Leider nur die halbe Wahrheit

Waffen Die Rüstungsausgaben sind weltweit leicht gesunken. Aber kein Trend in Sicht: Für Kriegsmaterial ist immer noch doppelt so viel Geld da wie vor dem 11. September 2001
Leider nur die halbe Wahrheit

Foto: Spencer Platt/ AFP/ Getty Images

Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri hat die Welt mit einer guten Nachricht überrascht. Zum ersten Mal seit vielen Jahren sind weltweit die Ausgaben für Panzer, Raketensysteme und Marineschiffe wieder etwas gesunken. Das renommierte Institut vermeldete ein Minus von 0,5 Prozent bei den Rüstungsausgaben.

Kündigt sich da eine Trendwende an, nachdem vor allem die westlichen Staaten, allen voran die USA, nach dem Anschlag auf die New Yorker Twin Towers das Militär mit einem reichen Geldsegen bedachten? Die Antwort ist ebenso betrüblich wie eindeutig: Nein, mehr Frieden ist nicht in Sicht.

USA bleibt selbsternannte Weltpolizei

Die Ausgaben für Waffenarsenale bleiben rund um den Erdball gewaltig. Unglaubliche 1,75 Billionen US-Dollar geben die Staaten weltweit für ihr Militär aus. Der leichte Rückgang im vergangenen Jahr verblasst schon, wenn man auf das vergangene Jahrzehnt blickt. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 haben sich die globalen Rüstungsausgaben verdoppelt. In den vergangenen Jahren haben die USA Krieg im Irak und in Afghanistan geführt. Aus beiden Ländern ist jetzt der Rückzug angesagt. Damit gehen auch die Ausgaben zwangsläufig zurück, ohne dass die US-Regierung deshalb von ihrer Rolle als selbsternannter Weltpolizist zurücktreten würde. Mit rund 680 Milliarden Dollar geben die USA immer noch doppelt so viel für Waffen und Soldaten aus wie China und Russland zusammen.

Optimismus verfliegt auch mit Blick auf die Verteilung der Militärausgaben. Die europäischen Staaten stutzen ihre Verteidigungsetats zwar überwiegend. Doch die globale wirtschaftliche Entwicklung spiegelt sich immer mehr in Ausgaben für Waffen wider. Allen voran rüstet China auf. Mit Ausgaben von 166 Milliarden US-Dollar liegt die junge Weltmacht zwar weit hinter den USA. Die Statistik gibt aber nur einen Teil des Aufwands wieder. Viele Ausgaben für das Militär werden in anderen Haushaltsposten versteckt. Und der Blick auf das Selbstverständnis Chinas als Weltmacht sowie die schwelenden Konflikte in mehreren Grenzregionen lassen eine weitere Steigerung der Rüstungsetats vermuten.

Die Liste der Länder mit steigenden Militärbudgets ist lang. Dazu zählen Saudi Arabien oder Russland ebenso wie die Ukraine. In all diesen Regionen steigt mit der wachsenden Wirtschaftskraft auch die finanzielle Potenz zum Aufbau schlagkräftiger Streitkräfte.

Hochrüstung trotz geringerer Ausgaben

Auch die Europäer sparen nur vordergründig am Militär. Man kann angesichts hoher Staatsschulden weniger ausgeben – und trotzdem hochgerüstet bleiben. Das beginnt bei der Beschaffung von Waffensystemen oder Transportern, deren Preise durch Gemeinschaftsbestellungen oder einfach nur Wettbewerbsausschreibungen sinken. Es gibt mehr Technik, die den Einsatz von Soldaten mit der dafür notwendigen kostspieligen Logistik vermeidet. Und es gibt weniger Konflikte, vor allem innerhalb Europas, bei denen für den Ernstfall auch militärische Schlagkraft vorgehalten werden müsste, wie es zu Zeiten des Kalten Krieges noch der Fall war.

Es zeichnen sich global massive Konflikte ab, die erfahrungsgemäß mindestens von Waffenklirren begleitet werden, wie das Beispiel Nordkorea zeigt. Es wird Verteilungskämpfe um Nahrungsmittel und Energievorräte geben und den Ehrgeiz, wirtschaftliche Dominanz zu erzielen oder in einzelnen Weltregionen eine Vormachtstellung aufzubauen. Eine Trendwende bei den Rüstungsausgaben wird es nicht geben. Leider.

Wolfgang Mulke ist freier Journalist und schreibt vor allem über Wirtschaftsthemen

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