Lauschangriff 4/02

Kolumne The Delgados ist eine Glasgower Band, die zusammen mit ihrem Label Chemikal Undergound vor acht Jahren gegründet wurde. Die beiden Songschreiber sind ...

The Delgados ist eine Glasgower Band, die zusammen mit ihrem Label Chemikal Undergound vor acht Jahren gegründet wurde. Die beiden Songschreiber sind Emma Pollock, Gesang und Gitarre, und Alun Woodward, Gesang/Gitarre. Stewart Henderson spielt Bass und Paul Savage Drums. Alun und Stewart kennen sich, seitdem sie neun Jahre alt sind. Emma und Alun sind gleichberechtigte Sänger. Wenn Emma ein Lied komponiert hat, singt sie es. Wenn Alun es geschrieben hat, übernimmt er den Gesang. The Delgados sind vielleicht am allermeisten dafür verantwortlich, dass die schottische Szene in den letzten Jahren immer mehr gewachsen ist. Chemikal Underground entdeckte Gruppen wie Arab Strap, Mogwai und Aereogramme. Durch den Erfolg des Labels haben viele junge Musiker bemerkt, dass man es auch außerhalb von London schaffen kann. Stewart: "Wir mussten nie betonen, dass wir aus Glasgow kommen. Alle Leute, die jemals etwas über Chemikal Underground geschrieben haben, erwähnen es. Wir hatten Glück, es war ein günstiger Zeitpunkt, um ein Label zu gründen. Es gab aber zugleich eine schädliche Engstirnigkeit. Bands dachten: ›Wir machen unsere Musik in Glasgow, zum Teufel mit London!‹ Wir wollten von Anfang an offener sein. Unser Sitz war in Glasgow, aber wir fuhren nicht mit der schottischen Fahne aus dem Fenster flatternd auf der Autobahn nach London."

Das Debütalbum der Band, Domestiques (1996), wirkt im nachinein wie durchschnittliches Indierockgeschrammel. Der Wendepunkt für The Delgados war ihr zweites Werk Peleton 1998. Sie beherrschten nun ihr Songwritinghandwerk, und sie hatten eine Vision von großen Indierockarrangements: Mit Flöte, Klarinette, Piano, und Streichern. Kritische Stimmen stempelte die Band abwertend als "neuen Progrock" ab, was aber Unsinn war. Trotz der üppigen Produktion, blieb das Feeling ihrer Songs immer sanft und unaufdringlich. Das hat sicherlich etwas mit dem Naturell der Band zu tun. Sie sind bescheiden und fast demütig. Es ist keine eitle Rock´n´Roll Band. Emma hat nie versucht, sich als Sexbombe zu vermarkten, und die Anderen verstecken ihre Bierbäuche hinter ihren Extra Large T-Shirts.

Mit dem dritten Album: The Great Eastern (2000) kam der Durchbruch. Das Werk wurde für den Mercury Prize nominiert (die künstlerisch hochwertigste Platte des Jahres in Großbritannien). Auch wenn man nicht gewinnt, ist die Nominierung schon mit Prestige verbunden. Wenn Badly Drawn Boy nicht sein Debütalbum Hour of Bewilderbeast im selben Jahr veröffentlicht hätte, hätten The Delgados sicherlich gewonnen. The Great Eastern war nach einer ehemaligen Baumwollmühle benannt - die Glasgower betonen gerne ihre Arbeitertradition. Musikalisch war das Album noch bunter und unberechenbarer als der Vorgänger. Sie hatten die Instrumentierung noch erweitert, weshalb sie ein Streichquartett mit auf Tour nehmen mussten, weil sie meinten, dass es keinen Sinn hätte, ein solches ehrgeiziges Werk zu schaffen, wenn mann es nicht live umsetzen könne. Das stellte sich als große finanzielle Belastung für die Band heraus. Hätten sie darauf verzichtet, wäre jetzt etwas Geld auf dem Konto.

Das neue Album Hate setzt die Delgados-Geschichte ohne Unterbrechung fort: Trompete, Violine, Cello und Flöte sorgen wieder für das orchestrale Feeling. Emma´s Gesang ist auffallend stärker und selbsicherer geworden. Was paradox ist, denn als Emma letztes Jahr schwanger war, musste die Band die Produktion auf Eis legen. Sie hatte festhestellt, dass sie im schwangeren Zustand nicht singen konnte. Nun kommt sie umso kräftiger zur Geltung. Der Albumtitel Hate und vor allem das Stück All you need is hate wird sicher für Kontroversen sorgen. Aber es ist alles ganz einfach. The Delgados sind nicht die ersten, die bemerkt haben, dass das ganze Leben aus dem Kampf zwischen Gut und Böse besteht. "Hass ist überall," singt Alun, "Schau in Dein Herz, und Du wirst ihn dort finden." Und die Glasgower Szene, die sie mitgestaltet haben? Dazu Emma: "Am Anfang ist man sich seiner Zeitgenossen sehr bewusst. So fängt man seine Laufbahn an: Man bemüht sich, dazuzugehören, damit man Gigs bekommt. Alle sind neugierig aufeinander. Dann wird einem klar, dass man das alles nur wegen der Liebe zur Musik macht, und dazu braucht man die Szene immer weniger; man wird eigenwilliger und selbständiger. Jeder scheint seine eigenen Ideen zu haben. Das ist eine tolle Sache."

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