Lauschangriff 17/05

Menahem Pressler blickt zurück auf ein langes Leben; er ist zweiundachtzig. Andere Menschen in diesem Alter haben damit fertig zu werden, dass alles ...

Menahem Pressler blickt zurück auf ein langes Leben; er ist zweiundachtzig. Andere Menschen in diesem Alter haben damit fertig zu werden, dass alles langsamer und beschwerlicher geht. Aber Menahem Pressler braucht weder Brille noch Hörgerät. Er feiert in diesem Jahr das 50. Bühnenjubiläum mit dem Beaux Arts Trio (BAT), dem berühmtesten, besten und ältesten Klaviertrio der Welt. Es geht ihm glänzend.

Er ist der Einzige, der schon bei der Gründung des Trios dabei war, 1955 in Tanglewood, USA. Über den Geiger Daniel Guilet - er war Konzertmeister bei Toscanini und ein Freund Ravels - und über den Cellisten Bernard Greenhouse - er war Meisterschüler bei Pablo Casals - erschloss sich dem jungen Pianisten Pressler früh das große Erbe mitteleuropäischer Kammermusik.

Der Weg, der ihn bis nach Tanglewood führte, hatte in Magedeburg begonnen, einer Weltgegend, die für Menschen seinesgleichen längst lebensgefährlich geworden war, als er 1938 mit Eltern und Geschwistern in letzter Minute nach Palästina entkam. Er studierte in Israel. Stand in den USA am Anfang einer großen Solistenkarriere. Fühlte sich als Solist aber zu einsam auf den Bühnen und in den Hotelzimmern der Klassikwelt. Es ergab sich, dass er für eine Plattenproduktion mit Guilet und Greenhouse zusammen kam. Das BAT entstand. Es war selten erfolgreich.

1968 schied Guilet altersbedingt aus, es kam Isidore Cohen. 1987 ging Greenhouse in Pension. Es folgte eine Zeit des Wechsels. Als Ende 2001 mit dem vietnamesischen Geiger Young Ock Kim wieder einmal ein Musiker das Ensemble verließ, war Pressler, als hätte er zum erneuten Aufbau des Trios die Kraft nicht mehr. "Aber dann kam Daniel", sagt der alte junge Mann mit strahlendem Gesicht und erzählt davon, wie der 27-jährige britische Geiger Daniel Hope zum ersten Mal mit ihm und seinem Cellisten Antonio Meneses probte: "Wie ein Schwamm saugte er alles auf, er machte und tat." Und harmonierte mit dem Cello. Hopes Bedingung: Das Trio müsse sich künftig neben dem klassisch-romantischen Repertoire gleichberechtigt der neuen Musik widmen. Dass Pressler damit nicht nur einverstanden war, sondern sich mit seinen "beiden Jungs" auf ein für ihn ungewohntes Herangehen an neues Repertoire einließ, sagt viel über die Quellen der erstaunlichen Beweglichkeit und Frische seines Alters. "Neugier, Fleiß und Liebe", sagt er selbst, seien die Motive seines Musizierens.

Die erste CD mit der neuen Besetzung hat dasselbe Programm wie die erste Platte vor 50 Jahren; Menahem Pressler fühlt sich mit Hope und Meneses offensichtlich in die große Anfangszeit des Trios zurückversetzt. Wer indes vermutet, in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren sei "romantischer" musiziert worden in dem Sinn, dass die Emotionalität der Musik heftiger betont, Effekte und Affekte emphatischer heraus gestrichen wurden, irrt. Die Neuaufnahme von Mendelssohns d-moll Trio und von Dvor?aks Dumky klingt auf neue Art gefühlvoll, zart und delikat.

Die "alten" BAT-Aufnahmen der Trios von Haydn und Mozart, Beethoven, Schubert und Schumann, von Brahms und Dvor?aks, Fauré, Ravel und Schostakowitsch setzten allerdings Maßstäbe an Tiefe und Wahrheit und an makelloser Spieltechnik, Schlankheit und Schönheit. Der Streicherklang ist hochexpressiv; zugleich gerade und fest; die Tempi straff. In Sätzen wie dem Adagio aus Brahms´ Trio op. 8 entsteht etwas wie Magie. Für Brahms´ herrlich düsteres, am Ende himmlisch fröhliches Horntrio - vom BAT ausgelassen - ist die Aufnahme mit dem britischen Florestan Trio zu empfehlen.

Allein im Jubiläumsjahr wird das BAT drei Auftragswerke uraufführen, Trios von Kurtag, Turnage und Müller-Wieland. Im vergangenen Jahr musste Pressler anlässlich von Fiddle dreams des Kubaners Paquito d´Rivera erstmals in seiner Laufbahn Jazzimprovisationen spielen. "Ich dachte zuerst, es wären nicht die Träume eines Geigers ", lacht Pressler, "sondern seine Alpträume." Es fiel ihm schwer. Das Publikum klatschte mitten im Stück. Es gibt noch keine Aufnahmen davon. Aber es geht immer weiter!

Klaviertrios von Beethoven (5 CD) Philips/Universal 438603-2; Schubert (2 CD) Philips/Universal 438700-2; Brahms (2 CD) Philips/Universal 468411-2; Dvorak (2 CD) Philips/Universal 454259-2; Mendelssohn Nr. 1/Dvorak "Dumky"; Warner Classics 256461492-2; Brahms: Horntrio op. 40+alle Trios, Florestan Trio; hyperion/codaex CDA 67251/2.


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