Per Mertesacker war 20, als das Leben begann, das ihm als Zivildienstleistendem fremd war. Als er im Herbst 2004 erstmals in die Fußballnationalmannschaft berufen wurde, staunte er darüber, dass er am Flughafen von einem Shuttle-Service abgeholt wurde, und über das Hotel: Luxusklasse, Einzelzimmer, Bedienstete, die einem die Tasche abnehmen und die Tür aufhalten. Sportstars werden zu Menschen im Hotel. Wie man untergebracht wird, das definiert den Status. Und der Sport schreibt immer wieder Hotelgeschichten: die Nationalspieler um Mertesacker, als sie 2014 in Brasilien auch dank ihrer Oase Campo Bahia Weltmeister wurden. Die Bayern, die in London immer ein ganz bestimmtes Haus wählen und in der Champions League stets weiterkommen. Gute Hotels sind die Basis für Erfolge. Und wenn man doch verliert, hatte man zumindest eine angenehme Nacht und ruhige Stunden.
Doch wenn sich im Sport in den vergangenen zwei Jahren etwas massiv verändert hat, dann die Einstellung der Sportler zu den Hotels. Corona hat dafür gesorgt, dass selbst die Wohntempel ihre Magie verloren haben. Man verbindet mit ihnen nicht mehr die Freiheit, sie sich leisten zu können (oder das berufliche Glück, sie bezahlt zu bekommen), sondern die Einschränkung, sie nicht jederzeit verlassen zu dürfen.
Es begann mit dem Sonderspielbetrieb der Fußballbundesliga im Mai 2020. Für zwei Wochen ging es für alle ins Hotel, und im Hygienekonzept stand die Gemeinheit, dass die Spieler ihre Zimmer selbst aufräumen mussten, damit Kontakt zu Reinigungskräften vermieden würde. Wer – wie der damalige Augsburger Trainer Heiko Herrlich – kurz Hautcreme und Zahnpasta einkaufen ging, der galt schon als aussätzig.
Viel harscher waren die Regulierungen noch, wenn Einzelsportler oder Mannschaften ihrer Tätigkeit in anderen Ländern, womöglich auf anderen Kontinenten nachgehen wollten. Die Eishockey-Junioren-Weltmeisterschaft zum Jahreswechsel 2020/21 im kanadischen Edmonton begann nach der Anreise mit sechs Tagen Hotelzimmer-Quarantäne. Die jungen Spieler, die im Flugzeug noch nebeneinandergesessen hatten, verabschiedeten sich erst mal voneinander. Sehen durften sie einander eine Woche lang nur in Videokonferenzen, über die dann auch das Training abgehalten wurde. Übungen zum Erhalt der Grundfitness auf den Zimmern. Noch nie dürfte so viel Schweiß in Teppichböden versickert sein. Dummerweise hatten einige Akteure das Virus aus dem Flieger mitgebracht. Ein deutscher Spieler, Jakub Borzecki, erhielt während der gesamten WM keine Freigabe zur Mitwirkung an Training oder Spiel. In 17 Tagen à 24 Stunden auf seinem Zimmer rückten die Wände näher.
Tennisspielerin Angelique Kerber musste sich auf die Australian Open 2021 mit 14-tägiger Hotelzimmer-Isolation vorbereiten. Radprofi Simon Geschke, während Olympia in Tokio wegen eines positiven Tests in ein Hotel für Infizierte verfrachtet, erstellte Videos in seiner Kammer, in der man die Fenster nicht öffnen konnte. Wenigstens ließ man ihm sein Rennrad, er durfte auf der Rolle trainieren. Der Rodler Tobias Arlt, kürzlich beim Weltcup in Peking vermeintlich infiziert, wurde ebenfalls isoliert und filmte das Krabbelgetier, mit dem er seine Zwangsunterkunft teilen musste.
Und schließlich Novak Djokovic, die Nummer eins des Tennis. In Melbourne gestrandet, in einer Herberge, die in den Medien nicht bei ihrem Namen „Park Hotel“ genannt, sondern als „Quarantäne- und Abschiebehotel“ bezeichnet wurde. Abschiebe-Suiten gibt es dort nicht.
Sportler und Hotels – die Beziehung ist erst einmal zutiefst gestört.
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