A
Almosen 2009 überraschte der für seine provokant-populären Thesen bekannte, durchaus sympathische Peter Sloterdijk mit dem Vorschlag, anstelle der zwanghaften steuerlichen Abgabe an den Staat eine Ethik des freiwilligen Gebens zu etablieren. Früher nannte man das Almosen.
Der nehmende Staat berufe sich noch heute auf die Überzeugung, dass gegen den ungerechten ersten Diebstahl, der auf die ursprüngliche Landnahme zurückgehe, nur ein gerechter korrigierender Diebstahl Abhilfe schaffe. Diejenigen, die Sloterdijk ohnehin nicht mochten – wie der Habermas-Schüler Axel Honneth –, waren indes weniger überrascht und witterten einen Klassenkampf von oben. Obwohl Sloterdijk der Sozialdemokratie im Verlauf weitgehende Visionslosigkeit unterstellte, bediente er sich während der daraufhin entbrennenden Feuilletondebatte dennoch der bewährten sozialdemokratischen Rhetorik, seinen Kontrahenten nur „den Philosophieprofessor“ zu nennen. Tilman Ezra Mühlenberg
B
Basiswissen Die Unterscheidung der staatlichen Besteuerung in direkte und indirekte Steuern zählt zum Basiswissen. Die direkten Steuern werden unmittelbar bei der Person erhoben, die belastet werden soll. Deren persönliche Situation wird als Ermessensgrundlage für die Belastung miteinbezogen. Hierzu zählen vor allem Einkommens- und Vermögenssteuer. Indirekte Steuern werden von den Steuerschuldnern (➝ Berater) weitergereicht, ihre Last wird faktisch von anderen getragen. Beispiele hierfür sind die Mehrwertsteuer und Verbrauchersteuern wie die Branntweinsteuer. So wird etwa die Biersteuer bei den Brauereien erhoben. Sie wird über den Preis an den Endverbraucher abgeschoben, der sie mit jedem Flaschenkauf oder jeder Zeche zahlt. Eine Kombination beider Steuerarten findet sich beim Lottospielen.
Für einen Lottogewinn fallen zunächst keine Steuern an, denn der Staat verdiente schon durch die indirekte Lottosteuer mit. Legt man aber den Gewinn auf dem Konto an, wird eine Kapitalertragssteuer dafür fällig.Tobias Prüwer
Berater Als Selbstständige mit einem umfangreichen Buchhaltungs- und Steuererklärungsaufwand hatte ich seinerzeit einen Berater, der immer so tat, als stünde er mit einem Bein im Gefängnis, wenn ich ihn darum bat, mir legale Spielräume zur Steuerersparnis zu zeigen. Wer, wenn nicht er, sollte sich eigentlich damit auskennen? Weiß irgendwer einen echt smarten Steuerfuchs? Und zudem noch einen richtig coolen Typen? So etwas gibt es nicht, oder?
Jetzt bin ich angestellt und lasse meine jährliche Erklärung (➝ Fahrtenbuch, Verpflegungsmehraufwand) von einem Lohnsteuerhilfeverein anfertigen, der in einem winzigen Ladenlokal namens „Eckbüro“ sitzt. Der Experte dort trägt schlecht sitzende, cremefarbene Anzüge mit fettigen Hosentaschen und lacht mich jedes Mal wegen meiner stümperhaften Altersvorsorge aus: „Riester, Rürup – wer hat Ihnen denn den Scheiß aufgeschwatzt?“ Der Steuerzampano kommt gar nicht darüber hinweg. Dann fragt er, warum ich nicht in „Betongold“ investiert hätte. „… Sie Dummerchen“, füge ich im Stillen seiner Frage hinzu und wünschte, ich könnte auf Kommando pupsen. Elke Allenstein
F
Fahrtenbuch Nein, machen Sie es nie später! Die Alternative ist die Ein-Prozent-Versteuerung des Bruttolistenpreises für des Deutschen liebstes Fortbewegungsmittel, das Kfz. Wer es dienstlich und privat nutzen will, dem rät die ratio, ein Fahrtenbuch zu führen. Die emotio will hingegen die prozentuale Versteuerung. Das Konto trifft die Entscheidung. Die Realität ist dann eine Mixtur: Fahrtenbuch, aber später ausfüllen. Ein Strudel des Verderbens bricht über einen herein, denn die Kilometer stimmen nie. N-i-e-m-a-l-s. Es wird zur Hölle, Google Maps zur meistfrequentierten Website in Ihrem Browser, es reift die Erkenntnis, dass man für die Tram (➝ Würde) kein Fahrtenbuch braucht. Gute Fahrt! Jan C. Behmann
G
Gefallen Jemandem einen Gefallen zu tun, hat viele Vorteile, auch steuerliche. Einen Gefallen tun heißt, zu geben und nichts zu erwarten. Dieselbe Handlung wird mit einem Zweck versehen zur Lohnarbeit. Das hat steuerliche Konsequenzen. Ein Beispiel: Nettsein. Als Selbstzweck schön. Mit dem Ziel, dafür Geld zu bekommen, wird Nettigkeit zur Dienstleistung (z. B. Hotelfachmann). Den Lohn dafür muss man versteuern. Beim Gefallen dagegen gehört einem die Belohnung ohne Abzug. Obwohl man auch hier etwas bekommt. Nicht unbedingt von der gleichen Person. Aber man sieht: Auch bei legalen Steuertricks geht es am Ende um Umverteilung. Marlene Brey
L
Lafontaine, Oskar Er wurde einmal vom britischen Boulevardblatt Sun als der „gefährlichste Mann Europas“ bezeichnet. In seiner kurzen Zeit als Finanzminister (1998 – 1999) wollte er die schon um die Jahrtausendwende völlig entfesselten Finanzmärkte regulieren. Er plädierte für die nach dem US-amerikanischen Ökonomen James Tobin (1918 – 2002) benannte Tobin-Steuer, eine einheitliche Sonderabgabe auf spekulative Devisentransaktionen. Spekulationen auf kurzfristige Währungsschwankungen sollten so eingedämmt werden.
Alle Regierungschefs Europas meinen, sie sei nur gemeinschaftlich, nur weltweit umsetzbar (➝ Sommermärchen). Eine Finanztransaktionssteuer gehört noch immer zu den Hauptforderungen von Attac. Die Finanzkrise von 2008 bestätigte die Dringlichkeit der Steuerung der Finanzmärkte. Durchgesetzt wurde eine Bankenabgabe, die aber mehr der Bankenrettung dient als der Eindämmung von Spekulationen. Magda Geisler
R
Rauchen Im Grundprinzip sind Steuern zur Finanzierung des Allgemeinwohls gedacht. Aber in vielen Bereichen sollen sie auch das Verhalten der Bürger beeinflussen. Diese Steuern heißen Lenkungssteuern. Das Rauchen beispielsweise ist in Verruf geraten, weil es gesundheitsschädlich ist. Daher steckt hinter der Tabaksteuer die Idee, die Zahl der Raucher zu reduzieren. Die satten Mehreinnahmen nimmt der Staat dabei gern in Kauf. Zu den Lenkungssteuern zählt auch die Steuer auf Plastiktüten.
Über den Sinn dieses staatlichen Eingriffs in das Individualverhalten kann man sich je nach politischer Weltsicht also vortrefflich streiten. Wer will angesichts des Weltplastikmülls schon die Tütensteuer geißeln? Aber sollen bald Menschen mit großem Körperfettanteil tiefer ins Portemonnaie greifen, weil sie mutmaßlich ungesünder leben? Im Kern steckt die Frage, wie viel Mündigkeit (➝ Zakat) dem Bürger zugetraut wird. Tobias Prüwer
S
Sommermärchen Mit den Steuertricks und kleinen Betrügereien ist es ja so eine Sache, man kann es vielleicht mit dem katastrophalen Auftritt der deutschen Nationalmannschaft bei der vergangenen WM vergleichen: „Um als Weltmeister in der Vorrunde einer WM auszuscheiden“, las ich da kurz nach der Niederlage gegen Südkorea, „muss man erstmal Weltmeister sein“ (➝ Basiswissen).
Das spendete Trost. Genau so will ich das künftig betrachten: Nicht ärgern sollte ich mich über die dem Staat durch die Lappen gehenden Millionen, freuen werde ich mich künftig über jeden einzelnen Mitbürger, der offenbar gut genug verdient, dass sich das Tricksen für ihn auch tatsächlich lohnt. Wofür sonst die Mühe? Nur Mut. Timon Karl Kaleyta
T
Transfers In Die Luxembourg Transfers (Blattfuchs 2018, 340 S., 12,50 €) geht es um eine traditionelle Methode der Steuerhinterziehung: Man packt sein Schwarzgeld in den Kofferraum des PKWs und fährt es über die Grenze ins altehrwürdige Steuerparadies Luxemburg. Das kleine Land war lange Komplize von kleinen und großen Steuervermeidern, seit der Lux-Leaks-Affäre werden auch dem heutigen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker (➝ Lafontaine, Oskar) lästige Fragen gestellt.
Im Mittelpunkt des Politthrillers steht der Journalist Wahlberg, „der alte Bechtheim“ soll in einen Zwölf-Millionen-Euro-Deal verstrickt sein. So viel sei verraten: Autor des Thrillers ist der Verleger selbst, er schreibt unter dem Pseudonym Emile Claassen. Katharina Schmitz
V
Verpflegungsmehraufwand Der Tisch steht voll mit Abendessen. Im Film Up in the Air ist der exzessive Vielflieger Ryan Bingham, gespielt von George Clooney, immer auf der Hetzjagd nach Meilen, Meilen, Meilen. Das Ziel: diese eine Vielfliegerkarte bekommen, als siebter Mensch auf der Welt – mit Namen auf einem Flugzeug! Um besonders viele Meilen zu sammeln, reizt er das Essensbudget komplett aus – wider jede Notwendigkeit, alles nur dem Meilenziel wegen. In Deutschland regelt das Essensbudget ein Vehikel, dessen Bezeichnung einem Gelenk-Omnibus gleicht: der Verpflegungsmehraufwand. Wer steuerfrei essen will, muss viel wissen, denn die Ausnahme ist die Regel. Guten Appetit! Jan C. Behmann
W
Würde Als freischaffender Schreiberling, ob nun für Printmedien oder die stets lockende Audiovision, stelle ich an guten Tagen Rechnungen. Damit einher geht ein emsiges Sammeln von Quittungen, Tickets und Fahrscheinen. Vom Klopapier (Büro) bis zu Konzertkarten (Inspiration) sammeln sich diese Belege in einer Schublade meiner Ein-Mann-Manufaktur für Wort- und Plotdrechslerei.
Dabei hat sich mittlerweile auch ein geübter Blick für in den Straßen liegende Tickets der öffentlichen Verkehrsmittel ausgebildet. Hier eine Kurzstrecke über 1,70, da eine Tageskarte für stolze 4,90. Hauptgewinn ist dabei die Umweltkarte, die mit knapp 80 Euro zu Buche schlägt. Alles Belege für nicht getätigte Ausgaben, die in die Schublade wandern. Das Abwägen, welche Grenze ich ziehe, was den Grad der Zerfledderung und Verschmutzung des kostbaren Dokuments angeht, ob ich es gar aus einer Pfütze herausziehe oder nicht, ist jeweils mit meinem intakten oder zerrütteten Sinn für meine Würde verbunden. Marc Ottiker
Z
Zakat Armensteuer zu entrichten gehört – neben Glaubensbekenntnis, Gebet, Fasten und Pilgerfahrt nach Mekka – zu den fünf Säulen des Islams. Wörtlich bedeutet Zakat „Reinigung“. Der eigene Besitz soll durch Barmherzigkeit gereinigt sein, Segen auf ihm ruhen.
Auch in den anderen monotheistischen Religionen findet sich eine solche Regel, die hier besonders bindend formuliert ist. 2,5 Prozent müssen es sein. Für die Berechnung gibt es genaue Regeln (➝ Gefallen). Ein Grundfreibetrag (Nisab) wird jedes Jahr neu definiert. Bestimmte Gebrauchsgegenstände, das eigene Haus, Möbel, Autos, Essen und Kleider, sind von der Berechnung der Zakat ausgeschlossen. Im Internet finden sich zum Thema reichlich Informationen, einschließlich eines Zakatrechners. Ob es auch ganz legale Zakat-Minderungs-Tricks gibt, wäre interessant zu erfahren. Magda Geisler
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