Lustige Kapriolen

Schleswig-Holstein Der Sieger ist vorne – und geht trotzdem manchmal leer aus
Ausgabe 19/2017

Sieger sind nicht zu beneiden. Der Satz stimmt nicht immer, aber nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein stimmt er besonders. FDP und Grüne haben gewonnen, aber sie können damit nicht glücklich werden. Weil CDU und SPD keine Große Koalition bilden wollen – die auch von der Bevölkerung verabscheut wird –, müssen die Kleinen sich, obwohl unwillig zu einem Dreierbündnis, plötzlich verstehen. Dabei sind sie sich schon unsympathisch genug. Doch darüber hinaus mögen die Grünen die Christdemokraten noch weniger als die Liberalen die Sozialdemokraten. Und all das Koalitionsgerede tobt wenige Monate vor der Bundestagswahl. Die Welt wimmelt von Signalen und die meisten davon werden als ungünstig empfunden.

Auch die CDU ist ein Sieger. Indes, es könnte für den CDU-Vorsitzenden Daniel Günther wahr werden, was vor langer Zeit ein berühmter Buchtitel aussprach: „Der Sieger geht leer aus“. Bündnisse mit der CDU sind in der Vergangenheit dem kleineren Partner schlecht bekommen. Das könnte in Kiel anders werden, wenn es nur ein kleiner Partner wäre. Da es aber zwei sein müssen und die sich untereinander nicht ausstehen können, werden diese eine andere Lösung vorziehen. Und der SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner hat schon darauf hingewiesen, dass kein Geringerer als Helmut Kohl, der bei der Bundestagswahl 1976 die absolute Mehrheit nur knapp verpasste, auf den Oppositionsbänken Platz nehmen musste. Der große Wahlverlierer Helmut Schmidt aber blieb Kanzler. Eine Blaupause für Kiel?

Immerhin kann das Publikum nun Spaß an lustigen Kapriolen finden. So schloss FDP-Spitzenmann Wolfgang Kubicki in einem Satz eine Koalition mit SPD und Grünen fast aus, um im nächsten zu fordern, dass bei einer solchen Koalition Wahlverlierer Torsten Albig auf keinen Fall Regierungschef bleiben könne. Eine Koalitionsbedingung ist ja fast schon ein Koalitionsangebot. Zudem hat er damit wohl einen Wunsch der Sozialdemokraten ausgesprochen, die das natürlich nicht so krass vortragen dürfen. Allerdings kann die SPD auch nicht mehr nach altem Muster bei abgewählten Ministerpräsidenten aus ihren Reihen – Eichel, Klimmt, Steinbrück, Gabriel – Albig zum Minister in Berlin machen.

Sieger müssen stark sein. Stark ist Robert Habeck von den Grünen. Stark war er als Energiewende-Minister in Kiel. Cem Özdemir versäumt es nach der Wahl, wenn er Habeck nennt, nie, hinzuzufügen, er sei stark „im Norden“ – was heißen sollte: nur dort. Sollte Habeck eine CDU/Grüne/FDP-Koalition erfolgreich bestehen, wäre er gewiss nicht nur im Norden stark.

Der Autor und Journalist Jürgen Busche schreibt in seiner Kolumne Unter der Woche regelmäßig über Politik und Gesellschaft

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