Welche Ideen von Feminismus in Porto Alegre vertreten wurden, wo und in welcher Weise die Geschlechterverhältnisse vorkamen, war bei rund 1.000 Veranstaltungen in fünf Tagen kaum zu überblicken. Am Programm ließ sich immerhin feststellen, dass sich knapp zehn Prozent der Meetings explizit mit Geschlechterverhältnissen befassten. Aber nur eine der großen, repräsentativen Konferenzen machte sie zum Gegenstand. Doch dies ist Statistik. Der Rest Impression.
Durch das internationale Podium Fight for Equality. Kampf für Gleichheit. Männer und Frauen: wie eine reale Chance in Gang setzen? zogen sich als roter Faden die Themen, die Frauen weltweit politisieren: Gewalt, Arbeit, Eigentum. Es gehe darum, so Rosa Gillen vom Weltfrauenmarsch aus Peru, der
ch aus Peru, der »Reproduktion des Neoliberalismus im Alltag zu widerstehen.«Wie dies gelingen kann, stellten Projekte solidarischer, lokaler Ökonomien in einer Reihe von Veranstaltungen vor. So bauen sich Frauen Infrastrukturen auf, um ihr Leben und das ihrer Kinder sichern zu können. Diese dienen nicht allein existenziellem Überleben, sondern verhelfen dazu, sich aus Abhängigkeiten und Gewaltverhältnissen zu befreien. Aber es blieb nicht bei Erfahrungsberichten, es ging auch um pointierte und radikale Kritik, die vor eigenen Regierungen nicht halt macht. »Lula ist ein Star, aber nicht unserer«, so eine brasilianische Aktivistin in einem Workshop. Und gegen alle Euphorie für den neuen sozialistischen Präsidenten wurde in dem überfüllten Raum lautstark dafür plädiert, auch weiterhin Druck von unten aufzubauen: »Frauen tragen heute die große Verantwortung, ihn an gebotene Veränderungen zu erinnern. Und selbst wenn Lula Verbesserungen für uns einführen würde, muss der Widerstand bleiben, weil sich Sexismus und Rassismus nicht allein auf Regierungsebene lösen lassen.« Die Notwendigkeit von großen Frauentreffen, Frauenmärschen und radikalen Aktionen bezweifelte hier niemand: »Lobbyarbeit reicht nicht für fundamentale Veränderungen.«Eine Veranstaltung des Netzwerks Lesbians, Gays, Bisexuals, Transpeople (LGBT) zum Süd-Süd-Dialog - repräsentiert durch drei Vertreterinnen aus Südafrika, Ekuador und Puerto Rico - plädierte dafür, die verschiedenen Unterdrückungsformen deutlich zu benennen. Auch wenn Homophobie ein zentrales Thema sei, weil Lesben, Schwule und Transsexuelle in vielen Ländern des Südens kaum akzeptiert, zum Teil verfolgt und bestraft würden, reiche es nicht aus, nur für ihre Rechte zu kämpfen. »Wir müssen die verschiedenen Kämpfe zusammenführen, nur dann kann sich etwas verändern. Wenn ich irgendwo sitze, wo auch nur eine meiner Identitäten ausgeschlossen bleiben muss, wie zum Beispiel meine Identität als Lesbe im Kampf gegen ALCA (*), dann ist das ein Indiz dafür, dass hier irgend etwas nicht in Ordnung ist«, hieß es da.Zu Krieg und Militarisierung veranstalteten das International South Group Network (ISGN) und andere Initiativen ein ganztägiges Forum mit Frauen aus Thailand, Irak, Palästina, Uganda, den Philippinen, Brasilien und Indien. Durchweg wurde Krieg hier immer auch als Krieg gegen das Sozialsystem, als Nährboden von Alltagsgewalt, Prostitution und Fundamentalismus betrachtet. »Krieg findet nicht nur dort statt, wo geschossen, gebombt und gemordet wird. Krieg heißt auch das Anwachsen familiärer Gewalt, die Einschränkung von Bewegungsfreiheit und Bildungschancen, die Frauen ungleich stärker betrifft. Die von Checkpoints blockierten Straßen sind auch gender blocks - so die Palästinenserin Randa Saniora. Migration war ein weiteres Thema. So veranstaltete das Transnational Institute (Amsterdam) eine Debatte über den Zusammenhang von Globalisierung, Migrationsbewegungen und Gender. Globalisierung hat nicht nur Auswirkungen bis in den intimsten Bereich, bis in den privaten Haushalt, so zum Beispiel in Form der putzenden, meist illegalisierten Migrantin, sondern wirft immer wieder auch die Frage nach der Möglichkeit von Bündnissen auf, die über gravierende Ungleichheiten hinweg geschlossen werden können. Probleme aus dem globalen Norden sollten dabei nicht - so der Tenor - als Luxusprobleme abgetan werden, auch nicht angesichts der oft weitaus schlechteren Lage von Frauen aus dem Süden.Schwierigkeiten der Verständigung ergaben sich nicht nur aus unterschiedlichen Sprachen und mangelnden Übersetzungen, sondern ebenso aus der Vielfalt einer politischen Praxis. So gaben 15 Frauen aus zehn Ländern einen Überblick über ihre Einschätzung des jeweils brisantesten Themas. Da stand beispielsweise in Brasilien die Abtreibung im Vordergrund, in Israel und Palästina die Militarisierung der Gesellschaft, in Argentinien die Restauration geschlechtsspezifischer Arbeitsteilungen in den neuen, selbstverwalteten Betrieben. Gemeinsamkeiten oder gar politische Strategien waren in den meist auf drei Stunden begrenzten Workshops kaum herauszuarbeiten. Dennoch waren die Diskussionen von Porto Alegre wichtig, weil unterschiedlichste Lebensbedingungen und politische Erfahrungen zum Ausdruck kamen und die jeweilige Weltsicht relativierten.(*) Area de Libre Comercio des las Américas - panamerikanische Freihandelszone von Alaska bis Feuerland