Hashemi Rafsanjani ist es entgegen mancherlei Erwartung nicht gelungen, die Stimmen der Reformkräfte im Land auf sich zu vereinen. Nach den Manipulationsvorwürfen der im ersten Wahlgang unterlegenen Kandidaten des Reformlagers und von iranischen Bürgerrechtlern blieben beachtliche Teile der Bevölkerung der Stichwahl fern.
Es gab Hinweise darauf, dass der Wächterrat den Innenminister unter Druck gesetzt hatte, damit die Stimmlokale während des ersten Wahlgangs länger geöffnet blieben. Offiziell begründet wurde diese ungewöhnliche Maßnahme mit der unerwartet hohen Wahlbeteiligung. Während der Verlängerung nun sollen die ultrareligiösen Revolutionsgarden (Pasdaran) und andere paramilitärische Freiwilligenmilizen systema
enmilizen systematisch mit gefälschten Dokumenten dem späteren Sieger Ahmadinejad Stimmen verschafft haben. Auch von Stimmenkauf im großen Stil ist die Rede.Der 49-jährige Mahmoud Ahmadinejad, der seine Karriere als Offizier der Pasdaran begann, präsentierte sich im Wahlkampf als Mann aus dem Volk, der sich um die Sorgen und Nöte der armen Bevölkerungsschichten kümmern werde. Mit den Versprechen, den sozialen Wohnungsbau zu forcieren und zinslose Kredite für junge Ehepaare sowie kleine Geschäftsleute und Handwerker zur Verfügung zu stellen, schaffte er es, die größte Gruppe der iranischen Gesellschaft - nach Schätzungen des United Nations Development Program (UNDP) leben derzeit etwa 53 Prozent der Iraner unter der Armutsgrenze - für sich zu mobilisieren. Hinzu kamen eine recht unverhohlene Protektion durch Revolutionsführer Ali Khamenei sowie Wahlempfehlungen durch konservative Freitagsprediger und die Führungsspitze der radikal-religiösen Revolutionsgarden und Freiwilligenmilizen.Für den reformhungrigen Teil der Bevölkerung ist der Triumph Ahmadinejads ein Albtraum. Seine Ankündigung "wieder zu einem lupenreinen, islamischen Gottesstaat zurückkehren" zu wollen, bedeutet, dass die während der Amtszeit Chatamis errungenen Freiheiten zurückgenommen werden könnten. Damit drohen der aufkeimenden iranischen Zivilgesellschaft schwere Rückschläge: Kritische Zeitungen und Journalisten sind wieder vermehrt durch Schließungen beziehungsweise Inhaftierungen bedroht, Intellektuelle werden zensiert und der Ruf nach der Einhaltung der Menschenrechte wird ungehört verhallen.Auch außenpolitisch hat diese Wahlentscheidung Konsequenzen. Im Konflikt um die langfristige Aussetzung der Urananreicherung dürften sich die Fronten verhärten. Die USA werten die Wahl Ahmadinejads als Bestätigung ihrer Auffassung, dass der Iran ein undemokratischer Staat ist, der Terrororganisationen im Nahen Osten unterstützt und dessen Nuklearambitionen eine Gefahr für die internationale Sicherheit darstellen. Das aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland bestehende EU-Verhandlungstrio wird künftig, aufgrund des wachsenden Drucks aus Washington und der verhärteten Position in Teheran, noch weniger Handlungsspielraum haben, um den Konflikt auf diplomatischem Wege zu lösen. Dem Iran droht eine erneute und erneut schwere internationale Isolation.Die Konsequenzen für die Ökonomie des Landes wären katastrophal. Seit der Revolution betreibt das Regime eine staatsinterventionistische Wirtschaftspolitik. 1979/1980 wurden große Teile der iranischen Wirtschaft verstaatlicht oder in den Besitz religiöser Stiftungen (Bonyad) überführt, was zu massiver Bürokratisierung, Korruption und Vetternwirtschaft führte. Den später durchgeführten Reprivatisierungsmaßnahmen haftet der Ruf an, von Korruption und Vetternwirtschaft begleitet worden zu sein. Ein weiteres Problem für die iranische Volkswirtschaft ist die Abhängigkeit von Erdölexporten. Da diese Einkünfte bis heute etwa die Hälfte des Staatsbudgets ausmachen, ist das Land extrem anfällig für Schwankungen des internationalen Rohölpreises. Auch die fehlenden gesetzlichen Rahmenbedingungen für Auslandsinvestitionen sowie die US-Sanktionen behindern jeden Anflug von Aufschwung. Die Inflationsrate liegt seit Jahren um die 20 Prozent, die Arbeitslosigkeit wird auf über 40 Prozent geschätzt.Vorzugsweise für junge Iraner - 60 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 30 - hat das verheerende Auswirkungen. Die meisten von ihnen glauben aufgrund der Erfahrungen aus der Amtszeit Chatamis nicht mehr daran, dass sich das politische System der Islamischen Republik durch Wahlen oder Reformen wirklich ändern lässt. Sie flüchten ins Privatleben oder ins Ausland. Kein Land der Welt verliert jährlich so viele Akademiker wie der Iran. Allein 2002 kehrten über 50.000 Hochschulabsolventen ihrer Heimat den Rücken. Die geringe Wahlbeteiligung ist somit auch ein klares Votum. So kündigte die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi nach Bekanntgabe der Ergebnisse des ersten Wahlgangs an, die Stichwahl zu boykottieren. Diese Auffassung ist zwar verständlich, doch impliziert sie höchst problematische Folgen: Der Staatspräsident hat zwar - bedingt durch die Konstitution des politischen Systems in Iran - nur eingeschränkte Machtbefugnisse. Doch nachdem die radikal-konservativen Kräfte 2004 die absolute Mehrheit im Parlament gewonnen haben, und der Wächterrat ohnehin von den konservativen Anhängern des Revolutionsführers Ali Khamenei dominiert wird, verfügen sie nun über ein durch nichts geschmälertes Machtmonopol.