Lasst es doch einfach mal!

Überdosis US-Wahlen Warum deutsche Medien nicht über jedes Stöckchen springen müssem, das Trump ihnen hinhält
Ausgabe 33/2016
Als könnten wir mitwählen: Trump auf allen Kanälen
Als könnten wir mitwählen: Trump auf allen Kanälen

Foto: Mark Makela/Getty Images

Wie viele Arbeitsplätze Ms. Clinton zu schaffen verspricht. Dass sie heute in Michigan war. Was Mr. Trump vom Terror hält. Dass er vom Teleprompter ablas, blass aussah. Alles eine Meldung, ob ich mein Smartphone einschalte oder die Tagesschau. Und nicht etwa unter Vermischtes, sondern es sind die Top-Nachrichten. Wichtiger als dass Sachsen-Anhalts Landtagspräsident zurückgetreten ist, zum Beispiel. Ich versteh’s nicht. Das sind keine Nachrichten!

Ich will nicht, dass Trump täglich in deutschen Medien kläfft und Tagesschau & Co. über jedes Stöckchen, das der Mann hinhält, springen wie gut dressierte Pudel. Will ich nicht!

Trotzdem werde ich auf dem Laufenden gehalten, als hätte ich demnächst eine Stimme abzugeben und obwohl – und das ist der Witz – ich keinerlei Wissensgewinn davon habe. Will ich erfahren, wie US-Wahlen und -Politik gemacht werden, schau ich mir die HBO-Serie Veep an. Warum also jeden Tag diese News? Weil einst Rosinenbomber die Demokratie über Deutschland abwarfen? Das kann nicht sein, denn dieser Wahlkampf hat mit Demokratie kaum was zu tun. Was ist es dann? Eine heimliche Sehnsucht der Journalisten, Wahlen mögen bei uns auch so sein, so bunt, so blöd, so böse? Oder der Reiz dieser Dramaturgie: Clinton die halb-gute Frau, Trump der bös-irre Mann. Aber Leute, das sind Comic-Figuren! Wobei, ich weiß, dass der Irre immer gern genommen wird, ob er Kim Jong-un heißt oder Ahmadinedschad, das fetzt einfach irgendwie. Erstaunt aufgerissen sind die Augen, wenn Journalisten Politik- und Medienverdrossenheit entgegenschlägt, wenn sie auf Antiamerikanismus treffen oder das eklige Wort von der „Lügenpresse“ gebrüllt wird. Das führt dann zu noch mehr Meetings, noch mehr Ängstlichkeit. Es führt zu wenig Einkehr. Weiter tätig in einer Blase sich selbst bestätigender Wichtigkeiten, also Diven-like, wird berichtet wie zuvor – Ausnahmen inklusive: Bei jedem Überfall auf was oder wen auch immer erfahre ich jetzt die Nationali-tät des Diebes oder Vergewaltigers. Danke, Köln.

Eine Nachricht in Sachen US-Wahlen ist, wer am Ende das Ding gewonnen hat und Präsident wird. Das nehme ich gern zur Kenntnis. Bis dahin muss ich ja keine Nachrichten schauen oder Zeitungen lesen. Womit ich dann also auch zu denen gehörte, die ... Will ich aber nicht!

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