Dieser Text wurde am Computer geschrieben, später vom CvD am Bildschirm redigiert und auf freitag.de veröffentlicht. So lange nicht ein Leser auf den Druck-Button klickt, werden diese Sätze niemals auf Papier zu lesen sein. Ist dieser Text damit weniger wert, als ein Artikel, der in der Zeitung abgedruckt wird? Wohl kaum, und dennoch: Das gedruckte Wort besitzt immer noch eine Faszination, der man sich nur schwer entziehen kann. Das Medium Papier ist offenbar langlebiger, als so mancher Print-Defätist meint.
Dafür sprechen nicht nur Beobachtungen von Bloggern, die in der Print-Ausgabe des Freitag abgedruckt wurden, sondern auch eine neue Entwicklung in den USA. Gerade aus dem Land, aus dem in letzter Zeit nur Nachrichten über Zeitungen kamen, die ihre Print-Ausgaben aus Kostengründen einstellten und nur noch im Netz veröffentlichen, kommt nun die erste Zeitung, die das Internet zurück aufs Papier bringen will. Die GratiszeitungThe Printed Blog besteht ausschließlich aus Blog-Texten und Fotos, die bereits im Netz veröffentlicht wurden. Auf der dazugehörigen Webseite kann man den „gedruckten Blog“ allerdings - zeitgemäß digital - auch als PDF anschauen.
Der erste Eindruck ist der einer achtseitigen, "magazinigen" Zeitung mit einem Layout, das in der Tat an die Anordnung von Texten in Blogs erinnert. Offenbar wurde versucht, das egalitäre Prinzip des Netzes ins Layout zu übertragen. Die Texte stehen in den Spalten gleichberechtigt in Größe und Aufmachung, alle Überschriften sind gleich groß. Die Artikel haben meist stark subjektive Zugänge. Man findet Erinnerungen eines Veteranen der Schwulen-Bewegung, eine Abrechnung mit jungen Hipster-Eltern, die alle netten Cafés in Brooklyn mit ihren durchgestylten Kinderwägen blockieren und die – nicht ganz originelle – Forderung, Marihuana zu legalisieren. Die Fotos im Printed Blog dienen nicht der Illustration der Texte, sondern sind eigenständig. Sie haben Kunstanspruch. Die Zeitung führt mit diesen Bildern eindrücklich vor Augen, welche Perlen sich auf Flickr und Co. finden lassen.
Der Verleger träumt von einer Symbiose von Online und Print
The Printed Blog wird zurzeit probeweise in New York, Chicago, San Francisco und Los Angeles verteilt. Man wolle mit dem Projekt die Stärke von gedruckten Zeitungen demonstrieren, sagt Verleger Joshua Karp, der sein Geld bisher mit Software verdient hat. Das Geschäftsmodell sieht eine starke Ausdifferenzierung und Regionalisierung vor. Bis zu 50 Nachbarschaftsausgaben pro Stadt mit lokalen Blog-Einträgen soll es eines Tages geben. Über Anzeigen will Karp dann Geld verdienen, abgedruckte Blogger und Fotografen sollen am Gewinn beteiligt werden.
Die Bereitwilligkeit, mit der jene ihre Texte und Bilder nun für die Gratiszeitung bereitstellen, spricht aber für eine Motivation, die sich nicht nur aus der Aussicht auf ein paar Dollar speist. Auch eingefleischte Blogger verstehen es nach wie vor als Auszeichnung, gedruckt zu werden. Die Texte nicht nur im ortlosen Netz zu veröffentlichen, sondern mit der Papier-Zeitung im Stadtbild von New York oder San Francisco präsent zu sein. Verleger Karp träumt von einer Symbiose von Online und Print, die auch neue Formen von Zeitung schafft. "Ich habe so viele Sachen gesehen, die online gut funktionieren - und die man im Print-Bereich auch benutzen kann", betont er.
Killt Online also nicht Print, sondern rettet vielmehr das 400 Jahre alte Medium Zeitung? In der Debatte der letzten Monate haben Zeitungsleute immer wieder betont, dass das neue Medium das alte nicht verdrängen wird, dass beide nebeneinander weiter existieren können. Es klang oft wie ein verzweifeltes Plädoyer in eigener Sache, ein Vergewissern der eigenen Bedeutung. The Printed Blog zeigt, dass da doch etwas dran sein könnte.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.