Lauschangriff 11/05

Kolumne Musik für alle Altersgruppen, die kommerziell klingt, aber doch noch wirklich "hip" ist: eine utopische Vorstellung? Nein, ein Trio aus Manchester, I ...

Musik für alle Altersgruppen, die kommerziell klingt, aber doch noch wirklich "hip" ist: eine utopische Vorstellung? Nein, ein Trio aus Manchester, I am Kloot, erfüllt diesen Anspruch. John Bramwell, Gitarre, Peter Jobson, Bass, Andy Hargreaves, Perkussion bauen eine Brücke zwischen den Generationen, vielleicht weil jeder von ihnen lange im legendären Night Day Cafe in Manchester gekellnert hat, bevor die Band ins Leben gerufen wurde. Sie haben dort einiges gesehen und erlebt und anscheinend viele Eindrücke gesammelt, die sie nun ganz natürlich in die Rolle schlüpfen lassen, eine generationenübergreifende Bedeutung anzunehmen.

Das Café ist der Ort, an dem viele nordenglische Gruppen ihre erste Chance bekommen, es "ernsthaft" zu versuchen. Auch I am Kloot hatten vor sechs Jahren ihr Debütkonzert dort. Schon vorher war der Sänger und Songschreiber der Band, John Bramwell als lokales Talent unter dem Namen Johnny the Dangerous berüchtigt, bekannt aber war er war in erster Linie als Barman. Nun ist das dritte I am Kloot-Album Gods and Monsters erschienen. Die Band ist nicht gerade dabei, die weltweiten Charts zu erobern - dafür sind sie möglicherweise doch schon zu alt, aber es geht voran. Das letzte Album mit dem Bandnamen I am Kloot kommt erst jetzt in Amerika heraus. Es ist ihre erste Veröffentlichung in den Staaten, wo sie im Moment auch auf Konzertreise unterwegs sind. Hierzulande haben sie sich in Indierockkreisen bereits etabliert. Bei vielen sind sie wohl, so glaube ich, als "Oasis mit besseren Songs, ohne die latenten Status Quo Einflüsse" abgespeichert.

Mit I am Kloot kommen die guten alten Manchester-Klischees wieder ans Tageslicht: Die grimmige alte Hauptstadt der industriellen Revolution, der warme endlose Regen des englischen Nordwesten... John Bramwell selbst sieht aus, als ob für ihn die Zeit stehen geblieben sei. Jung sah er nie aus, aber auch nicht alt. Er klingt reif und erfahren, wenn er singt, aber nie gesetzt und langweilig. Er ist ein zeitloser Manchester-Kommentator. Allerdings ist er nicht besonders nett. Zu mir war er zwar immer herzlich, aber nur weil ich mir große Mühe gegeben habe, ihm keine dumme Fragen zu stellen. Bramwell kann sehr bissig sein, wie zum Beispiel im Lied Avenue of Hope auf dem neuen Album: "You´re like the clouds in my hometown, you just grow fat and hang around." (Du bist wie die Wolken in meiner Heimatstadt, Du wirst immer fetter und hängst nur herum.) Der kritische Text wird von einer romantischen Trompete begleitet, die für Bramwell´s Art und Weise bezeichnend ist. Die schönsten Melodien tragen oft düstere Botschaften, beispielsweise die "bitter black regrets" (die bittere schwarze Reue) des Songs Dead men´s cigarettes. Selbstkritik ist für ihn kein Problem. Bramwell selbst ist nämlich Kettenraucher.

Schon vor zwei Jahren schrieb ich über I am Kloot für diese Kolumne. Ich habe den alten Artikel bewusst nicht gelesen, bevor ich diese Zeilen geschrieben habe. Falls ich mich wiederholt haben sollte, ist es auch gut. Es ist dieselbe Band geblieben mit Songs, die ihre Chance beim Schopf ergreifen und die Aufmerksamkeit des Hörers sofort auf sich ziehen. Der Gesang hat etwas Trockenes mit flachen Vokallauten - wie man in Nordengland eben redet. Auf dem Titelstück Gods and Monsters ist eine alte Wurlitzer Orgel zu hören, die früher in Bingospielhallen und Kinos gespielt wurde.

Besonders bescheiden ist John Bramwell nicht. Das letzte Mal, als ich ihm begegnet bin, erklärte er mir, er sei ein viel besserer Songschreiber als Noel Gallagher von Oasis. Das klingt nach Neid und Missgunst; ist es vielleicht auch. Auch wenn Bramwell damit eines der zehn Gebote bricht, hat der Mann Recht: Er ist bei weitem besser als Gallagher. Aber er ist natürlich auch besser als Dieter Bohlen - was sagen schon Vergleiche aus? Und Bramwell mag Oasis. Das ist typisch. Er kritisiert seine Mitmenschen scharf und umarmt sie zugleich. Seine letzte Geste auf der neuen Platte ist eine solche ambivalente Aussage. Im Schlussstück I believe greift er unsere Konsumsucht an: "I believe in the hallelujah choirs of the shopping malls. I know we shouldn´t, I know we mustn´t, but of course we will." Die Band ist im Mai auf Tour in Deutschland. Alle Altersgruppen sind willkommen.

I am Kloot: 22.05. Frankfurt-Batschkapp 23.05. Köln-Prime Club 24.05. Berlin-Postbahnhof 25.05. Hamburg-Knust


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