Lauschangriff 24/04

Kolumne Eine Elfe zu sein, ist nicht leicht. Man wird als niedlich empfunden. Björk Gudmundsdottir alias Björk hat ihren Teil dazu getan, um das märchenhafte ...

Eine Elfe zu sein, ist nicht leicht. Man wird als niedlich empfunden. Björk Gudmundsdottir alias Björk hat ihren Teil dazu getan, um das märchenhafte Image der niedlichen Elfe zu fördern, während ihr musikalisches Talent darauf bestand, ernst genommen zu werden. Eine Frau, die am liebsten Cliff Richard hört, fragte mich einmal, ob ich irgendwann Björk interviewt hätte und ob sie wirklich so verrückt sei, wie sie in ihren Videos aussieht. Abgesehen davon, dass ich einen Cliff Richard-Clip schräger finden würde als ein Björk-Video; die Frau wollte wissen, ob man sich mit Björk normal unterhalten kann. Das kann man sehr wohl, sehr normal sogar, und es ist in der Tat so, dass man im Gespräch nicht unbedingt darauf käme, sie für eine der eigenwilligsten Künstlerinnen unserer Zeit zu halten. Im Jahr 2000 hat sie sich am Kino probiert, ihr schauspielerisches Talent in Dancer in the Dark gezeigt. In dem Film Lars von Triers, für den sie auch die Musik geschrieben hatte, spielte Björk eine unschuldige Frau, die zum Tode verurteilt wurde, und weil die Geschichte auf einer wahren Begebenheit beruhte und Björk emotional so sehr mitnahm, beschloss sie, nie mehr in einem Film mitzuspielen. Für Dancer in the Dark erhielt sie den Preis für die "Beste Schauspielerin" in Cannes.

Björk kommt aus Island und wurde 1988 bekannt mit dem Debütalbum der Sugarcubes Life´s too good. Das Album enthielt gleich drei Hitsingles: Birthday, Deus und Coldsweat, der Sound war neu im Indie-Rock, was nicht unwesentlich an Björks von isländischer Folkmusik beeinflusstem Gesang lag. Vergleichen ließ sich das nur noch mit den Cocteau Twins, aber die kamen aus Schottland. Bei den Sugarcubes konnte man sich dagegen in die rauhen Landschaften Islands denken. Zu den Stürmen, dem Schnee und dem Eis. Und zu einem Jeep, um das Land überhaupt erforschen zu können. Nach drei Platten trennte sich die Band.

The Sugarcubes waren nicht Björks erste musikalische Station, hier erlebte sie lediglich ihren Durchbruch. Zuvor hatte sie bei Toppi Tikarass und bei Kukl gesungen; letztere waren sogar einmal durch Deutschland getourt. Björk war damals hochschwanger und tanzte auf der Bühne herum, als ob sie es auf eine Frühgeburt angelegt hätte. Das war 1984. 20 Jahre später ist ihr siebtes Soloalbum erschienen, Medulla. Björk hat Millionen von Platten weltweit verkauft, sie könnte sich es leisten, ein wenig konservativ zu werden, sich in einem Stil einzurichten, aber das ist nicht ihre Art. Medulla ist, auf experimentelle Art, Björks A-Cappella-Album. Kein einziges Musikinstrument ist darauf zu hören, nur Gesang und elektronisch erzeugte Beats. Gesungen haben neben Björk mehrere Gäste, darunter ein isländischer Chor für das Stück Vökuro, auf deutsch: die Wache. Zu den prominenten Mitarbeitern gehört der Star des Progressive Rock, Robert Wyatt, mit dem Björk das Duett Submarine aufgenommen hat. Eine reizvolle Zusammenarbeit zweier der originellsten Stimmen der Popmusik. Mike Patton (Faith no More, Mr. Bungle) präsentiert sich mit bösem Brummen in Where is the Line. Das ist weniger charmant, aber gut für die feine Balance zwischen düsteren und heiteren Stimmungen auf dem Album. Eher poppige Songs, die mit Beats unterlegt sind, wie Who ist it und Triumph of a Heart bilden die Ausnahmen. Die Qualität von Medulla liegt darin, das Vermögen der menschliche Stimme hörbar zu machen. Björk kann richtig singen, aber sie kann auch noch zwitschern, zirpen und piepsen. Manchmal sind es nur Fragmente einer Stimme, Reste, die zu hören sind. Die minimalistischen Arrangements verleihen dem Gesang Kraft und Gewicht.

Björks letztes Album Vespertine (2001) war ein Mainstream-Erfolg. Das Werk passte zum Zeitgeist, musikalisch gehörte es mit Synthieklängen und Drum´n´Bass in die Federgewichtsklasse. Medulla dagegen gibt sich abgehoben und spekuliert weniger auf die Charts, das Stück Oceanic sang Björk dennoch bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Athen. Ozeanisch ist ein schönes Stichwort, denn Björks Musik klingt so, als ob sie mit Händen und Füßen in unterschiedlichen Gewässern plansche. Sie bleibt unsere wichtigste Elfe.

(Björk: Medulla, Polydor/Universal)


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