Sie sei eine der großen Institutionen, die die moderne Gesellschaft tief geprägt haben - dass man diesen Satz im Zusammenhang mit der IG Metall so oft hört, ist bedenklich, denn solche Sätze gehören zum Repertoire von Beerdigungsreden.
Mit der Tarifautonomie im Rücken, gebündelt in der Verhandlungsführung war die Erfolgsgeschichte der (west-)deutschen Einheitsgewerkschaft durchschlagender als in den Nachbarländern, wo sich Richtungsgewerkschaften erst in Kompromissen finden und ihre Ziele mangels starker Führung im Streik erkämpfen mussten. Die relative Unabhängigkeit der Gewerkschaft von ihrer Stammpartei, der SPD, gewährte ihr Eigenständigkeit und Stabilität, die sie freiwillig durch Enthaltsamkeit in allgemeinpoli
gemeinpolitischen Fragen noch einmal unterstrich. Als Ende der sechziger Jahre die Aufbruchstimmung der Arbeiter in Frankreich, die sich in politischen Streiks äußerte, auch nach Deutschland zu schwappen drohte, versperrte sich dem niemand energischer als die Gewerkschaften selbst.Aber die Selbstkastration zur tarifpolitischen Maschine beginnt sich für die Gewerkschaften bereits seit den achtziger Jahren immer deutlicher zu rächen. Als das Marxsche Diktum von der Universalität der Arbeiterklasse fraglich wurde, als - weil die Arbeit fehlte - mit Tarifverhandlungen immer weniger die brennenden Probleme der Arbeitsgesellschaft abgedeckt wurden, glichen die Gewerkschaften mehr und mehr einer Organisation, die bloß partikulare Interessen wahrnimmt. Das Heer der Arbeitslosen wurde zum Symbol dieses Endes der universalistischen Legitimation. Spätestens damals hätten die Gewerkschaften den Weg der Umkehr zurück zum Politischen suchen müssen.Gerade in dem riesigen Apparat, welcher der IG Metall, der vor der Ver.di-Gründung weltweit größten Einzelgewerkschaft, zur Verfügung stand, hätten frühzeitig die Weichen gestellt werden können für einen politischen think tank, der als Korrektiv zu den wechselnden Regierungsrezepten eine langfristige Strategie der Beschäftigungs- und Sozialpolitik, sprich Gesellschaftspolitik erarbeitet hätte.Stattdessen liefen die Mitglieder zu Hunderttausenden davon, und die IG-Metall steht heute so gut wie nackt da, wenn es darum geht, in einem aberwitzigen Streit um Führungsposten deutlich zu machen, worum es eigentlich geht und gehen sollte. Die gebetsmühlenhaften Verlautbarungen zum Ränkespiel, die sich im Fernsehen täglich vor den Glasfassaden der IG-Metallzentrale wiederholen, sind ja nicht dem journalistischen Hang zu Vereinfachungen geschuldet, wie ein Funktionär sich kürzlich einredete, sondern dem Mangel an Produktivität, der in der Frankfurter Pressezentrale herrscht, wo ein kleinmütiger Pressesprecher nicht mehr weiß, was er sagen soll - könnte er sich´s doch mit dem nächsten Boss verderben. Dieser Mangel gründet allerdings auch darin, dass sich die Positionen, in die die IG-Metall derzeit zerfällt, offenbar nicht anders darstellen lassen als durch die blutarme Alternative einer sogenannten traditionalistischen "Linksaußen"-Position, die alle Fragen der Tarif-, Arbeits- und Sozialpolitik mit den herkömmlichen Mitteln der Lohnzusatzkosten regeln will, und einer "Reform"-Position, die sich in Fragen der globalen Wirtschaftsimperative gefügiger zeigt. (Es wiederholt sich hier ein fast schon geläufiges Mobbing durch Worte: als linksaußen wird denunziert, was bis vor kurzem noch Zwickels Position war, und als reformerisch verbrämt, was Schröders Agenda 2010 blind zu folgen bereit ist.) Dieser Ausdruck der Hilflosigkeit ist peinlich, zeigt aber wenigstens offen, daß sich das Problem nicht durch den Wechsel der Personen an der Spitze beheben lässt. So verlautete denn auch just aus dem Umfeld des von Gewerkschaftschef Zwickel favorisierten süddeutschen Bezirkchefs Berthold Huber, bei diesen vom Kopf her provozierten Personalquerelen handle es sich wohl eher "um den Versuch eines mäßig erfolgreichen Metaller-Chefs, der kurz vor dem Abgang noch in die Annalen als Weichensteller für die Gewerkschaftsreform eingehen will". Das neue Tandem, das sich hoffentlich nicht nur mit dem nächsten Tarifkonflikt, sondern auch mit dem Ende der Arbeitsgesellschaft befasst und dazu eine Gesprächs- und Streitkultur einleitet, die den Namen verdient, wird es vielleicht so schwer haben wie die Kirche ohne Gott. Willkürlicher Verstoß gegen Beschlüsse, die Regel, wonach in der IG-Metall immer der Stellvertreter dem Vorsitzenden folgt und Zwist mit der halben Basis, die dort steht, wo die Führung sie Jahrzehntelang hat stehen lassen, sind da wenig hilfreich. Und der Rest ist Sommertheater.