Lügenpresse, mehr sag ich dazu nicht!

Pegida Die Anhänger fühlen sich missverstanden. Sie sind gegen Ausländer, aber, bitte, keinesfalls rechts
Ausgabe 03/2015
Auf den Pegida-Demonstrationen sprechen viele von Politikern nur als „Kaste“
Auf den Pegida-Demonstrationen sprechen viele von Politikern nur als „Kaste“

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Ein Sturm ist über die Republik gezogen, und am Montag, 12. Januar, 17.25 Uhr, Cockerwiese, Dresden, stürmt es noch. Dabei ist es fast windstill, der Sturm tobt in den Menschen. Ängste wüten da, später wird einer Tränen vergießen. 20.000 sind gekommen, so viele wie nie zuvor. Es geht ihnen um die Nation und das Volk. Was das Volk will, das wissen sie hier nämlich. Friedrich Köhler, zum Beispiel, aus 01809 Heidenau, Norwegermütze, Metallrandbrille, 74 Jahre alt, zum siebten Mal dabei, zitiert das Grundgesetz („Sollten Sie mal lesen“): Alle Macht geht vom Volke aus. Passiert nicht. Da steckt sie also schon, die Lüge.

Wenn man ihn dann fragt und auch erwähnt, dass man dies jetzt journalistisch tut, dann versteift sich etwas, wird fest unter Fleecepullover und hellgrau-wattierter Jacke: „Lügenpresse, mehr sage ich dazu nicht.“ Dennoch redet er fast eine Stunde, Bekannte kommen dazu, Strickmützen auf dem Kopf, nehmen den Faden auf, sind sich einig: In der Presse würde das, was in Dresden geschieht, völlig falsch dargestellt. Falsch, weil Zeitungen nicht schreiben, wie Köhler und Bekannte die Welt sehen. Die Zahl der Pegidisten: wird zu niedrig dargestellt. Die Zahl der Polizisten: manipuliert. Wer soll da an Statistiken über Zuwanderer glauben? Alles Lüge. Und Rechtsradikale seien sie auch nicht.

Zwischendrin immer wieder: der Wille zur Masse. Sie recken sich und wenden die Köpfe, „viel mehr Leute als beim letzten Mal“, sagen sie sich und dem Reporter. Einer, dunkle Wattejacke, Fleecemütze, kennt Friedrich Köhler, hat eine Dokumentation bei 3Sat gesehen, es ging um den Libanon. „Wer sagt denn, dass unter den hunderttausend Syrern, die ins Land kommen, die ISIS nicht ihre Kämpfer mischt.“ Ein Riegel müsse dem vorgeschoben werden, und zwar einer, der gleich allen Syrern den Weg nach Deutschland versperrt.

Auf der Cockerwiese sprechen viele von Politikern nur als „Kaste“. Die Luft wird dick vor Trotz, und endlich können sie einmal all das erzählen, wofür sie sonst vielleicht krumm angeschaut werden. Der Blumenstrauß der Verschwörungstheorien wird herumgereicht. Ein Beispiel? „Deutschland hat keinen Friedensvertrag, noch immer sagen die Alliierten, wo es langgeht. Die Amerikaner wollen uns schwächen, deshalb drücken sie uns die Flüchtlinge auf.“ Sagt einer und verschwindet im Dunkel.

Die älteren denken an Tage, als sie schon einmal eine Kaste verjagten, mit derselben Geste wollen sie das wieder tun: Montagabend auf der Straße. Ein Mann hat Tränen im Gesicht. Die AfD will er wählen, mit der CDU hat er gebrochen. Wenn man fragt, warum in Berlin und Leipzig so wenig Pedigisten auf der Straße sind, tritt einer dazu, Wattejacke, Fleecemütze, Fahnenstange: „Weil da nur noch Ausländer wohnen.“ Rechtsextrem? Keineswegs. Hier geht es ums Volk, die Natur ist das große Vorbild: „Belesen Sie sich mal über die Evolution“, sagt Friedrich Köhler, als der Marsch beginnt, „auch das hier ist Evolution. Gegen die Überfremdung.“

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