Alles war lange geplant. Eine Reise in die ungarische Metropole zum Budapest Félmarathon, was so viel wie Halbmarathon bedeuten muss. Ein auf den Laufsport spezialisiertes Reisebüro übernahm für uns die gesamte Logistik und versprach für die 21,1 Kilometer "ein einmalig schönes Sightseeing an den Sehenswürdigkeiten von Buda und Pest vorbei - mit zauberhaften Blicken über die Donau". Wer kann da widerstehen? Doch dann kam das Hochwasser und zumindest die Hinfahrt mit dem Nachtzug sorgte im Vorfeld für einige Verwirrungen, da die Reise zu viert geplant war und A. in Nürnberg zusteigen wollte.
Es war nicht die ursprünglich ausgesuchte Streckenführung, aber der Zug fuhr über Nürnberg und das war zunächst die Hauptsache.
uptsache. Wir trafen uns also zu dritt auf dem Berliner Ostbahnhof, zeigten dem ungarischen Schaffner die Tickets und durften unser Nachtquartier auf Rädern betreten. In unserem Abteil prallten wir auf einen auffallend großen, alten Mann mit unzähligen Gepäckstücken von beträchtlichen Ausmaßen. D. hatte gerade festgestellt, dass versehentlich für unsere Nürnberger Freundin ein Platz im Nebenabteil reserviert war. Sofort versuchte er zu handeln, aber unser Abteil-Genosse verstand weder Deutsch, noch Englisch und auch die ungarischen Brocken, die D. ihm hinwarf, wollte er nicht schlucken. Das einzige, was ihm gestenreich entlockt werden konnte, bedeutete wohl, dass er auf keinen Fall oben schlafen wollte. Da waren wir machtlos.T. demonstrierte daraufhin dem nicht verstehenden Mann, dass er mit der Platzierung der Riesengepäckstücke überhaupt nicht einverstanden sei und wuchtete Koffer, Säcke und Taschen hin und her; immer unter den wachsamen Blicken des Alten, der inzwischen seine große Hornbrille gegen eine nahezu identisch aussehende Lesebrille getauscht hatte. Still saß er auf dem unteren Bett und füllte ein Rätselheft mit Buchstaben. Dabei hielt er die ganze Zeit zwei schwarze Umhängetaschen fest an seinen Leib gedrückt. D. hatte derweil eine junge Frau, die ebenfalls ein Ticket für unser Abteil vorweisen konnte, zum Wechsel nach nebenan überredet. "Dafür gibt es nachher ein Glas Prosecco", rief er ihr gut gelaunt hinterher, entkorkte die Flasche und füllte unsere drei Becher bis zum letzten Tropfen.Mitten in der Nacht, nach einem Halt in Nürnberg war unser Lauf-Quartett komplett und am späteren Vormittag begrüßte uns ein Mann in roter Weste auf dem Budapester Bahnhof. "Ich bin der Klaus, aber die meisten von euch kennen mich ja schon." Der Klaus sorgte von Stund an dafür, dass wir bequem und schnell - mindestens zwei Stunden zu früh - überall vor Ort waren. Beispielsweise zum Frühstückslauf auf der Margareten Insel und natürlich zum Hauptereignis, dem Halbmarathon, der im Stadtwäldchen eingeläutet werden sollte. Wie hatte es im Prospekt geheißen: "Die Temperaturen bewegen sich um 14 Grad beim Start und 24 Grad im Ziel." Nun ja, der Klaus macht nicht das Wetter und ich bin kein Thermometer. Aber ich denke mal, so erbarmungslos wie die Sonne vom Himmel lachte, lagen die Temperaturen einige Teilstriche über der 30. Echte Sightseeing-Stimmung wollte da während des Laufs nicht aufkommen, auch wenn der Blick von den berühmten Budapester Brücken wirklich traumhaft ist. - Endlich am Ziel, steht da der Klaus und fotografiert. Dann erinnert er an den Abfahrtstermin zu einer traditionell ungarischen Czarda mit anschließender Lichterfahrt. So hatten wir es im Voraus gebucht und bezahlt.Am Abend verlässt der kleine Reisebus das Zentrum Budapests. Während wir auf löchrigen Straßen zum Südbahnhof holpern, liest uns István, der ungarische Reiseleiter, das Vier-Gänge-Menü vor und schwärmt von köstlichem Wein und wunderbaren ungarischen Künstlern. All das sollte uns gleich in der Czarda erwarten. - Gespannt durchqueren wir die ersten stimmig eingerichteten Räume der typisch ungarischen Lokalität. "Hier entlang, bitte weitergehen", fast im Lauftempo werden wir in einen hinteren Raum getrieben. Eine vielsprachige Geräuschkulisse empfängt uns. An endlos langen Holztischen sitzen japanische und hessische Touristen. Unsere Plätze sind bereits eingedeckt. Kaum zu Stuhle gekommen, wird die Suppe gereicht. Zeitgleich spulen Sänger und Tänzer ihr Programm ab. Pünktlich mit dem Dessert verlassen die Künstler den Saal. Während wir die Massenspeisung hastig beenden und der immer näher rückende Geiger sich ein letztes Trinkgeld erfiedelt, hupt es draußen. Die angekündigte Lichterfahrt beginnt. Nicht wie vermutet mit einem Schiff auf der Donau, sondern im Bus zurück zum Hotel. Wir ruckeln durch spärlich beleuchtete Straßen, die István wie ein Märchenonkel anpreist: "Und hier, meine lieben Gästen, Sie haben auch noch großes Glück, bei wunderbare Nacht in herrliche Nebengassen von ungarische Hauptstadt zu blicken."