Lasst gut sein

Einheitsdenkmal Mit der für Berlin geplanten Schaukel hätte man die Einheit nur verschaukeln können. Das 15 Millionen Euro teure Bauvorhaben wurde zu Recht gestoppt
Ausgabe 16/2016
Das Geld ist woanders besser angelegt
Das Geld ist woanders besser angelegt

Bild: Wolf P. Prange/ imago

Das Vorhaben, ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu errichten, ist schon in Leipzig schiefgegangen. Nun hat es auch in Berlin viel Lebens- und Arbeitszeit vertrödelt und zusätzlich unnötige Konflikte heraufbeschworen. Wir brauchen ein solches Denkmal nicht, zumal dann nicht, wenn nirgendwo eine zündende Idee geboren wurde. Mit der für Berlin geplanten Schaukel hätte man die Einheit nur verschaukeln können. Das 15 Millionen Euro teure Bauvorhaben wurde zu Recht gestoppt.

In Leipzig wurde indes eine originalgetreue Nachbildung einer der Säulen aus der Nikolaikirche auf den Kirchhof gestellt. Ein sprechendes und ansprechendes Symbol dafür, wie innerlich befreite Menschen ein freies Land wollten. Sie übten den aufrechten Gang, überwanden ihre Angst, zeigten Zivilcourage und blieben besonnen – gegen die Machtattitüden einer anmaßenden, einengenden und einmauernden Partei. Sie brachten die Forderung nach Freiheit aus der Kirche auf die Straße und ließen sich durch die bedrohlichen Sicherheitsorgane nicht mehr abschrecken. Ein friedlicher Umbruch gelang so nahezu zeitgleich von Binz bis Suhl.

Das lange Gezerre in Berlin hat eines bewiesen: Ein so symbolträchtiges wie sich einfach erschließendes Denkmal für diesen politischen Befreiungsprozess ist kaum denkbar. Es würde eher künstlich als künstlerisch wirken.

Ausgerechnet Nürnberg hat mit der „Straße der Menschenrechte“ unnachahmlich vorgemacht, wie es anders geht: mit 27 Rundpfeilern, in die alle 30 Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte eingemeißelt sind. Zum Nachdenken, zur Ermutigung, zur Vergewisserung. In der Stadt der früheren Reichsparteitage. Wie wäre es in Berlin also schlicht mit einem Häusergiebel in der Nähe des Reichstags, auf dem Bert Brechts Text der Kinderhymne (1949) auch von weitem zu lesen wäre: „dass ein gutes Deutschland blühe, wie ein andres gutes Land ...“

Die (bewegten) Bilder vom Herbst 1989 machen überzeugend genug deutlich, dass Deutsche zur Freiheit fähig sind und dass Mauern nie eine Lösung sein können. Dem ist das offene Brandenburger Tor mitsamt seiner wechselvollen Geschichte und seinem heute so schönen, einladenden, friedlichen Umfeld Denkmal genug. Anstatt ein Monument über Vergangenes zu errichten, sind die täglichen Aufgaben anzupacken, die sich aus den Werten des Friedens und der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Einheit ergeben. Das Denk-mal ist unsere auf Menschenrechten basierende demokratische Ordnung.

Glücklich Überwundenes bedarf der Erinnerung, bedarf der Wachheit, des Muts und des Engagements. Gerade angesichts der Geflüchteten, die zu uns gekommen sind und in Zukunft kommen werden, brauchen wir Kraft, Ideen und Geld, damit die Identifizierung aller Bürger mit unserem Staatswesen besser gelingt und jede Deutschtümelei à la AfD zurückgedrängt wird. Deutscher Verfassungspatriotismus ist gefragt, wo eigene Überzeugungen, eigene kulturelle Tradition mit Toleranz gegenüber anderen Überzeugungen und Traditionen so gepflegt und vertreten werden, dass erlebbar wird, wie Vielfalt uns nichts nimmt, sondern uns bereichert.

Das für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal eingestellte Geld ist weit besser in Flüchtlingslager in Jordanien oder auch in die politische Bildung investiert – die (Deutsch-)Lehrer, die Dolmetscher und Integrationshelfer können es gut brauchen.

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