Main Street murrt

Kommentar Bush im Stimmungstief

Dass haben die Republikaner schon immer gewusst: Hollywood besteht - von wenigen harten Ausnahmen wie Ronald Reagan oder John Wayne abgesehen - aus einer Bande liberaler Spinner. Deshalb würde es George W. Bush auch nicht weiter berühren, wenn einer wie Robert Redford ihn wegen seiner Klimapolitik frontal angeht. Das Kyoto-Protokoll ist schlecht für Amerika - also weg damit. Und doch hat Bush ein Problem: Der Glaube an seine präsidiale Weisheit schwindet. Ob er je da war, mag angesichts des knappen Wahlergebnisses ohnehin in Frage stehen. Aber immerhin hatte er es ja damals - auf dem Tiefpunkt seiner Präsidentschaftskampagne - geschafft, sich mit der Selbstbeschreibung als "mitfühlender Konservativer" sozusagen neu zu erfinden. Das lag nach dem moralischen Schlendrian Clintonscher Skandalpolitik irgendwie nahe, traf Volkes Nerv. Oder doch nicht?

Bush hockt in einem Popularitätstief, wie es sein Vorgänger selbst auf dem Höhepunkt der Impeachment-Kampagne nicht erfahren musste. Das verrät einiges - über die Verfassung Amerikas, aber auch über den politischen Stil in God´s own country. Clinton war seinen Landleuten ganz offensichtlich politisch - aber auch moralisch - näher, als viele professionelle Beobachter wahrhaben wollten. Amerikaner sind pragmatisch: Wenn die Wirtschaft boomt und davon nicht nur die Wall Street, sondern auch der kleine Mann profitiert, dann sei es drum. Dann bleibt dem gar nicht (mehr) so prüden Amerika von der ganzen Praktikanten- und Lügen-Affäre nur der Euphemismus "presidential sex" im Gedächtnis - als Sex, der keiner sei, wenn es nicht zur Vereinigung kommt. Es ist fast vergessen: Aber Bill Clinton wäre wieder gewählt worden, hätte die Verfassung ihm eine dritte Amtszeit erlaubt.

Jetzt reibt man sich auf der Main Street die Augen: Die Steuerreform hat Bush weiland mit Bravour durch den Kongress gebracht und das ist als präsidiale Performance allgemein gelobt worden. Nur leider kommt bei denen, die es brauchen könnten, überproportional wenig davon an. Die Umverteilung geht von unten nach oben. Das war zwar nie anders geplant und angesagt, doch ein amerikanischer Präsident, der sich so deutlich als Anwalt von big business entpuppt und dies in der medialen Öffentlichkeit nicht einmal ansatzweise kaschieren kann, hat in der amerikanischen Stimmungsdemokratie einen schweren Stand. Nun versucht George Bush, sich betont volksnah zu geben. Doch der Mann taugt nicht zum Schauspieler. Er ist schon in seiner Präsidentenrolle reichlich fehlbesetzt.

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