Leider dumm gelaufen

Ärger in der Schweiz Philipp Ruch vom Zentrum für politische Schönheit hat in Zürich einen „Exorzismus“ gegen den „Weltwoche“-Chef Roger Köppel angezettelt. Das ging gründlich schief
Ausgabe 12/2016
Philipp Ruch vom „Zentrum für politische Schönheit“
Philipp Ruch vom „Zentrum für politische Schönheit“

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Wie eine Dunstglocke hängt der Ärger über Zürich. Und diesmal wird er von rechts wie links geteilt. Anlass für diese seltene Einigkeit im Ärger ist eine Aktion des Politkünstlers Philipp Ruch, der im vergangenen Sommer mit symbolischen Begräbnissen von Flüchtlingen vor dem Berliner Bundestag für Aufsehen sorgte, mit seinem Kollektiv „Zentrum für politische Schönheit“. In der Schweiz ist er bisher vor allem für zwei Aktionen bekannt, die beide mit Roger Köppel, dem Herausgeber der Weltwoche, zu tun haben. Seit einigen Monaten sitzt Köppel für die rechtsnationale SVP im Schweizer Nationalrat – wenn er nicht gerade in deutschen Talkshows Stimmung gegen Flüchtlinge macht.

In der Schweiz haben sich die Intellektuellen über Jahre hinweg an den Exponenten der SVP abgearbeitet. In jüngster Zeit setzt sich aber die Meinung durch, dass die Rechtspopulisten an Aufmerksamkeit und Sympathie noch gewinnen, wenn man sie permanent skandalisiert. Das gilt insbesondere für Köppel, der sich in der dauernden Grenzüberschreitung gefällt.

Ruch sieht dies ganz anders: Im Herbst veröffentlichte sein „Zentrum für politische Schönheit“ im Schweizer Straßenmagazin Surprise einen Beitrag, in dem auf blutrotem Hintergrund „Tötet Roger Köppel. Köppel Roger tötet“ zu lesen war. Darunter eine zerbrochene Brille, wie sie der Rechtspopulist trägt. Ruchs Mordaufruf blieb straflos, da er als künstlerischer Beitrag erkennbar sei. So bewertete es die Zürcher Staatsanwaltschaft. Die Empörung war indes groß, nicht nur im Lager der SVP.

Vergangene Woche schüttete Ruch weiteres Öl ins Feuer: Vom Theater Neumarkt aus wollte er einen „Exorzismus“ am Weltwoche-Eigner vollziehen, der, laut Ruch, vom Geist des Stürmer-Herausgebers Julius Streicher besessen sei. Auf einer Homepage könnte man Köppel mit einigen Klicks Unheil an den Hals wünschen, hieß es, etwa einen Autounfall oder eine sexuelle Störung. Beide Aktionen waren nicht sehr originell. Und nicht nur das: Mit solchen Angriffen machte Ruch den Weltwoche-Herausgeber wichtiger als dieser ist.

Ruchs Aktion kommt zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt, auch weil es eine intensive Debatte um die Zukunft des Theaters Neumarkt gibt, dessen Auslastung nach einem Wechsel in der Intendanz zuletzt im Keller war. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dem Theater nun die Subventionen entzogen werden, es gar schließen muss. Das zumindest ist das Ziel der Zürcher SVP. Dank Philipp Ruch, der genau um die Mechanismen der Medien weiß und diese vor allem für seine eigene Selbstvergrößerung nutzt. Zumindest in der Schweiz, wo Ruchs „Entköppelung“ letztlich als theatrales Nichts verpuffte. Nachdem sich die Neumarkt-Intendanz auf offener Bühne von der Aktion distanziert hatte, erschöpfte sich das angekündigte Happening in einem Gang an die Stadtgrenze, wo eine Performance stattfand, die ebenso harmlos wie dilettantisch war: Unter einer Betonbrücke stolperte ein Schauspieler durch einen Parcours und stampfte auf eine Plastikkröte, die für Köppel stehen sollte.

Der Schaden, den Ruch für das Theater Neumarkt angerichtet hat, ist hingegen real: Die Diskussionen um die Zukunft des Hauses werden von Ressentiments gegenüber Künstlern umstellt sein, die von Ruch nun mit voller Kraft noch geschürt wurden. Das macht seine Theateraktion sehr, sehr dumm.

Andreas Tobler schreibt als Theaterkritiker für den Zürcher Tages-Anzeiger

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