Lauschangriff 19/05

Kolumne Die Punks von gestern sind die Singer/Songwriter von heute. Wenn man in Würde alt werden will, bleibt einem wohl nichts anderes übrig. Bob Mould ist ...

Die Punks von gestern sind die Singer/Songwriter von heute. Wenn man in Würde alt werden will, bleibt einem wohl nichts anderes übrig. Bob Mould ist 45 Jahre alt. Seine Band Hüsker Dü aus Minneapolis, Minnesota war in den achtziger Jahren möglicherweise die einflussreichste Hardcore-Popgruppe ihrer Generation. Der Begriff "Hardcore-Pop" klingt ja wie ein Widerspruch, und es gab dementsprechend extremistische Stimmen, die Hüsker Dü damals "Verrat" vorwarfen, aber die Band nutzte die Chance ihre Gitarren-Intensität melodischer zu gestalten. Symbolisch für diese Attitüde war ihre Coverversion des Byrd´s Songs Eight Miles High. Eine heftigere Interpretation dieses Liedes hat es nie gegeben. Es war der stilistische Wendepunkt für Hüsker Dü. Wenn ich jedoch eine Platte für Einsteiger empfehlen sollte, wäre es eher Candy Apple Grey von 1986.

Eine große Stärke der Band bestand darin, dass sie zwei Songwriter hatten, die getrennt voneinander komponierten: Bob Mould und Grant Hart. Beide haben seit dem Ende von Hüsker Dü Solokarrieren verfolgt. Vergleicht man diese, hat Mould mehr Punkte erzielt; vielleicht weil er weniger Heroin genommen hat? Er trennte sich von Grant Hart, weil er angeblich mit der Sucht seines Kollegen nicht klar kam. 1992-95 hatte Bob Mould eine neue Gruppe, Sugar, die sich deutlich besser verkaufte als Hüsker Dü. Das Sugar-Debütalbum von 1992 Copper Blue war sein kommerziell erfolgreichstes Album überhaupt. Nun, 2005, ist Bob Moulds erstes Album seit drei Jahren erschienen, Body of Song; 26 Jahre sind vergangen, seitdem er seine erste Band Hüsker Dü gründete.

Was die neue Platte betrifft: Wenn ich Vergleiche anstellen darf - ich dachte sofort an die erste Soloplatte von Bob Mould, Workbook von 1989. Damals wurde zum ersten Mal deutlich, dass Mould als konventioneller Songwriter existierten könnte, wenn er wollte. Seine Stimme war warm und romantisch aber auch hungrig. Nun hat Mould anscheinend erstmal genug vom Experimentieren. Das letzte Album Modulate von 2002 war elektronisch. Er arbeitete überwiegend mit Computern und Samplern. Das war sehr untypisch für ihn. Es soll daran gelegen haben, dass er als DJ in Washington DC arbeitete und dass er sich immer mehr vom Gitarrenrock distanzieren wollte. Der neue Albumtitel sagt schon alles: Body of Song - es geht hier in erster Linie um gute konventionelle Songs. Zwar hört man Synthesizer und Beats, aber auch viel, sehr viel Mould-Gitarre. Er ist gerade ausgiebig auf Tour mit kompletter "Rock´n´Roll" Band. Brendan County (Ex-Fugazi) und David Barbe (Ex-Sugar) sind mit dabei. Ganz offensichtlich möchte er zu seinen Wurzeln zurückkehren.

Die extreme Wut der Jugend ist verebbt, Moulds Musik klingt heute fast schon konservativ im Vergleich zu früher, aber das lässt sich genau so wenig vermeiden, wie ein Bierbauch in den mittleren Jahren. Man ist einfach nicht mehr so jung und knackig. Dafür hat man nachdenkliche Qualitäten. Mould ist im angenehmen Sinne reif geworden. Er klingt vernünftig, ohne langweilig zu sein, und er hat die starke Fähigkeit nicht verloren, sich emotional auf einfache Weise auszudrücken, wie auf dem Stück Best thing, wo er singt: "You just lost the best thing you never had". Einfach, aber eben auch clever. Es gibt richtige Balladen, wie es sich für einen 45-Jährigen gehört, zum Beispiel Days of Rain und Gauze of Friendship. Die Arrangements sind dementsprechend: Akustische Gitarre, Schlagzeug und ein Gastspiel von der Cellistin Amy Domingues. Solche Songs hätte es in Moulds Jugend nie gegeben, aber nun ist er auf der Suche nach einer harmonischen monogamen Beziehung wie es im Stück High Fidelity deutlich wird. Seine Erfahrung mit dem letzten Album Modulate und seine Arbeit als DJ hinterließ trotz der konservativen Tendenz des neuen Albums ihre Spuren. (Shine Your) Light love Hope klingt im Endeffekt wie ein Dance-Stück. Moulds Gesang ist mit einem Vocoder entstanden, und wer denkt dabei nicht an Chers Believe? Ich hätte nicht gedacht, dass ich eines Tages Bob Mould mit Cher in einen Topf werfen würde. Solange er nicht anfängt, Chers Unterwäsche zu tragen, mache ich mir aber keine Sorgen. Also, auch wenn Mould heute überwiegend konventionsgebunden ist, ist er doch noch gut für eine Überraschung!

Bob Mould live: 9.9., Hamburg-Grünspan, 13.9., Köln-Bürgerhaus Stollwerk.


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