Laufzeit Null

Öko-Kino Am Wochenende sollte in Berlin eine Vorführung des Fahrradkinos stattfinden. Den Strom sollten die Zuschauer selbst erradeln. Was dann aber geschah, lesen Sie hier

Die Organisatoren wollten die Zuschauer „für einen nachhaltigen Stromverbrauch“ sensiblisieren. Mehr noch, wollten sie – am Vorabend der Bundestagswahl – einen Beitrag zur „aktuellen Debatte um eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken“ und „einer umweltzerstörenden Abhängigkeit von Kohle und Öl“ liefern. Eine gute Sache, dachten wir.

Samstagabend, 19:45 Uhr. Wir befinden uns auf dem dunklen Gelände des RAW-Tempels in Berlin Kreuzberg-Friedrichshain. Kurz bevor es losgehen soll, bildet sich eine lange Menschenschlange. Vom Fahrradkino hat hier aber noch keiner gehört. Alle wollen zu Funny van Dannen, der dem Berliner Publikum sein neues Album Saharasand vorstellt. Auch an der Konzertkasse ist man sich nicht sicher. „Irgendwo da hinten, könnte es sein“, sagt die junge Frau in dem roten Häuschen uninteressiert. Das Gelände ist groß und es gibt kaum Licht. Vorbei an einigen Gebäuden, an mehreren Hallen, stehen wir plötzlich vor einem Schild, auf dem Kino steht.

Doch auch hier: Fehlanzeige. Wo es ist? Keine Ahnung. Sorry. Wir streifen weiter durch das Gelände der ehemaligen Eisenbahnwerkstatt. Vorbei an einem Kletterturm und einer Halfpipe, in der Jugendliche auf Skateboards und BMX-Rädern halsbrecherische Sprünge unternehmen. Dann sprechen uns drei junge Menschen an. Fragen, ob wir wüssten, wo das Fahrradkino ist. Wir suchen dann gemeinsam weiter. Schauen in leere Hallen. Fragen düster aussehende Gestalten. Keiner weiß Bescheid.

Die große Leere

An einem Tisch sitzt eine Gruppe und raucht Joints. Ein junger Mann sagt, er hätte das Gerücht gehört, das Kino sei ausgefallen. Sicher ist er sich nicht. Seine Freundin fügt hinzu, dass das Hauptgebäude des RAW-Tempels ab heute geschlossen wurde. Die Suche geht weiter. Ein weitere Person schließt zur Gruppe auf. Vielleicht ist es auf einem Gelände unmittelbar neben dem RAW-Tempel? Doch dort ist nur eine Getränkelager.

Auf einem leeren dunklen Gelände steht ein Bus hell erleuchtet. "Sonderfahrt" zeigt das Schild an der Front. Im Hintergrund huschen Silhouetten vorbei. Es ist ein wenig gespenstig. Eine Szene wie bei David Lynch. Sollte hier das Kino sein? Unwahrscheinlich. Aber wir fragen trotzdem. Eine Frau mit Rastas und irischem Akzent nutzt dafür die Gelegenheit, Werbung für ihren Party-Bus zu machen. "Pub Crawl" war gestern, heute heißt es "booze cruise". Nachdem wir das Gelände mehrfach durchkämmt, jeden Winkel abgesucht haben, rufen wir bei einer Freundin an, die zu Hause vor dem Computer sitzt.

Nach kurzer Recherche liest sie folgendes vor: „Leider müssen wir Euch mitteilen, dass das Fahrradkino heute, am 26. September nicht stattfinden kann, da dass Bauamt dem RAW-Tempel die Nutzung des Gebäudes kurzfristig untersagt hat.“ Leider stand dies nicht auf der Seite des RAW-Tempels, sondern nur auf der Seite des Fahrradkinos, die nicht gerade bekannt ist. So viel zum Versuch, einen Beitrag zu einer „aktuelle Debatte um eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken“ zu leisten.

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