glas Honig müsste eine Biene dreimal rund um die Erde fliegen - bei einer durchschnittlichen Entfernung von einem Kilometer pro Flug. Das sind 120.000 Kilometer Wegstrecke.
Schlafen Bienen in der Nacht? Ruhen sie sich auch aus?
Man hat immer gesagt, dass Bienen das ganze Leben nur arbeiten, inzwischen weiß man, dass sich Bienen auch ausruhen. Manche Wissenschaftler behaupten, dass Bienen sogar schlafen. Sammlerinnen ruhen sich nachts aus, und Stockbienen verrichten weiter ihre Arbeit, die gemacht werden muss, zum Beispiel Larven füttern, Temperatur regulieren und auch Waben bauen.
Halten Bienen Winterschlaf?
Honigbienen schlafen nicht. Sie bilden eine Traube, wenn die Temperatur draußen unter zehn Grad Celsius fällt. Die Wintertraube hat die Größe eines Fußballs, wenn es mäßig kalt ist. Bei ganz niedrigen Temperaturen sitzen sie noch enger, und diese Traube ist nur so groß wie ein Handball. Dazwischen stehen die mit Honig oder Futter gefüllten Waben.
Wie "heizen" Bienen?
Die Bienen bewegen sich in der Traube, wälzen sich ständig um, die Äußeren nach innen, die Inneren nach außen. Die Bienen, die am Rand sitzen, würden sonst diese Temperatur nicht lange aushalten. Sie versuchen, die Traube so eng wie möglich zu halten. In der Mitte der Traube ist die Königin, dort sind etwa 25 Grad Celsius.
Herrscht Winterruhe im Bienenstock?
Die Traube ist sehr ruhig, wenn die Bienen die richtige Nahrung haben. Sie füttern sich gegenseitig. So gelangt Futter zu jeder Biene. Man darf keinen Blatthonig in den Waben lassen. Blatthonig können Bienen nicht so gut verdauen, das heißt, die Kotblase wird zu schnell voll und drückt, und dann sitzen sie unruhiger - wie bei Menschen, wenn sie einen vollen Darm haben.
Der "allgemeine Reinigungsflug" - was heißt das?
An einem bestimmten Tag im Februar, bei einer Temperatur von ungefähr zehn Grad Celsius, verlassen die Bienen den Stock und machen einen Reinigungsflug, weil sich während der Winterruhe ihre Kotblase gefüllt hat. Diese wird während des Fluges entleert. Ich rate dann keinem, bei einem Imker vorbeizugehen. Ich gehe dann selber nicht über diese Bienenwiese, weil es braune Flecken regnet. Die Bienen fliegen und koten. Die Leute staunen dann, warum das Auto plötzlich braune Flecken hat. Man sollte an diesem Tag auch keine weiße Wäsche in der Nähe von Bienenvölkern aufhängen.
Die Königin macht im Frühling ihren Hochzeitsflug.
Königinnen machen in ihrem ersten Lebensmonat mehrere Hochzeitsflüge. Jede Königin muss sich paaren, erst dann fängt sie an befruchtete Eier zu legen. Das muss in den ersten vier Wochen passieren, weil die Königin nur in dieser Zeit fliegen kann. Später ist ihr Chitinpanzer zu hart. Die Königin paart sich mit acht bis zwölf Drohnen im Fluge an sogenannten Drohnensammelplätzen. Erst dann ist ihre Samenblase voll. Dieses Sperma reicht für das ganze Leben. Laut neuesten Untersuchungen paart sich eine Königin aber sogar mit bis zu 20 Drohnen, weil die Spermamenge kleiner und die Qualität schlechter geworden ist.
Wie entsteht aus Nektar Honig?
Auf der Blüte saugt die Biene den Nektar in ihren Honigmagen. Im Volk füllt sie den gesammelten Nektar in eine Wabenzelle. Der Nektar wird konzentriert und bekommt Zusatzstoffe der Biene, zum Beispiel ihren Speichel, hinzu.
Wie viel Honig verbraucht ein Bienenvolk?
Ein Volk benötigt circa 1,5 Zentner für sich selber, das heißt, der Imker bekommt nur das, was die Bienen darüber hinaus sammeln. Die Deutschen essen den meisten Honig auf der Welt, und die Berliner sind die größten Honigesser. Wir sind ganz vorne, wenn es um den Honigverbrauch geht, ungefähr 1,3 Kilogramm pro Kopf. In der EU liegt der Verbrauch bei 0,9.
Bienen sind Vegetarier. Wie ist es mit Wespen, Hummeln und Hornissen?
Auch Wespen und Hornissen brauchen, um als Erwachsene zu überleben, etwas Süßes, das heißt Zucker oder Pflanzensäfte. Für ihre Brut brauchen sie Fleisch. Hornissen fangen Insekten in der Luft und beißen ihnen den Kopf, Hinterleib, die Flügel und Beine ab, zerkauen den Brustkorb - das dauert etwa fünf Minuten und fliegen dann mit dem Filetstück nach Hause. Das wird an die Larven verteilt. Wespen finden wir beim Bäcker, weil sie Zucker brauchen. Für ihre Brut brauchen sie Aas, zum Beispiel von toten Insekten und Vögeln. Sie nehmen auch Wurst oder Fleisch, schneiden so einen kleinen Kreis raus und fliegen damit nach Hause. Bei Honigbienen und Hummeln ist die Eiweißquelle für die Brut Pollen, sogenannter Blütenstaub. Das ist der große Unterschied.
Wie viele Imker leben in Berlin?
Es gibt knapp 600 Hobbyimker und einen Berufsimker in Berlin-Köpenick, insgesamt mit ungefähr 3.000 Völkern. Wir Imker sind Exoten in den Augen der Leute. Es gibt nur sehr wenige Imker, die das als Beruf machen. Und Imker sind erfinderisch, sie halten überall Bienen. Eine Kollegin hat ein Volk auf dem Balkon. Ein Bekannter in Wilmersdorf hat einen Dachgarten im vierten Stock und hält dort die bravsten Bienen. Manchmal geht er nur in Badehosen zu den Bienen, ohne Rauch, ohne alles. Die Nachbarn haben das erst nach vier Jahren gemerkt, als dort der erste Schwarm abgegangen war. In Wedding hat ein Imker die Völker auf dem Dach stehen. Die Bienen produzieren sogar dort oben Honig. Die meisten Völker gibt es in Neukölln, Spandau, Steglitz und Zehlendorf.
Das Gespräch führte Bärbel Freund
Benedikt Polaczek ist Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Bienenforschung im Institut für Biologie/Zoologie der Freien Universität Berlin.
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