Lauschangriff 05/06

Kolumne Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um deutlich zu machen, dass man ein authentischer "Indierocker" ist. Zum Beispiel keinen Manager zu haben, das ...

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um deutlich zu machen, dass man ein authentischer "Indierocker" ist. Zum Beispiel keinen Manager zu haben, das wirkt meiner Meinung nach ziemlich überzeugend. Chan Marshall alias Cat Power veröffentlichte ihr Debütalbum What would the community think vor zehn Jahren und hat tatsächlich nie einen Manager gehabt. Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, wie verträumt und weltfremd sie wirkt. Ich bin ihr zweimal begegnet und kann sagen: Sie ist der Typ, der den Beschützerinstinkt im Manne weckt. Am Liebsten hätte ich mich ihr als Manager angeboten! Aber wie man sieht, kommt sie auch ohne mich klar.

Ihr erstes Konzert in Hamburg war eine Katastrophe. Ich dachte, sie hätte die Bühne schon verlassen, so leise spielte sie. Das war ein "Indierock"-Abend im engeren Sinn, und ich hätte damals nicht unbedingt darauf gewettet, dass sie ein Jahrzehnt später bereits ihr siebtes Album veröffentlichen würde. Und nun auch noch ein Werk, das in Zusammenarbeit mit legendären Memphis-Musikern entstanden ist, die wahrscheinlich den Begriff "Indie" gar nicht kennen, und wenn doch, dann wohl eher vermuten, dass damit Musiker gemeint sind, die nicht richtig spielen können.

Mabon "Teenie" Hodges spielt Gitarre, Leroy "Flick" Hodges spielt Bass, und Steve Potts spielt Schlagzeug. Sie alle sind Memphis-Legenden, die in der Vergangenheit mit Al Green, Aretha Franklin, Neil Young gearbeitet haben. Für Cat Power mag sich über die letzten zehn Jahre viel verändert haben, aber nun schließt sich der Kreis irgendwie. Ihr Debütalbum hat sie damals in Memphis aufgenommen, so wie die neue Platte auch. Cat stammt aus dem Süden, aus Georgia, und das neue Album The Greatest markiert also eine Art Heimkehr. Auch wenn es The Greatest heißt, handelt es sich nämlich nicht um eine Compilation-CD. Alle 12 Songs sind neu von Chan Marshall komponiert. Wegen der glanzvollen Session-Musiker jedoch wirkt das Ganze sehr viel weniger intim als ihre bisherigen Alben.

So klingt ihr Klavierspiel immer noch nach dem einer zähen Arbeiterin, aber nun ist sie von anderen Musikern umgeben, die eine ganz andere Bewegung in ihre Musik hineinbringen. Noch nie gab es bei Cat Power eine solche Variationsbreite in den Arrangements. Saftige Streicher und Bläser heben die Stimmung. Das verändert erheblich ihre Persönlichkeit auf dieser Platte. Im Stück Could We klingt sie fast heiter, und Islands ist letztendlich Countryrock der konventionelleren Sorte. Die melancholische Verzweiflung, die man sonst von ihr kennt, gibt es hier nur noch in abgemilderter Form. "I don´t want no heavy diamonds and pearls crush my teeth, I just want my sailor to sail back to me." Das ist relativ banal im Vergleich zu intensiven alten Cat Power-Songs wie You are Free oder I don´t blame you.

Die alten Fans nämlich schätzen sehr den autobiographischen Inhalt ihrer Songs. In dieser Hinsicht werden sie von The Greatest enttäuscht sein. Die Anwesenheit der vielen Session-Musiker hat sie wohl dahingehend beeinflusst, eher Geschichten über andere zu erzählen als zu viel von sich selbst preiszugeben. Der Höhepunkt des Albums für mich ist aber gerade ein Beispiel für ersteres, das Lied Willie. Mit der Kulisse des markanten mühsamen Klavierspiels und eines Saxophons singt Cat Power: "Second time was through the heart, Willie had a job to do, please don´t bring him down, he´s on the same side as you." Ein Cowboysong letztendlich. Sie warnt uns also vor der eigenen Haustür zu kehren, aber das Lied handelt nur von Willie und nicht von ihr.

Wichtig ist, sich klarzumachen, dass The Greatest nicht lediglich einen Ausflug in den "Country"-Stil darstellt, eine Art Zeitvertreib aus Jux und Dollerei. Sie kommt, wie gesagt, aus Georgia und schon auf dem Debütalbum, gab es Country-artige Lieder wie They tell me und auch später noch Songs wie Half of you oder Good Woman. Nur waren diese alten Stücke nicht souverän genug umgesetzt, um als echter Country anerkannt zu werden.

Cat Power. The Greatest. (1 CD). Matador/ BE (Indigo) 2006. Mit Mabon "Teenie" Hodges (Gitarre), Leroy "Flick" Hodges (Bass), Steve Potts (Schlagzeug)


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