Zustimmung
Sabine Kebir, "Vom Zwang familiärer Autorität befreien", Freitag, 5.3.2004
Die nachdenkliche, aber nicht unentschiedene Haltung von Sabine Kebir hat meine volle Zustimmung. Auf zwei Gesichtspunkte möchte ich aufmerksam machen. Zum einen auf das Gleichheitsgebot. Solange Schülerinnen demonstrativ Kreuze offen als Schmuck tragen können und in Bayern Kruzifixe als Selbstverständlichkeit in Klassenzimmern hängen, muss man ein Kopftuchverbot für Schülerinnen als Ausdruck christlich-religiösen Vorherrschaftsstrebens in der Gesellschaft bewerten. Zum zweiten auf die Instrumentalisierung von Symbolen. Während des bosnischen Bürgerkrieges erhielten moslemische Frauen von islamistischen Organisationen monatlich 50 DM (ein relativ hohes Durchschnittseinkommen), wenn sie statt des üblichen bäuerlichen das moslemische Kopftuch nahmen, und einmalig ebenfalls 50 DM, wenn sie ihre Söhne beschneiden ließen.
Manfred Hufenreuter, Chovd/Mongolei
Kopftuch nach den Ferien
"Töchterehre - Familienstolz" (Interview mit Rechtsanwältin Seyran Ates), Freitag, 5.3.2004
Mag sein, dass Frau Ates für Fälle, die ihrem Fall ähneln, sprechen kann. Es ist aber falsch, auf die Allgemeinheit zu schließen. So wie es falsch ist, "im Zusammenhang mit dem Kopftuch deutsche Geschichte zur Rechtfertigung zu bemühen", ist es auch falsch, die Geschichte von Frau Ates und Gesinnungsgenossen zur Rechtfertigung zu bemühen. Letzteres scheint in der Antikopftuchpropaganda mittlerweile zum unverzichtbaren Repertoire zu gehören: Man liest von persischen, türkischen, arabischen Frauen, die ihre persönliche Geschichte erzählen - fast schon im Stile von ehemals islamischen Renegaten auf den Internetseiten fundamentalistischer Christen - und dann ihre Geschichte als Beweis heranziehen für ihre Behauptungen, um politische Schritte zu rechtfertigen.
Es dürfte bekannt sein, dass im Falle extremen Autoritätsanspruches in der Erziehung "der Schuss in der Regel nach hinten losgeht". Die Allgemeinheit muss aber nicht die Fehler von ungebildeten anatolischen Dorfbewohnern ausbaden. Die Meinungen von Menschen sind Wandlungen unterworfen. Da kann es sein, dass ein Mädchen sich - überspitzt formuliert - "nach den Ferien" dazu entschließt, ein Kopftuch zu tragen oder einen Minirock. Ich kenne ebenso gut Fälle, in denen das Kopftuch die Eltern stört. Es wird immer Fälle geben, die einem eher ins eigene Weltbild passen und die man deshalb in den Vordergrund rückt. Toleranz und Achtung der Menschenrechte erfordern aber, beide "Seiten der Medaille" zu sehen.
Gökhan Kizilirmak, Aachen
Auf nach Saudi-Arabien
Irena Ostmeyer, "Prokustesbett", Freitag, 5.3.2004
Viele Worte mit wenig Sachlichkeit. Es hat den Eindruck, als ob Frau Ostmeyer selbst ein Kopftuch trüge und einen muslimischen Mann in ihrem Haushalt hätte, der sie zu diesem Brief veranlasst hat, ähnlich wie es bei Frau Ludin der Fall zu sein scheint, denn ohne ihren Imam war sie doch im Fernsehen recht hilflos anzusehen.Warum, liebe Frau Ostmeyer, versuchen Sie nicht, diesen Streit nach Saudi-Arabien zu verlegen? Dort gibt es eine strenge Kultur, die Sie hier so schmerzhaft vermissen. Dort bekommen Sie für den Abfall vom Glauben sogar die Todesstrafe. Sie müssten auch nie mehr ein Auto chauffieren und bräuchten nie allein Eisenbahn oder Bus zu fahren, denn das dürften Sie nicht. Dort wären auch alle Frauen damit einverstanden, denn sie hätten gar keine andere Möglichkeit. Also, auf nach Saudi-Arabien!
Johanna Lesch, Stahnsdorf,
Warum nicht "Kulturkampf"?
Zu Mohssen Massarrat "Assimilation durch Kopftuch", Freitag, 20.2.2004
Warum - verdammt noch mal - darf ich nicht der Meinung sein, meine Kultur sei für mich besser als eine islamische, buddhistische oder sonst irgendetwas? Sind nicht zumindest Teile auch unserer Kultur es wert, dass wir um sie kämpfen? Sind nicht die Grundwerte unserer Verfassung es wert, um sie zu kämpfen? Ich erinnere mich an Degenhardt: Sie reden hier dauernd vom Grundgesetz, sagen Sie mal, sind Sie eigentlich Kommunist? - In der Kopftuchdebatte habe ich manchmal den Eindruck, gerade "die Linken" vermeiden dies tunlichst und beschäftigen sich lieber mit dem Koran, das scheint politisch korrekter zu sein ...
Warum denken Sie nur in Kategorien wie Über- und Unterlegenheit, Höher- und Minderwertigkeit, wenn Westeuropäer/innen fremde Kulturen nicht widerstandslos übernehmen wollen? Wo ist der gegenseitige Respekt, wenn Frau Ludin sagt, das Kopftuch mache die Würde als Frau aus, was ja im Umkehrschluss nichts anderes heißt, als dass unverhüllte Frauen keine Würde haben?
Wo nehmen Sie eigentlich die Behauptung her, die Befürworter des Kopftuchverbots bezögen sich "wohlweislich" weder auf das Grundgesetz noch das Kopftuch-Urteil? Gerade der Gesetzentwurf und die Begründung dafür der von Ihnen angegriffenen Frau Schavan beispielsweise beziehen sich genau darauf! Wahrscheinlich bin ich hoffnungslos altmodisch oder desorientiert, aber mir sind bisher die "Millionen muslimischer Frauen mit Kopftuch in der islamischen Welt" an den Schalthebeln der Macht tatsächlich entgangen!
Barbara Dreger, Kühlungsborn
Welche "Säkularität"?
Zu Niels-Arne Münch, "Wollen wir eine Parallelgesellschaft?, Freitag, 13.2.2004
Welchen "Säkularismus" meint Niels-Arne Münch genau? Den eines Staates, in dem die Kirchen einen der größten Arbeitgeber darstellen und sich vorbehalten, Menschen zu entlassen, weil sie eine eingetragene Partnerschaft eingegangen sind? Welche "Säkularität" der Schulen? Eine weitere Frage, die sich mir in diesem Zusammenhang stellt: Sollte man christlichen Religionsunterricht nicht prinzipiell verbieten, weil er auf einer Lehre basiert, die (vor allem) Mädchen Scham für ihren Körper vermittelt und Frauen zwischen Madonna und Schlange ansiedelt? Die "Kopftuchdebatte" ist sicherlich notwendig und aufschlussreich, sie sollte aber auch als Chance aufgefasst werden, tatsächlich die gesamte Gesellschaft und ihre Institutionen (wieder einmal und nicht nur) in Sachen "sozial erzwungene Behinderung" und Geschlechterfrage zur Diskussion zu stellen ... zumal in Zeiten des fundamentalistischen Kapitalismus.
Odile Kennel
Vom Kopf auf die Füße
Letztlich geht es bei der Kopftuch-Debatte nicht um Kleidung, sondern die Frage nach der Stellung des Islams in der deutschen Gesellschaft. Die Muslime bemängeln zu Recht, dass sie im Vergleich mit den Kirchen benachteiligt werden. Gleichzeitig ist deutlich, dass das spezifische Verhältnis von Staat und Kirche, welches sich über Jahrhunderte in einem bestimmten historischen Kontext herausgebildet hat, schwer auf andere Religionsgemeinschaften übertragen lässt. Angesichts einer zunehmend multireligiösen Gesellschaft und einer abnehmenden Zahl von Christen ist also eine grundsätzliche Neubestimmung des Verhältnisses von Staat und Religionsgemeinschaften überfällig.
Daran haben jedoch die alteingesessenen Eliten keinerlei Interesse, denn dann müssten auch deren Privilegien wie etwa die Kirchensteuer und der Religionsunterricht diskutiert werden. Man verlegt sich daher auf Rückzugsgefechte und Ablenkungsmanöver. Beim so genannten Kruzifixurteil sprang sogar der bayerische Ministerpräsident persönlich vor jene Bewegung des (ge)rechten Volkszorns, die das Abhängen der Kruzifixe in den bayerischen Klassenzimmern verhindern wollte. Jesus darf hängen, die Kopftücher müssen gehen, so das Toleranzedikt von München.
Dabei ist es keine Frage. Der politische Islam und seine extremistische Ideologie breiten sich auch in Europa aus. Die Perspektivlosigkeit, in der sich viele Muslime befinden, dürfte auch in Deutschland dazu führen, dass nicht wenige Menschen islamischen Glaubens an radikalen Ideen Geschmack finden. Die Frage ist also zu stellen, wie man sie für ein westliches Modell gewinnen kann.
Angesichts der sich erkennbar verschärfenden Krise dieses Modells ist zu befürchten, dass nicht nur unter den Muslimen die Attraktivität der westlichen Demokratie schwindet und die Gefahr antidemokratischer Bewegungen steigt.
Olaf Schäfer, Berlin
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