Kurz vor Weihnachten hat eine gewisse Rubelpanik die Russische Föderation erfasst. Was auch daran lag, dass die Zentralbank den Wertverfall trotz eines energischen Drehens an der Leitzinsschraube – man wechselte von 10,5 auf 17 Prozent – und massiver Rubelkäufe nicht aufhalten konnte. Wer viel einheimisches Geld in der Tasche hatte, versuchte, dieses so rasch wie möglich auszugeben, und kaufte auf Teufel komm raus westliche Importwaren, um dem nächsten Preissprung zu entkommen.
Mancher fühlte sich in Moskau an das Jahr 1998 erinnert, als die Asienkrise in Russland ankam und dort zur Rubelkrise wurde. Damals reagierten hypernervöse Anleger auf fallende Aktienkurse und Ölpreise mit massiver Kapitalflucht, sodass der Rubelkurs abstürzte ̵
rzte – und das innerhalb weniger Tage. Damals wie heute intervenierte die russische Zentralbank, seinerzeit ebenfalls mit einem erhöhten Leitzins, der gleich auf 150 Prozent und so buchstäblich durch die Decke gehen sollte. Ein vergebliches Manöver, wie sich bald zeigte, obwohl man die Hälfte der staatlichen Devisenreserven einbüßte.1998 kam es so zum (zeitweiligen) Staatsbankrott, denn Russland steckte wegen rasant steigender Zinslasten und der kurzen Laufzeiten seiner Anleihen in der Schuldenfalle. Da es misslang, die Schuldentitel zu refinanzieren, sprangen der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank ein. Schließlich musste der Rubelkurs am 17. August 1998 freigegeben werden, woraufhin er in wenigen Stunden nochmals um 60 Prozent einbrach. Russland wurde letztlich gerettet, weil sich amerikanische Hedgefonds wie LTCM mit russischen Anleihen verspekuliert hatten, sodass die US-Notenbank Fed einschritt, um einen Kollaps großer Fonds und eine globale Finanzkrise zu verhindern. Natürlich kam Russland nicht ungeschoren davon und erlebte ein Bankensterben, samt Run auf die Schalter und einer Serie von Insolvenzen. Die Investitionen schrumpften, die Inflationsrate schoss kurzzeitig auf über 80 Prozent, ein Drittel der Bevölkerung wurde enteignet und versank in Armut. Nur dank etlicher Schuldenerlasse, die wohl auch dem prowestlichen Präsidenten Boris Jelzin zugutekommen sollten, entkam das Land jahrelangem Siechtum.Mit verschränkten ArmenSo viel steht fest, der Einbruch von 1998 wird sich 2015 nicht wiederholen. Russland steckte schon in der Rezession, bevor die Währungserosion begann. Auch fallen diesmal die Auslandsschulden nicht annähernd so ins Gewicht, wie das vor 17 Jahren der Fall war. Die Zentralbank verfügt inzwischen über Devisenreserven von annähernd 400 Milliarden Dollar, um notfalls die Rückzahlung von Auslandsanleihen russischer Staatsunternehmen zu sichern. Zudem sind die Staatsschulden selbst erheblich gesunken und betrugen Ende 2014 weniger als 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (Deutschland 77 Prozent). Das heißt, bis auf Weiteres kann der russische Staat seine Verpflichtungen gegenüber Gläubigern leicht erfüllen. Was ihn schröpft, das sind die hohen Außenstände großer Staatsfirmen wie des Energiekonzerns Gazprom, des Mineralölunternehmens Rosneft und der Staatsholding Rostec, die sich der Ausfuhr von Luftfahrttechnik, Triebwerken, metallurgischen und optischen Erzeugnissen sowie Rüstungsgütern widmet. Allein auf diese drei Giganten entfielen im Dezember gut 70 Prozent der russischen Verbindlichkeiten mit einem Volumen von etwa 600 Milliarden Dollar. Die meisten dieser Trusts schwächelten schon vor der Ukrainekrise, sie haben im Vorjahr international Marktanteile verloren.Am 10. Januar ist die Nation aus den Neujahrsferien zurückgekehrt und musste feststellen, dass der Ölpreis nochmals gefallen ist, so dass sich Importe weiter verteuern. Sowohl die weltweit richtungweisende Sorte Brent als auch das US-Öl WTI kosteten am 8. Januar weniger als 50 Dollar je Barrel (159 Liter), der niedrigste Stand seit knapp fünfeinhalb Jahren. Für die russische Ökonomie ist das ein härterer Schlag als alle westlichen Sanktionen zusammen. Sicher, 2015 ist nicht 1998, aber diese Banalität nützt den Russen wenig. Sie besagt nur, dass die Herren der Finanzmärkte diesmal eine russische Finanzkrise mit verschränkten Armen verfolgen: Soll Wladimir Putin doch selbst sehen, wie er sich da herauswindet.Was werden die Schwellenländer der BRICS-Gruppe, allen voran China, tun? Wenn die Volksrepublik einspringt und ihrerseits dank gewaltiger Devisenreserven den Rubel stützt, wäre das ein Praxistest für diese Staatenassoziation und deren Ansinnen, mit einem eigenen Währungsfonds die internationale Finanzarchitektur in ihrem Interesse zu verändern. Ein langfristiger Gasliefervertrag zwischen Russland und China ist bereits geschlossen. Sollte Peking noch mehr helfen, dürften es europäische, vorrangig deutsche Banken und Unternehmen sein, die auf die Stabilisierung eines für sie wichtigen Exportmarkts hoffen. Die USA und Japan berührt die Rubelkrise weniger, die EU-Staaten schon.Placeholder link-1