A
Allergie Allergische Reaktionen auf Sonnenlicht gerieten vor Jahren in den Fokus, als die schwere Erkrankung von Hannelore Kohl bekannt wurde. Die sei auch einer der Gründe für ihren Selbstmord im Jahr 2001 gewesen, schrieben die Medien. Hannelore Kohl litt an der tückischen und bisher nicht umfassend erforschten Lichturtikaria. Sie kann mit Pickeln und Entzündungen beginnen und endet mit schweren Hautreizungen, gegen die es – außer Kortison – wenig Hilfe gibt. Bei Hannelore Kohl wurde eine falsche Medikation gegen eine andere Erkrankung als Ursache vermutet. Am Ende konnte sie nur noch im Dunkeln das Haus verlassen.
Bei Kindern tritt Lichtempfindlichkeit als erbliche Stoffwechselstörung auf. Sie sind dann meist hyperaktiv und meiden das Sonnenlicht. Auch Organschäden können entstehen. Die Krankheit kann bis heute nur gemildert, aber nicht geheilt werden. Magda Geisler
D
Depression Dunkle, kurze Herbst- und Wintertage, trübes Wetter – und die Stimmung ist im Keller. Mindestens jeder Vierte fühlt den Winterblues. Wissenschaftlich betrachtet ist das eine milde Form der saisonal abhängigen Depression (SAD), unter der mehr Frauen als Männer, vermehrt junge Menschen leiden. Wegen zu wenig Tageslicht produziert der Körper zu wenig des munter und glücklich machenden Serotonins und zu viel des im Dunkeln ausgeschütteten Schlafhormons Melatonin: Die innere Uhr gerät aus dem Takt, Körper und Psyche schalten auf Autopilot. Wissenschaftlich belegt: Ein einstündiger Aufenthalt im Tageslicht beugt selbst bei bedecktem Himmel vor. Oder 30 bis 40 Minuten vor einer starken Lichtquelle (2.500 bis 10.000 Lux). Von SAD sprechen Ärzte, wenn ausgeprägte depressionsähnliche Symptome wie Energielosigkeit und Erschöpfung, Angstzustände, körperliche Beschwerden ausschließlich und wiederholt mindestens zwei Jahre in Folge im Herbst und Winter auftreten. Helena Neumann
E
Esoterik Man weiß: Licht zieht Motten und andere Insekten an. In Sekten, aber auch bei individuellen Esoterikern beliebt sind Lichtbilder. Ohne Erleuchtung keine Läuterung oder Erkenntnis, Reinheit oder Transzendenz. Für Anthroposophen kräftigt die Sonne das Menschenherz, Rosenkreuzer veranstalten zum Jahresende ihr Lichtfest. Sogenannte Lichtarbeite glauben, in der „Waffenrüstung Gottes“ (➝ Worte) gegen den Teufel zu streiten, während Licht ihr Treibstoff ist.
Alleinig aufs Licht verlassen sich die Breatharier. Die behaupten, allein von „Lichtnahrung“ zu leben. Weil das unglaubwürdig klingt, erklären manche, sie besäßen die Fähigkeit, feinstoffliche Energie aus dem Licht filtrieren zu können. Es gibt historische Berichte über Einsiedler, die sich nur an Licht und Abendmahl gelabt haben sollen. Hungerkünstler begeisterten das Jahrmarktpublikum mit vorgeblicher Abstinenz. In die Öffentlichkeit gelangte der Lichtnahrungsgedanke vor zehn Jahren durch die unkritische Doku Am Anfang war das Licht. Mindestens eine der davon zum Totalfasten inspirierten Personen soll zu Tode gekommen sein. Bittere Ironie: Sterben Insekten, weil die Lampe zu heiß ist, kommen Lichternährer um, weil sie nichts mehr zum Verbrennen haben. Tobias Prüwer
G
Gülpe Im Havelland, weit weg vom NASA-Hauptquartier, hat man einen guten Draht ins All. Nicht wegen Kornkreisen oder Meteoritenkratern; nein: Gülpe ist seit 2014 Deutschlands erster Sternenpark. Ausgezeichnet wurde der Ort von der International Dark Sky Association. Laut deren Kriterien herrscht dort fast perfekte Dunkelheit. Nirgendwo sonst im Land könne man mit bloßem Auge den Himmel nachts so intensiv studieren. Aufgrund der geringen Lichtverschmutzung wird Gülpe als „dunkelster Ort Deutschlands“ beworben. Dafür sorgen umliegenden Kommunen, die nachts auf Beleuchtungen verzichten – auch wegen klammer Kassen. So lassen sich Sternguck-Touristen in den ländlichen Raum Brandenburgs locken. Bei knapp 160 Einwohnern dürfte es Gülpe nicht allzu schwer gefallen sein, das Zentrum dunkler zu gestalten. Ben Mendelson
K
Kunst mit Licht – kann man in Deutschland an kaum einem Ort faszinierender erleben als im Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna. Das Museum im östlichen Ruhrgebiet sitzt unter der Erde in den Kellerräumen einer ehemaligen Brauerei, auf 2.600 Quadratmetern, in historischer Bausubstanz. Aktuell präsentiert das Museum die Schau Neon Delight, die bis 16. August die bekanntesten internationalen Künstlerinnen und Künstler neonbasierter Lichtkunst versammelt – in den unterirdischen, roh belassenen Räumlichkeiten. Marc Peschke
M
Musik Die Popkultur leuchtet. Wer’s nicht glaubt, konsultiere einen Streamingdienst seiner Wahl. Eine Auswahl an echt hellen Songtiteln: Licht an! Licht an! / Licht / Das Licht dieser Welt / Ich steh’ auf Licht / Krieger des Lichts / Mach das Licht aus / Schalt deine Lichter an / Fang das Licht / Licht am Ende des Sarges / Licht am Fahrrad / Allein im Licht / Negativ im Licht / Tage im Licht / Licht und Farbe / Rotes Licht / Rotblaues Licht / Weißes Licht / Lichttherapie / Lichtermeer / Du bist das Licht / Mehr Licht / Licht im Kopf / Licht ins Dunkel / Geist an das Licht / Ich lass für dich das Licht an / Liebe und Licht / Licht der Liebe / Wir tanzen ins Licht / Zum Licht empor / Siehst du das Licht / Licht aus! – Intro / Licht aus Leander F. Badura
N
Nachteule Glauben Sie an einen inneren Tagesrhythmus? Ich bin und bleibe eine Nachteule. Allen Unkenrufen zum Trotz hat sich daran im „Alter“ nichts geändert. Mein Tag beginnt gegen zwölf Uhr vormittags und endet meistens erst gegen fünf Uhr morgens. Dann, wenn man das Grollen der Triebwerke landender Flugzeuge hört, die sich wie Fäden vor den Landebahnen in den Nachthimmel aufreihen, werde ich müde und schlafe meine sechs, sieben Stunden voller Genuss.
Das wäre schwer paradiesisch, wenn nicht der Winter, und, noch viel mehr, die entsetzlich sinnlose Winterzeit wäre (➝ Umstellung). Ich hasse sie! Wie man auf so eine sinnlose Idee kommen konnte? Wohl menschlich wie die Corona-Panik. So wird es manchmal mit meiner Sitzmitgliedschaft in der örtlichen Kettenbäckerei knapp, wenn ich noch etwas Tageslicht brauche. Mein guter Freund Christopher, auch Nachteule, riet zu einer Tageslichtlampe. Die Idee der Lampe hat überlebt, Christopher leider nicht. Zum Glück wird es Frühjahr. Jan C. Behmann
S
Schaufenster Ist da noch offen, spät in der Nacht? Nein, aber beleuchtet bleiben viele Schaufensterfassaden trotzdem, um den Konsum anzuregen. Dass das Irrsinn ist, checken nicht nur klimabewegte Jugendliche. In Frankreich steht seit 2013 das Beleuchten, etwa von Shoppingmalls, zwischen ein und fünf Uhr morgens unter Strafe. Damit sollen jährlich 250.000 Tonnen CO2 – und 200 Millionen Euro – eingespart werden. Und der Fiskus kriegt 750 Euro für jeden Verstoß.
Auch hierzulande gäbe es großes Einsparpotenzial: Der NABU schätzt, dass in Deutschland durch unnötige nächtliche Beleuchtungen pro Jahr zwischen drei und vier Milliarden Kilowattstunden verschwendet werden. Es braucht klare Regeln, keine Freiwilligkeit. Denn die Privaten haben’s ja. Immerhin ändern einige Kommunen ihre Beleuchtung (➝ Gülpe). Augsburg hat bereits vor 15 Jahren begonnen, Straßenbeleuchtungen auf effizientere Natriumdampflampen umzustellen. Strom sparen und die Umwelt schützen – das könnte noch viel mehr Verwaltungen einleuchten. Ben Mendelson
U
Umstellung 2018 kündigte die EU-Kommission an, die Zeitumstellung abzuschaffen. Doch noch ist es nicht so weit: Am 29. März wird wieder an der Uhr gedreht, eine Stunde vor, von zwei auf drei Uhr, Sommerzeit. Die „daylight saving time“, wie sie im Englischen heißt, wurde in Deutschland erstmalig im Ersten Weltkrieg flächendeckend eingeführt. Sie sollte Kosten sparen, Krieg war teuer. Zwischen 1950 und 1979 hatte Deutschland keine Sommerzeit, 1980 dann wieder. Seit 1996 hat die EU sie vereinheitlicht.
Die Idee für eine Umstellung war rein ökonomischer Natur. Im Hochsommer geht die Sonne bei uns etwa 4.30 Uhr statt 3.30 Uhr auf. Die Helligkeit des Tages ist besser an die Wachzeiten der Menschen angeglichen, es muss weniger beleuchtet werden. Das mag einmal tatsächlich Kosten gespart haben, mittlerweile bringt die Sommerzeit aber energieökonomisch so gut wie gar nichts mehr. Und abseits davon bringt sie viel durcheinander. Haus- und Nutztiere sind verwirrt, wenn ihr Tagesrhythmus plötzlich anders wird. In den Tagen der Umstellung sind die Menschen nachweislich unkonzentrierter. Ganz davon abgesehen, dass feste Arbeitszeiten ohnehin immer seltener werden. Vor fast exakt einem Jahr stimmten 410 EU-Abgeordnete für eine Abschaffung der Zeitumstellung. 2021 soll sie letztmalig erfolgen. Ob die Länder Sommerzeit oder Winterzeit beibehalten, ist noch ungeklärt. In Frankreich ergab eine Bürgerbefragung im Jahr 2019 knapp: Für immer Sommer! Konstantin Nowotny
W
Worte Erste und letzte Worte: „Fiat lux“ steht – fast – am Anfang der Bibel. Erst musste Gott Himmel und Erde schaffen, dann knipste er die Weltenleuchte an: „Es werde Licht!, und es ward Licht.“ „Ex oriente lux“ lautet ein Lichtzitat. Ursprünglich auf den Sonnenaufgang gemünzt, wurde es zum Lob des Christentums: „Aus dem Osten kommt das Licht.“ Wo viel Licht ist, ist viel Schatten, weiß der Volksmund. Konfuzius meinte genügsam, statt Dunkelheit in Gänze zu fürchten, könne man eine Kerze entzünden.
Andere Metaphorik wärmt die Gemüter. Die Wahrheit werde die Herzen lodernd erobern wie Fackeln im Sturm, raunte aufklärerisch-kämpferisch der Philosoph Claude Adrien Schweitzer. Dezenter flehte Nena: „Kleine Taschenlampe brenn’ / Schreib’ ich lieb’ dich in den Himmel“ (➝ Musik). Dann könne keine Macht des Universums mehr die Liebenden trennen. Rührend. Goethes letzte Worte auf dem Sterbebett sollen gelautet haben: „Mehr Licht!“ – mancher argwöhnt, es hieß: „Mehr nicht!“ Tobias Prüwer
Z
Zeitreise Spätestens seit die Quantenphysik am Ast der Newton’schen Physik sägt, spekulieren Wissenschaft und Fiktion über die Möglichkeit von Zeitreisen. Offenbar ist man sich einig, dass überlichtschnelle Reisen die Gegenwart überspringen und in der Zukunft liegende Punkte avisieren könnten. Reisen in die Vergangenheit wären jedoch nur innerhalb der Zeitspanne vom Start der Reise bis zum Moment, an dem die Zeitmaschine funktionstüchtig ist, möglich. Beweis: In unserer Gegenwart gibt es keine Besuche von Zeitreisenden. Aber: Wer schneller als das Licht reist, kann nicht gesehen werden. Gespürt womöglich. Tatsächlich arbeite ich gerade an einem Drehbuch, das mit dieser Idee spielt. Marc Ottiker
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