Es hat schon auffälligere Tagungen der CSU in Wildbad Kreuth gegeben. Die Frage der EU-Verfassung war beherrschend, kam aber nur matt in die Schlagzeilen. Viel lauter schrie etwas anderes. Angela Merkel könne ihre "Teamfähigkeit" noch steigern, hatte der Landesgruppenchef der CSU im Bundestag, Michael Glos, am Kreuther Vorabend gesagt. Natürlich dementierte Stoiber pflichtschuldigst. Das war diesmal der Extrakt von Kreuth. Doch Glos´ Kritik steht im Raum. Sie besticht durch ihren Zeitpunkt. Denn Merkel ist gerade dabei, parteiliche Führungsposten neu zu besetzen.
Es ist wahr, um das "Team" wird sie derzeit niemand beneiden. Erst ging Merz, dann Seehofer und zuletzt Meyer, ihr Generalsekretär. Nachdem er wegen seiner RWE-Bezüge in die Kritik geraten wa
geraten war, hatte Merkel ihn noch halten wollen, musste jedoch dem innerparteilichen Druck weichen. Prekär war, dass vor allem der nordrhein-westfälische Landesverband seine Ablösung verlangt hatte. Meyers Affäre wurde dort schon im voraus für die Niederlage im kommenden Landtagswahlkampf verantwortlich gemacht. Dieser Zusammenhang hätte Merkel geschadet, also musste Meyer zurücktreten. Ihre Entscheidung für Volker Kauder als Nachfolger zeigte dann, wie eng es für sie geworden ist. Kauder ist Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag. Er hat Merkel in dieser Funktion treu gedient. Die Vorsitzende wird sich auch auf seine Solidarität als Generalsekretär verlassen können. Das Problem ist nur, es gibt außer ihm nur noch wenige, auf die sie bauen könnte.Wer soll ihn als Geschäftsführer ersetzen? Da Merkels Personaldecke praktisch erschöpft ist, muss Kauder diese Funktion zunächst beibehalten. Vielleicht sagt sich Merkel, dass in der Fraktion jetzt weniger Management erforderlich ist, da ihr Hauptwidersacher Merz sich vorerst zurückgezogen hat. Die Meldung, dass der frühere Generalsekretär Peter Hintze neuer Geschäftsführer werden soll, wurde bisher nicht offiziell bestätigt. Auch Hintzes Wahl wäre nachvollziehbar. "Pfarrer Hintze", der sich der Erinnerung vor allem durch unsägliche Rote Socken-Kampagnen gegen die PDS eingeprägt hat, ist zur Zeit europapolitischer Sprecher der CDU. Europapolitik, insbesondere die Frage der EU-Mitgliedschaft der Türkei, wird im Zentrum des kommenden Bundestagswahlkampfs stehen. Dass Hintze Helmut Kohls Generalsekretär war, braucht Merkel nicht zu beunruhigen. Es ist Schnee von gestern. Sie hat eine eigene Beziehung zu ihm, da er Anfang der 90er Jahre ihr Parlamentarischer Staatssekretär war, als sie das Bundesministerium für Frauen und Jugend führte.Gleichzeitig würde aber auch diese Wahl zeigen, wie eng es für sie geworden ist. Denn Hintze stand nicht nur Kohl, sondern auch Blüm und Geißler zur Seite. Er dürfte so wenig wie die Letztgenannten von der scharf neoliberalen Doktrin begeistert sein, die Merkel derart ungeschützt vertritt, dass die Wähler in Scharen davonlaufen. So wird Merkels Personalgefüge immer wackliger. Aber kann sie Hintze überhaupt durchsetzen? Der Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Ramsauer, soll bereits vorsorglichen Protest eingelegt haben.Kein Zweifel, einen besseren Generalsekretär als Kauder hätte Merkel nicht finden können. Der neue Mann hatte sich zwar vor der Bundestagswahl 2002 gegen ihre Kanzlerkandidatur ausgesprochen. Doch das taten die meisten Parteifreunde. Kauder, der damals das Amt des baden-württembergischen Generalsekretärs ausfüllte, sprach es nur seinem Chef Erwin Teufel nach. Als Teufel jedoch aus seinem Ministerpräsidentenamt gedrängt wurde, versuchte Kauder die Weichen für eine Nachfolge Annette Schavans, die als Merkels Parteigängerin gilt, zu stellen. Er war es, der die Mitgliederbefragung im Landesverband durchsetzte, weil er glaubte, die Basis würde sich für Schavan stark machen, ganz wie sie sich einst für Merkel ausgesprochen hatte. Obwohl es anders kam, zeigt Kauders Plan, was der Mann für Merkel wert ist. Im kommenden innerparteilichen Machtkampf wird sie ihn brauchen können.Die Rolle eines Generalsekretärs der CDU wird von ihr ganz eigentümlich interpretiert. Das ist nicht mehr die Rolle Kurt Biedenkopfs oder Heiner Geißlers, die einst die Öffentlichkeit mit intellektuell anspruchsvollen Konzeptionen für die CDU einnahmen. Besonders Geißler hatte die Möglichkeiten des Amtes demonstriert, indem er auch ein Meister im Austeilen war. Er konnte die Gegner schwächen und erziehen, die Grünen etwa mit der Behauptung, der Pazifismus habe "Auschwitz erst möglich gemacht". Außerdem fungierte er als Minenhund: Was er scharf vordachte, nahm sein Vorsitzender Kohl wieder halb zurück. Allerdings musste Kohl einsehen, dass so wertvolle Männer auch gefährlich sind. Biedenkopf wie Geißler stellten sich schließlich gegen ihn. Nach dieser Erfahrung umgab er sich mit schwächeren Leuten, erst Volker Rühe, dann Peter Hintze. Die gefährlichste aller Generalsekretäre war jedoch Angela Merkel. Sie nutzte ihr Amt kaltblütig, um Wolfgang Schäuble den Parteivorsitz zu entwinden. Ist es ein Wunder, dass gerade sie die Schwäche von Generalsekretären zum Organisationsgesetz erhob?Man könnte auch sagen, sie ist als Parteivorsitzende Generalsekretärin geblieben. Sie ist es da erst richtig geworden, hat da erst jene Minenhund-Rolle ausleben können. Wie einst Biedenkopf und Geißler tritt sie mit zugespitzten Konzepten, etwa der Gesundheitskopfprämie, vor die Öffentlichkeit. Und wenn andere, etwa Stoiber, das Scharfe halb zurücknehmen wollen, bleibt sie stur. Aber wenn sie heimlich Generalsekretärin bleibt, was soll dann ein Generalsekretär neben ihr tun? Er ist nur zum Organisieren da, soll loyal sein und gedanklich blass bleiben. Die Rolle ist Kauder auf den Leib geschrieben. Angela Merkel wird von keiner Mannschaft getragen. Da kann sie auch nicht "teamfähig" sein. Mit Recht wittert sie überall mögliche Gegner. Sie kann nur Werkzeuge brauchen. Sie ist eine Frau ohne Schatten, die erneut einen Mann ohne Eigenschaften berufen hat.Die Mannschaft gibt es, nur steht sie gegenüber und denkt über ihren Sturz nach. Glos hatte nicht nur über ihre "Teamfähigkeit" gesprochen, sondern auch angekündigt, nach einer verlorenen Wahl in Nordrhein-Westfalen werde neu über die Partei-"Aufstellung", sprich Kanzlerkandidatur nachgedacht werden müssen. Jeder weiß, dass so auch das Netz der CDU-Granden denkt: die Koch, Wulff und Müller, die schon in der Jungen Union zusammengehalten haben. Auch Oettinger, der neue baden-württembergische Ministerpräsident, den Kauder und Schavan nicht verhindern konnten, gehört zu dieser Connection. Sie werden sich zusammensetzen und Merkel, die immer draußen stand, auffordern, ihre Ambitionen zu begraben. Doch Merkel, statt gleich aufzugeben, wird Kauder in den Ring schicken und eine bundesweite Mitgliederbefragung organisieren lassen.
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.