Serien muss man mögen. Der Autor dieser Zeilen räumt freimütig ein, dass er mit vielen der Formate, die als das neue Kino ausgerufen werden, wenig anfangen kann. Das Grundproblem der meisten Serienformate ist für ihn neben der vielen Zeit, die sie konsumieren, ein dramaturgisches. Um eine Geschichte, die im Kino nach etwa zwei Stunden auserzählt ist, auf eine oder gar mehrere Staffeln auszudehnen, sind in der Regel etliche Autoren angestrengt damit beschäftigt, sich permanent neue Wendungen auszudenken, die die Handlung vorantreiben. Und dieser inhärente Zwang zu immer neuen Sensationen geht meist spätestens bei der zweiten Staffel auf Kosten der Plausibilität, denn die wenigsten Menschen würden ein solch atemloses (Lebens-)Tempo, wie es di
die üblichen Serienhelden vorlegen, lange durchhalten.Auch Serienkiller, Terroristen, Banker, Kommissare, Königinnen oder wer uns sonst so in den Serien begegnet, legen im wirklichen Leben mal die Beine hoch und haben einen gemächlicheren Alltag, als es uns Folge für Folge suggeriert wird.Die BBC-Four-Serie Detectorists, die zwar schon einige Jahre alt (die erste Staffel wurde 2014 ausgestrahlt), aber erst jetzt bei Arte im deutschen Fernsehen zu sehen ist, umgeht dieses Problem elegant, indem sie ihr Erzähltempo an den Lebensrhythmus ihrer Protagonisten anpasst. Natürlich ist auch hier die Handlung dramaturgisch verdichtet und passiert in jeder Folge etwas, werden Konflikte ausgetragen und entwickeln sich die Figuren weiter, aber alles hat ein menschliches Maß und der Zuschauer stets das Gefühl, durchschnittliche Zeitgenossen bei ihrem Alltagsleben zu begleiten.In diesem Alltag passieren die Dinge wie nebenher und es bleibt genügend Zeit, unter einem alten Baum sitzend die Zeitläufe zu reflektieren oder die letzte Quizsendung im Fernsehen auszuwerten.Das tun Lance (Toby Jones) und Andy (Mackenzie Crook), die beiden Protagonisten von Detectorists, beides unscheinbare Männer mittleren Alters, regelmäßig nach getaner (Hobby-)Arbeit, bevor sie sich auf den Weg in den Pub machen. Ihr Hobby besteht darin, auf den Feldern der Umgebung der fiktiven Kleinstadt Danebury in Essex, der Provinz nordöstlich von London, mit Metalldetektoren nach den versunkenen Schätzen angelsächsischer Geschichte zu forschen. Das ist ein verbreiteter Zeitvertreib in einem Land, aus dem man einiges an originellen Freizeitbeschäftigungen kennt; Trainspotting beispielsweise ist seit dem gleichnamigen Film von Danny Boyle aus den 1990ern ein Begriff, Birdwatching eine andere Leidenschaft vieler Briten.Freilich finden Lance und Andy hauptsächlich alte Dosenringe und Metallknöpfe, selten etwas Interessantes, einen Schatz schon gar nicht. Aber darum geht es letztlich auch nicht, bei diesem Hobby ist der Weg das Ziel. Ihre Funde präsentieren sie beim wöchentlichen Treffen des Danebury Metal Detecting Club. Dieser besteht aus genau neun Mitgliedern, einer Ansammlung derart wunderlicher und origineller Typen, Männer und Frauen, dass an dieser Stelle unbedingt etwas über den Humor gesagt werden muss, der als Grundton die Serie durchzieht.Es ist dies ein leiser, feiner und doch sehr pointierter Humor, der mit elaboriertem Wortwitz (die Serie ist glücklicherweise im Original mit Untertiteln zu sehen) all die skurrilen Eigenarten der Kleinstadtbewohner parodiert, sie dabei jedoch nie bloßstellt, sondern in all ihrer Eigentümlichkeit respektiert, ernst und geradezu liebevoll in den Arm nimmt. Bei allem Witz durchzieht Detectorists eine tiefe Wärme und Empathie für seine Protagonisten, und es erscheint folgerichtig, dass Mackenzie Crook, Autor, Regisseur und Darsteller des Andy, durch seine Rolle in der Sitcom The Office, und zwar der britischen Originalfassung von und mit Ricky Gervais, bekannt wurde.Detectorists ist eine Feier der traditionellen englischen Lebensart in der Povinz; eine Lebensart, die bedroht ist durch Landflucht, Überalterung und Pub-Sterben. Eine heile Welt zeichnet die Serie dabei durchaus nicht; so will es Andy einfach nicht gelingen, trotz seines Studiums einen festen Job zu ergattern, Lance’ Arbeit auf einem Gemüsegroßmarkt wirkt recht prekär und Andys Frau Becky hangelt sich als Grundschullehrerin von einer Befristung zur nächsten.Nicht zuletzt ist die Geschichte der Freundschaft zwischen Lance und Andy auch ein Spiel mit traditionellen Rollenklischees und herkömmlichen Vorstellungen von Männlichkeit. Oder, wie Lance es ausdrückt: „Männer haben Hobbys, die Frauen nicht verstehen. So war es schon immer.“Dass diese Rollenverteilung sich längst begonnen hat aufzulösen, konstatiert Detectorists durchaus mit leiser Melancholie, ohne sich dagegen zu sperren; und spätestens, wenn Andy als moderner Vater mit Babytrage auf Schatzsuche geht, hat sich die Tradition mit der Gegenwart vereint.Placeholder infobox-1