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Kirchs Oper Das Personal ist schuld!

Ein schönes Schauspiel wurde in der vergangenen Woche aufgeführt. Zunächst, erster Akt, traten Mahner und Warner auf, die raunten, die Kirch-Gruppe sei bankrott. Kirch, dem die meisten Spielfilme gehören, der Sat.1, Pro7, DSF und diverse Lokalsender sowie die Rechte an beiden Fußballbundesligen und die Weltrechte an der Formel 1 und den Fußball-WM 2002 und 2006 besitzt, habe sich an dem Pay-TV-Kanal Premiere übernommen. Wie ernst die Lage war, erfuhr man, als die Frankfurter Allgemeine den Mann, den man bislang nur als Medienmogul, -zar oder -hai kannte, plötzlich als "Mittelständler" vorstellte. Was die Bundesregierung bei anderen Pleiten wie Holzmann, Dornier oder Herlitz wie selbstverständlich ausschloss, galt auch für den Kirch-Konzern: kein Kredit mehr. Vielleicht, hieß die bange Vermutung, könnten die Gelder, die Kirch an die Deutsche Fußball-Liga, den Zusammenschluss der Bundesligavereine, zu zahlen hätte, dort gar nicht mehr eintreffen.

Da endlich meldete sich, zweiter Akt, die Bundesregierung zu Wort und zwar in Gestalt eines Staatssekretärs namens Alfred Tacke: Wenn die Kirch-Gelder für die Übertragungsrechte nicht bei den Vereinen eingingen, dann müssten die doch gewiss Kredite aufnehmen, und dafür würde die Bundesregierung gerne bürgen. Schließlich, so assistierte Tacke NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement, ginge es um die Existenz des Fußballs in Deutschland. Warum sich aber, wenn es um nicht weniger als die Rettung des wichtigsten europäischen Kulturgutes geht, nur ein unbekannter Staatssekretär und ein Düsseldorfer Regionalpolitiker zu Wort meldeten, erfuhr man erst später.

Denn, dritter Akt, es hagelte Prügel für die Idee der Staatsbürgschaften, die doch überhaupt niemand, nicht mal die Vereine selbst, beantragt hatten. Schließlich leisteten sich die angeblich Not leidenden Fußballvereine Angestellte mit Millionengehältern - und, so Volkes Stimme, die sollten doch erst mal den Gürtel enger schnallen, ehe, so Volkes Verstand, der Steuerzahler Gelder in Vereine pumpe, die ohnehin an die Börse wollen, wo, so Volkes Erfahrung, man sein Geld ohnehin nie wieder sehe.

Die Inszenierung war auf ihrem Höhepunkt, der vierte Akt. "Bundesliga-Millionäre meutern" titelte die Bild-Zeitung. "Wenn ich es aber einem Holzmann-Mitarbeiter zumuten kann, dass er auf einen Teil seines Lohnes verzichtet, um die Firma zu retten - dann kann ich das erst recht einem Bundesligaspieler zumuten", gab Willi Lemke, SPD-Bildungssenator in Bremen und Ex-Fußball-Manager, von sich. Dass zum Zeitpunkt der Inszenierung auch gehört, dass gerade die IG Metall Warnstreiks zur Begleitung ihrer Lohnforderung organisiert, sei nur am Rande erwähnt. Vermutlich weiß Lemke, dass es ohnehin nicht zu einem Lohnverzicht kommt - schließlich sind die Profis keine Kirch-Angestellten, sondern haben gültige Arbeitsverträge mit weiterhin solventen Arbeitgebern, und wenn die nicht mehr zahlen, gehen sie zu internationalen Clubs, die zahlen können. Lemke dürfte auch wissen, dass die 358 Millionen Euro, die Sat.1 für die Übertragungsrechte an der Bundesliga gezahlt hat, liebend gerne auch von den Öffentlich-Rechtlichen oder von RTL bezahlt worden wären. Die Summe kam ja nicht durch Kirchsche Prasssucht zu Stande, sondern durch den Druck der Konkurrenz, die bis zuletzt mitgeboten hatte.

Der fünfte Akt des Dramas ist banal. Die Kirch-Gruppe meldete am Montag Insolvenz an, die Banken legten einen Rettungsplan vor, eine Auffanggesellschaft wurde gegründet. Die aufgeführte Kirch-Oper hat aber Moral bewiesen: Schuld ist nicht die Kirch-Gruppe, die Milliarden in den Pay-TV-Markt investierte, der schlicht keine Nachfrageseite besitzt. Schuld ist auch nicht die Bayerische Landesregierung, die Milliarden Euro in den Konzern pumpte, um den Medienstandort München zu erhalten. Schuld ist auch nicht die Bundesregierung, die den deutschen Markt von internationalen Anbietern wie Murdoch oder Berlusconi abschottete. Nein, schuld ist´s Personal. Typen also, die auf Einhaltung ihrer Arbeitsverträge pochen. Sie haben den Konzern und also die Wirtschaft ruiniert. Ein schönes Schauspiel, ein Lehrstück quasi.

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