Mario, rück das Gutachten raus!

Transparenz 2015 drehte die Europäische Zentralbank Griechenland den Geldhahn zu. Eine Initiative will nun wissen, ob diese drastische Maßnahme rechtens war
Ausgabe 13/2017

Griechenland im Sommer 2015: Die Syriza-Regierung musste Kapitalverkehrskontrollen einführen, das Bargeld wurde knapp, durch Europa gingen Bilder von immer längeren Schlangen vor den Geldautomaten. Aus Widerstandsgeist, Wut oder Hoffnungslosigkeit wurde Panik. Was die Europäische Zentralbank (EZB) da gerade entschieden hatte, paralysierte ein ganze Land: Sie akzeptierte keine vom griechischen Staat ausgegebenen oder garantierten Anleihen mehr als Sicherheiten für Bankkredite, solange die Regierung sich nicht den Sparauflagen beugte, welche die internationalen Kreditgeber verlangten. Später folgte das dritte Kreditprogramm.

Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung der EZB ist bis heute ebenso umstritten wie ihre daran anschließende Maßnahme, die Notfallkredite einzufrieren, die die Zentralbank griechischen Banken zur Verfügung stellt. Die EZB und ihr Präsident Mario Draghi (Foto) waren sich selbst nicht sicher, ob ihr Handeln rechtmäßig war; die Zentralbanker gaben bei einer privaten Anwaltskanzlei ein Gutachten in Auftrag, das bewerten sollte, ob die EZB auf sicherem Grund stehe oder den Kompetenzrahmen des Unionsrechts überschreite. Bis heute aber ist dieses Gutachten streng geheim. Die EZB verweigert seine Veröffentlichung. Dabei wäre es wichtig, die 2015 vollzogenen Maßnahmen auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, daraus Lehren für künftige Krisenbewältigung zu ziehen und all dies öffentlich zu diskutieren.

Eine Allianz, die von Yanis Varoufakis über die Europaabgeordneten Fabio De Masi und Sven Giegold, die französischen Präsidentschaftskandidaten Benoît Hamon und Jean-Luc Mélenchon bis hin zur Sozialdemokratin Gesine Schwan reicht, kämpft nun mit der Kampagne „#TheGreekFiles – Blackbox EZB öffnen!“ für die Herausgabe des Gutachtens, sammelt in ganz Europa Unterschriften für eine dementsprechende Petition und will ihr Ziel mit einer Klage erreichen. Dabei können sich die Initiatoren auf europarechtliche Regeln berufen; Artikel 15 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU gibt den europäischen Organen – zu denen auch die EZB gehört – vor, bei ihren Entscheidungen größtmögliche Transparenz sicherzustellen. Unionsbürger haben demnach „das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe“.

Es gibt jedoch klar bestimmte und durch Beschlüsse und Verordnungen festgelegte Ausnahmen von diesem Grundsatz. So kann in bestimmten Fällen der Zugang zu Informationen durch die Organe absolut verweigert werden. Bei nicht absoluten Verweigerungsgründen, beispielsweise der Schutz der Rechtsberatung, muss es eine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse geben. Eine pauschale Ausnahme vom Grundsatz größtmöglicher Transparenz wegen Dingen besonders sensibler Natur gibt es im Übrigen nicht.

„Besonders sensible Natur“

Doch gerade mit dem Verweis auf solch eine „besonders sensible Natur“ der EZB-Geldpolitik gegenüber Griechenland wehrt sich Mario Draghi gegen die Herausgabe des besagten Gutachtens. Was das bedeutet: Informationen über die möglicherweise rechtswidrigen Handlungen eines Organs der EU sollen nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sein. Damit verweigert sich die EZB einem transparenten Umgang mit der Frage, ob sie Entscheidungen getroffen hat, die sie treffen darf – oder eben nicht.

Das tut sie nicht nur im Kontext der bisher größten Staatsschuldenkrise der EU. Sondern inmitten von deren Existenzkrise, welche sich nicht nur um die Gelüste erstarkender rechter Kräfte dreht, der EU und dem Euro den Rücken zu kehren. Es geht um real fehlende demokratische Rückbindung europäischer Institutionen, zu deren Kreis der EZB-Rat als maßgebliche Instanz der EZB gehört. Der EZB-Rat handelt ohne direkte demokratische Rückbindung, er wird von den verschiedenen Exekutiven der Nationalstaaten bestellt oder gewählt.

Und dies ist im exemplarischen Falle Griechenland nun wirklich von „besonders sensibler Natur“: mutmaßlich rechtswidriges Handeln staatlicher Akteure inmitten demokratischer Verhältnisse. Die Möglichkeit eines solchen Handelns zeigt, dass eine „sensible Natur der Dinge“ keine Ausnahme von der Transparenz begründet, sondern Transparenz gerade erfordert.

Nele Austermann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Zentrums für Europäische Rechtspolitik der Universität Bremen. Sie berät die Initiative „Blackbox EZB öffnen!“

der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 25% Rabatt lesen

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden