Das ist ein schöner Beschluss, den die SPD bei ihrem Parteitag vor einer Woche gefasst hat: „Für die Zukunft schließen wir keine Koalition (mit Ausnahme von rechtspopulistischen oder -extremen Parteien) grundsätzlich aus“, heißt es im dort verabschiedeten Leitantrag. Und diese Idee wird ja nicht falsch, bloß weil die Partei vier Jahre zu spät daraufgekommen ist.
Ebenso interessant sind die Bedingungen, die sich die Sozialdemokraten für künftige Koalitionen auferlegen. Sie verlangen eine „stabile und verlässliche parlamentarische Mehrheit“, einen „verbindlichen und finanzierbaren Koalitionsvertrag“, der „mit sozialdemokratischen Wertvorstellungen vereinbar ist“, und „eine verantwortungsvol
ortungsvolle Europa- und Außenpolitik im Rahmen unserer internationalen Verpflichtungen“.Was aber passiert eigentlich, wenn man diese Zukunftskriterien bereits an die momentanen Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU anlegen würde: Gehört das unsinnige und milliardenteure Betreuungsgeld in einen „finanzierbaren Koalitionsvertrag“ mit „sozialdemokratischen Wertvorstellungen“? Passt in einen solchen Vertrag das ideologisch getriebene Nein zu jeder Steuererhöhung im Luxusbereich? Ist es eine „verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik“, auf einen europäischen Schuldentilgungsfonds zu verzichten und die Rüstungsexporte mit kosmetischen Korrekturen am Berichtswesen fortzusetzen? Nun ja, immerhin ist die „verlässliche Mehrheit“ ja bei Schwarz-Rot vorhanden, sogar im Übermaß.Die Linke sollte aufhören zu schmollenAber so wollten Sigmar Gabriel und seine Leute natürlich nicht verstanden werden. Es geht ihnen darum, nun endlich das Tabu einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei aufzugeben, vor allem im Bund. Für diesen Fall sind die von der SPD formulierten Bedingungen sogar ernst gemeint.Die Linkspartei sollte sich nun mit diesen Bedingungen auseinandersetzen. Sie tut nicht gut daran, hämisch auf die Inkonsequenz der Sozialdemokraten im Umgang mit der Union zu verweisen und ansonsten fröhlich schmollend die Rolle des Ausgrenzungsopfers zu spielen. Das hat sie lang genug getan, und lang genug hat ihr die SPD das leicht gemacht. Als größtes Hindernis für Rot-Rot(-Grün) gilt gemeinhin die Außenpolitik. Tatsächlich pflegt die Linke einen weitgehend pazifistischen Ansatz – etwa so, wie man das von den Grünen bis in die neunziger Jahre kannte. „Krieg darf kein Mittel der Politik sein“, hieß es im Wahlprogramm, das auch den „sofortigen, vollständigen und bedingungslosen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan“ verlangte. Und die „Auflösung der Nato“ strebt die Linkspartei ebenfalls an.Nun wird jede Partei sich dazu bekennen, den Krieg als Mittel der Politik zu ächten. Und wie in jeder Partei spielt sich jenseits derartiger Bekenntnisse auch in der Linken eine heftige Debatte über den Weg zu diesem Ziel ab. Militäreinsätze unter UN-Mandat schließt sie nicht (mehr) ausdrücklich aus. Und wie in jeder anderen Konstellation ginge es auch bei rot-roten Koalitionsgesprächen vor allem um gangbare Wege zu den großen, programmatischen Zielen.Man muss es halt nur probieren. Warum sollten die Sozialdemokraten sich nicht darauf einlassen, „die Nato aufzulösen und durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands zu ersetzen“? So wie es die Linke will.In Hessen fehlte der Mut für Neues Ähnliches gilt bei der „Finanzierbarkeit“. Das Ziel, die Staatsfinanzen durch höhere Steuereinnahmen aus den oberen Etagen der Gesellschaft zu stärken, hatten SPD und Linke zumindest noch im Wahlkampf gemeinsam genannt. Und jeder, der die Arbeit der Linkspartei in den Ländern verfolgt, wird einen ausgeprägten, manchmal schon überangepassten Sparwillen erkennen. Richtig ist: Geht es um den Bund, dann ist auch in Gregor Gysis Truppe noch einiges zu klären. Aber wenn die Hinwendung zur linken Regierungsalternative kein Lippenbekenntnis bleiben soll, dann muss die SPD alles tun, um den bündniswilligen Flügel bei der Linkspartei zu locken und zu stärken.In Hessen haben die Sozialdemokraten und die Grünen die Chance nicht genutzt – sicher auch wegen der einen oder anderen Sturheit der dortigen Linken. Das ist besonders bitter, da es eine der letzten Gelegenheiten gewesen wäre, die andere Alternative Schwarz-Grün noch einmal zu verbauen und damit die Grünen vorerst ans linke Lager zu binden.Aber es gibt Zeichen, dass es auch anders gehen könnte. Nicht im Bund, jedenfalls nicht vorerst. Sigmar Gabriel wird so schnell keinen Bruch der Koalition mit CDU und CSU wagen. Zum Experimentierfeld könnte aber noch einmal der Osten werden. In Thüringen wird im kommenden Jahr gewählt, und dort haben die Sozialdemokraten ein erstaunliches Normalisierungszeichen gegeben: Sie schließen Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün unter einem linken Ministerpräsidenten nicht mehr aus. Ein Ministerpräsident Bodo Ramelow, der – wenn er bis 2019 regierte – sogar Bundesratspräsident werden und als zweiter Mann im Staat den Bundespräsidenten vertreten könnte. So etwas muss die SPD sich nicht wünschen. Aber es könnte ein vielleicht letztes Hoffnungszeichen sein. Dafür, dass die sozialdemokratischen Parteien, wie immer sie heißen mögen, auch in Deutschland die Chance haben, zu regieren. Und dass sie wenigstens versuchen, sie zu nutzen.