Lasst doch die Dogmen

Sexualmoral Papst Franziskus tastet mit seiner Schrift nicht die moralischen Grundsätze der Kirche an – sondern gibt lediglich andere Antworten auf Verstöße gegen selbige
Ausgabe 15/2016
Lasst doch die Dogmen

Foto: Alessandro di Meo/AFP/Getty Images

Der Erfolg einer Reform, wenn sie wirklich Dinge ändert, hängt nicht nur von dem Reformer ab. Er hängt auch davon ab, dass diejenigen, denen man mit der Reform entgegenkommen will, diese begreifen. Dass die das tun, ist doch selbstverständlich, denkt man. Aber da denkt man falsch.

Das jüngste Rundschreiben des Papstes zum Thema Ehe, Familie, auch Sex, könnte dieses Schicksal erleiden. Bemerkenswert ist hier, das sowohl die Laien wie auch die Experten mit der Reform offensichtlich nichts anfangen können. Die einen vermelden eine Lockerung der Sexualmoral. Das ist es zwar, was viele Menschen seit langem von der Kirche erwarten – aber das ist nicht geschehen. Papst Franziskus hat nicht an moralischen Grundsätzen herumoperiert, sondern lediglich an kirchlichen Antworten auf Verstöße gegen selbige. Das ist unübersehbar etwas anderes. Verzicht auf Strafe bedeutet nicht, dass eine strafwürdige Tat aufgehört hat, strafwürdig zu sein. Es bedeutet nur, dass in der Abwägung die Liebe zu dem Menschen, der die Tat begangen hat, und die Hoffnung, ihn zu Besserem bewegen zu können, den Rückgriff auf Strafen zurückweist. Wenn die Leute aus solcher Haltung den Schluss ziehen, nun sei alles erlaubt, ist die Reform gescheitert. Ebenso eine Reform, die auf solch veränderte Haltung setzte.

Nicht anders ist es mit dem hochgemuten Einwand gegen die kirchliche Auffassung von der Ehe bestellt, wenn ihrer strikten Ablehnung der Scheidung mit dem Argument begegnet wird, ob es nicht anmaßend sei, zu behaupten, die vor dem Priester geschlossene Ehe sei von Gott zusammengefügt worden. Dieses Argument übergeht einfach die Tatsache, dass die Nennung Gottes bei diesem Vorgang für das Sakrament der Ehe steht, das – wie die anderen Sakramente übrigens auch – nach dem Glauben der Kirche Gott gestiftet hat. Gäbe die Kirche ihre Sakramente oder auch nur eines ihrer Sakramente auf, könnte sie den ganzen Laden zumachen.

Auch hier hat Papst Franziskus einen anderen Umgang mit den Schwierigkeiten der Gläubigen angemahnt und Entscheidendes für diesen Umgang in die Hände der Bischöfe und Gemeindepriester gelegt. Das ist neu. Wie weit es trägt, muss man sehen. Der leitende Gedanke dabei ist das Prinzip der Barmherzigkeit. Man solle, hat dieser Papst gesagt, mit den Dogmen nicht wie mit Steinbrocken auf die Menschen werfen. Aus einer solchen Überzeugung können Reformen hervorgehen. Ob sie gelingen oder scheitern, hängt von beiden Seiten der daran Beteiligten ab.

Der Autor und Journalist Jürgen Busche schreibt in seiner Kolumne Unter der Woche regelmäßig über Politik und Gesellschaft

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