Lauschangriff 5/04

Kolumne Andreas Staier freut sich über seine neue CD. "Ich fand es eine schöne Idee, die Zusammenarbeit mit einer neuen Firma mit einer Ouvertüre zu ...

Andreas Staier freut sich über seine neue CD. "Ich fand es eine schöne Idee, die Zusammenarbeit mit einer neuen Firma mit einer Ouvertüre zu beginnen. Ich dachte mir, das setzt vielleicht ein hoffnungsfrohes Zeichen."

So etwas haben Klassikmusiker scheint´s dringend nötig. Ihr Gewerbe ist in der Dauerkrise. Staier gehört zu den Schiffbrüchigen der untergegangenen Firma Teldec, die, zu den Großen der Branche gehörig, von der Bildfläche verschwand, kurz nachdem der Mutterkonzern Warner von einer, nehmen wir mal an, Spekulationsblase namens AOL geschluckt worden war, worauf sich AOL, wundersam genug, bald seinerseits im Magen von Warner wiederfand.

Nutznießer solcher Dino-Ökonomie sind kleine Firmen wie Harmonia Mundi France (HMF). Sie sind kreativ genug, um zu kapieren, wie gut sie die vielen Starsolisten und -dirigenten gebrauchen können, die ihnen die Krise der Majors an Bord spült, und groß genug, um das Geld dafür aufzubringen.

Mit Andreas Staier beseitigte HMF eine langjährige Lücke im eigenen Angebot. Denn neben der einschlägigen Sololiteratur wird der Hammerflügelspezialist aus Köln, zusammen mit den zahlreichen Originalklangkapellen, die - detto krisenbedingt - inzwischen bei HMF sind (Akademie für Alte Musik Berlin, Concerto Köln, Freiburger Barockorchester, Orchestre de Champs Élysées), auch das klassisch romantische Konzertrepertoire auf einem originalen Hammerflügel aufnehmen.

Als Debütkomponisten bei seiner neuen Firma hat sich Staier Mozart ausgesucht. Für eine Art Konzeptalbum stellte er einen musikalischen Lebensverlauf des ewigen Welt(wunder)kinds zusammen. Mit einer Ouvertüre, dem "hoffnungsfrohen Zeichen" am Anfang der CD, beginnt die Suite C-Dur K. 399. Mozart hat sie - fast in der Mitte seines Komponistendaseins - zwar erst in den frühen Wiener Jahren geschrieben. Sie bezeichnet gleichwohl sein musikalisches Herkommen; noch der wichtige Lehrer des 15-Jährigen, der alte Padre Martini aus Bologna, war schließlich durch und durch Barockmensch. Die Beschäftigung mit Händel, vielleicht mehr als die mit Bach, hat erst die großen Mozartwerke der Wiener Spätzeit ermöglicht.

Vor allem die somnambul umflorte Allemande, Staier hält sie augenzwinkernd für "die vielleicht schönste barocke Allemande, die es für Tasteninstrumente gibt", hat ihn begeistert an dieser Suite, die niemand kennt, weil sie ein Fragment ist. Aus den wenigen Mozarttakten der Sarabande hat Staier glücklich einen vollständigen Satz von 24 Takten gemacht. Wie das ging? "Ich habe mir in aller Unbescheidenheit versucht vorzustellen, ich sei Mozart, der sich versucht vorzustellen, er sei Händel." Die fehlende Gigue ersetzte er durch die zwar viel später entstandene, dieses "neue" Mozartwerk indes adäquat komplettierende Gigue K. 576.

Dass dieser Soloklavier-Mozart wie neu gehört klingt, liegt an Staiers tempostraffem Herangehen, das sich durch feine Verschiebungen und gewitzte Abschattierungen gegen den - bei zügigen Tempi - allfälligen Kritikerverdacht von intellektueller Kälte wappnet. Es ist nicht minder dem Instrument zu danken, der Kopie eines Wiener Walther-Flügels aus der Marburger Werkstatt von Monika May, dessen silbrig durchsichtiger, farbig trockener Klang Mozarts Musik buchstäblich in neues Licht rückt. Auf dem Cembalo oder einem Clavichord hätte man das auch spielen können, meint Staier, keineswegs aber - zumindest nicht so wie er es tut - auf einem der für Mozart immer noch weithin obligatorischen Steinways. "Die dicken Akkorde", sagt er, "werden zu stumpf auf einem modernen Flügel, zu fett und zu untransparent."

Fantasie und Sonate c-moll K. 475 und 457 befreit Staier qua Können und Instrumentenklang aus dem ewig närrischen Ruf sogenannter "Beethovennähe" - wie, fragt man sich, würde Quasi una fantasia unter seinen Händen und auf so einem Flügel klingen? Bei aller Ehrfurcht vor Beethovens hochfahrender Besonnenheit: Dessen Musik fehlt das poetisch und plastisch Theatralische, die scheinbare Mühelosigkeit, mit der bei Mozart - und besonders in den harmonisch vertrackten Mollstücken - Herzenskompliziertestes entwickelt und nie abgewickelt wird. (+Sonate K. 282, Variationen K. 455; Harmonia Mundi France HMC 801815).


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