Liebe Fahrer von „Liefern am Limit“!

Arbeitskampf Unsere Kolumnistin appelliert an die Auslieferer: Lasst euch nicht unterkriegen, kämpft!
Ausgabe 07/2019
Und du weißt, das wird passieren, wenn wir uns organisieren
Und du weißt, das wird passieren, wenn wir uns organisieren

Foto: Christian Mang/Imago

Ich schreibe euch heute in diesem Franz-Josef-Wagner-Stil, weil ich nicht über euch schreiben will. Ich hoffe dieser Text erreicht euch – und andere. Ihr habt im vergangenen Jahr so viel Großartiges getan, ihr und eure Kolleginnen von der FAU habt die – mittlerweile weltweiten! – Arbeitskämpfe der Kurierfahrerinnen hierzulande sichtbar gemacht, immer wieder auf eure unhaltbaren Arbeitsbedingungen aufmerksam gemacht, etwa als ihr bei minus sechs Grad ausfahren musstet, Deliveroo und Foodora aber nicht für Winterausrüstung aufkamen. Ihr habt den ersten Betriebsrat bei Foodora gegründet – der dann entlassen wurde, weil Foodora das eben mit befristet Beschäftigten machen kann.

All das war großartig, aber das Papier, das eure Gewerkschaft NGG mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verfasst hat, ist ein großer Fehler. Darin steht zwar ganz richtig „Faire Arbeitsbedingungen und sozialer Schutz müssen auch in der Plattformökonomie gelten“. Was allerdings fehlt, ist eine Bestandsaufnahme, was die Plattformfirmen ausmacht: Sie sind Start-ups, die auf digitalen Programmen beruhen, denen Netzwerkeffekte zugrunde liegen, das heißt: Am Ende setzt sich eine Plattform durch, die mit den meisten Usern. Daher gibt es nur ein Facebook, ein Amazon – und deswegen konkurrieren Deliveroo und Foodora so hart.

Also reicht es nicht, an das soziale Gewissen der Plattformen zu appellieren, sondern es gilt sich dafür zu rüsten, dass sich einer der beiden durchgesetzt hat, die Regeln diktiert und keine Angst haben muss, dass die Kundinnen beim Konkurrenten bestellen und die Fahrerinnen dort anheuern.

Anderswo, in Großbritannien etwa, haben die Fahrer durchgesetzt, dass sie als Arbeiter, nicht als Unternehmer gelten. Unser Arbeitsrecht ist weniger liberal, warum also wollt ihr euch mit solchen Forderungen abspeisen lassen: „Soweit die Fahrer*innen als Arbeitnehmer*innen einzuordnen sind, ist der Mindestlohn zu zahlen.“ Ihr wolltet doch eine betriebliche Vertretung für alle, gleiche Rechte und gleichen Lohn, Ausrüstung und Arbeitsgerät für alle! Wo ist das geblieben? Stets habt ihr in euren Kampagnen darauf aufmerksam gemacht, wie viele Unfälle passieren. In anderen Ländern gab es bereits Tote. Das ist auch auf den Konkurrenzdruck, den Stress und die Überwachung durch die Apps zurückzuführen, über die die meisten Fahrerinnen klagen. Warum findet sich dazu nichts in eurem Papier?

Also, lasst euch nicht entmutigen, ich weiß, das ist leicht gesagt, aber dieses Papier ist eine falsche Befriedung zu früh. Ihr habt mehr Macht, viel Solidarität, ihr seid sichtbar, kämpft weiter!

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