Lippenstift-Taxis

Bildergalerie Sie wollen nicht nur Hausfrauen sein. Thailändische Frauen chauffieren Gäste auf Motorradtaxis durch die Stadt. Und sind stolz, ein einstiges Männermetier zu besetzen

Ich habe das erste Mal im Mai vergangenen Jahres von der „Win Pak Daeng“ gehört. Damals war ich auf einer Konferenz in Bangkok. Motorradtaxis sind ein weitverbreitetes Transportmittel im urbanen Chaos der thailändischen Millionenmetropole. Organisiert in Gruppen, den sogenannten „Win“, schwärmen sie wie die Arme einer Krake von den breiten Hauptstraßen ins Gassengewirr der „Soi“ (der Nebenstraßen) aus, um die Fahrgäste dorthin zu bringen, wo kein anderer öffentlicher Nahverkehr hingelangt.

Während das Fahren von Motorradtaxis normalerweise ein ausschließlich von Männern ausgeübter Beruf ist, gibt es eine weibliche Gruppe von Taxifahrerinnen, die auch als „Win Pak Daeng“ oder „Win der roten Lippen“ bekannt ist. Diese Gruppe hat mich neugierig gemacht.

Ich habe angefangen zu recherchieren und wollte herausfinden, in welcher Ecke von Bangkok diese besondere Win zu finden ist, leider erfolglos. Ein Freund, der in Bangkok an der Universität als Dozent arbeitet, hatte mir einen Kontakt zu einer lokalen Assistentin aufgebaut, die für mich die Vorarbeit geleistet und mir geduldig mit Übersetzungen und Interviews geholfen hat.


So habe ich erfahren, dass hier mehr als 20 Hausfrauen arbeiten – die meisten sind mit Soldaten der königlich-thailändischen Streitkräfte verheiratet. Sie jobben als Taxifahrerinnen, um ihre Haushaltskasse ein wenig aufzubessern. Mit einer Fahrt kann eine Fahrerin etwa 50 Cent verdienen. Nach den Ausgaben für Benzin bleiben ihr dann am Ende des Tages ungefähr zehn Euro. Die Frauen fahren mit der Lizenz der Armee (auf den offiziellen orangefarbenen Jacken steht daher auch immer „Armee-Hausfrauen“). Bis zu 1.000 Dollar soll eine Jacke mit Lizenz (auf dem Schwarzmarkt) kosten, aber sie wird auch mal für 5.000 Dollar angeboten.

Wenn die Fahrerinnen einen Gast mitnehmen, entsteht eine intime Situation auf dem Motorrad. Und sie kann gefährlich werden. Trotz gelegentlicher Momente der Diskriminierung oder sogar der Belästigung durch männliche Fahrgäste (einige Frauen haben von Männern erzählt, die während der Fahrt handgreiflich wurden), sagen die Frauen, sie seien sehr stolz, ein Teil dieser Gruppe der Fahrerinnen zu sein. Sie fühlen sich unabhängig und freier als in einem Bürojob. Sie haben flexible Arbeitszeiten und keinen Chef. Zudem sind viele von ihnen nicht nur Kolleginnen, sondern auch Freundinnen. Und so trotzen sie Tag für Tag der brennenden Sonne und den tropischen Regengüssen Bangkoks.

Ich selbst empfand es als sehr unkompliziert, mit den Taxifahrerinnen zu arbeiten, da sie selbstbewusst sind und gern von ihrer Arbeit erzählen – auch Journalisten.

In meiner Arbeit als Fotograf bin ich besonders an ungewöhnlichen Alltagsgeschichten – wie dieser in Bangkok – interessiert. Aus Thailand oder Asien im Allgemeinen wird häufig aus einer sehr exotischen Perspektive berichtet, und dann gehen leider solche kleineren, vermeintlich banalen Geschichten unter.

Wenn ich an solch einer Geschichte arbeite, ist das Spannende für mich, Einblicke in Lebenswelten zu erhalten, die mir als „normaler“ Besucher dieser Metropole verschlossen bleiben würden. Ich verbringe also lieber zwei oder drei Tage an einer Straßenkreuzung und beobachte die Menschen, als mir noch eine weitere Touristenattraktion anzusehen.

Christian Berg lebt seit 2004 in Ho Chi Minh Stadt und arbeitet in ganz Südostasien. Bevor er 2008 begann, sich als Profi-Fotograf zu etablieren, studierte er in Bonn und Singapur Südostasienwissenschaften. Er arbeitete als Staff-Fotograf für das Magazin AsiaLIFE in Saigon und wird von der Agentur Laif vertreten

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