Wir sind alle auf ihn reingefallen. Ich bin auch auf ihn reingefallen. Aber wir haben nicht daran gedacht, dass bei diesem Drauf-Reinfallen ein gehöriges Quantum Selbstüberschätzung eine Rolle spielte. Als Marshall McLuhan verkündete, dass das Medium die Botschaft sei, waren wir alle elektrisiert. O ja, Mann, stimmt überhaupt. Es gibt eigentlich nichts, was so wichtig ist wie Medien – deshalb müssen sie natürlich auch die Botschaft sein.
Dieser McLuhan war schon ein schlauer Hund, er wusste, wie er es anstellen musste, um sein Thema in den Fokus zu rücken. Und sein Thema, das waren Medien, die sich so einschneidend neu in die Menschheitsgeschichte gefressen haben wie der Buchdruck oder die moderne Massenpresse oder das Radio, das Fernsehen und – so wäre zu ergänzen – das Internet. Klar sind das Botschaften. Aber man kann die Perspektive auch umkehren: Es sind NUR Medien. Es sind Träger von Botschaften. Und entsprechend haben sie ihre Message-Qualität im Hintergrund zu halten. Es gibt wahrlich Wichtigeres.
Für McLuhan nicht. Er hatte nun mal dieses Thema am Wickel. Und er hat zugespitzt. Damit hat er uns so verblüfft, dass wir Jahrzehnte gebraucht haben, um aus dieser Medien-Besessenheit wieder emporzutauchen. Weil wir selbst Medienmacher und Medienkritikerinnen waren und sind, hat es uns zunächst mal gut getan, gesagt zu kriegen, dass nichts auf der Welt so wichtig war und ist wie wir selbst und unsere Tätigkeit. Aber jetzt sollte es mal gut sein. Wir sollten zugeben, dass es unendlich viele Botschaften gibt, die nichts mit Medien zu tun haben, außer dass sie von einem Medium getragen werden.
Vom Flugblatt zum Internet
Klar kann man jedes Phänomen dieser Welt auf es selbst zurück beziehen, aber der Erkenntnisgewinn ähnelt nach und nach einer Tangentialsteigung – die Zuwächse werden mikroskopisch klein. Drehen wir also die Perspektive um. Als Medienfrau, die allmählich aus ihrer McLuhan-Trance erwacht, behaupte ich: Der Botschaft ist es egal, von was für einem Medium sie transportiert wird. Es kann die Buschtrommel sein, es kann ein Stein mit Meißel sein, es kann die Mundpropaganda sein, es kann ein Flugblatt sein. Es kann das Internet sein. Es kann die Zeitung sein. Ich entstamme der so genannten 68er-Generation, und wir haben damals, uns selbst überschätzend, wie es jeder Jugend unterläuft, geglaubt, wir müssten alles neu erschaffen, auch die Medien. Und dabei haben wir uns ausgerechnet in ein so antiquiertes Medium wie das Flugblatt verliebt. Außerdem trauten wir dem Sprechchor einiges zu. Seltsam. Aber wir sind durchgedrungen. Und das ist es ja, was ein Medium leisten soll: die Botschaft transportieren.
Vielleicht gibt es tatsächlich Botschaften, die eher dem einen Medium zuneigen als dem anderen. Aber das sind Nebensachen. In der Hauptsache, da bin ich mir sicher, ist es der Botschaft egal, ob sie auf einem Bildschirm flimmert oder ob unter ihr Papier knistert. Weil sie weiß, dass sie es ist, auf die es ankommt.
Was ich damit sagen will, ist, dass ich die endlosen Debatten darüber, was das Internet der Zeitung alles wegnimmt und wie furchtbar die Krise ist, die dem alten Offline-Journalismus von Seiten des Netzes droht, nicht mehr hören kann. Ich finde, dass diese Klagen und diese Prophezeiungen vor allem eines anrichten: Sie setzen die Relevanz der Botschaft herab. Es stimmt, dass einiges geklärt werden muss. Und dass wir dafür auf McLuhans Perspektive zurückgreifen können. Also uns fragen: Was ist denn nun eigentlich die Botschaft des Netzes als Medium? Soweit ich die verstanden habe, lautet sie: Alles sofort, for free, und jeder kann mitmachen.
Jeder kann mitmachen, das geht in Ordnung. Aber was ist mit "sofort"? Das heißt doch wohl: Alles, was Zeit kostet, also die Reflexion einer Botschaft, fehlt. Das ist schon mal nicht so gut. Und "for free"? Gibt's nicht, das weiß jeder. Warum lügt das Netz? Unserer gloriosen Marktwirtschaft werden ja allerlei "Gesetze" zugeschrieben, nach denen sie angeblich funktioniert, und immer wieder stellt sich heraus: funktioniert doch nicht so. Aber eines ist richtig: In dieser Wirtschaft setzt sich nach Schwankungen und Entwertungskrisen bei knappen Gütern on the long run dann doch der Preis durch, den sie wert sind.
Und zu diesen knappen Gütern gehören auch die Botschaften. Es ist schon wahr, sie befinden sich in einer Entwertungskrise, aber das wird nicht so bleiben. Ist nämlich nichts mit "for free", liebes Internet. Wenn der User nicht bezahlt, dann tut es ein anderer. Und wer? Der Autor? Die Werbung? Die NSA? Manche sagen, der User zahlt sehr wohl selbst, er merkt es nur nicht, er zahlt mit seinen Daten. Und wer greift dieses Zahlungsmittel ab? Das führt uns jetzt zu weit – hier nur so viel: Ein vernünftiger Bezahlmodus für den Online-Qualitätsjournalismus wird sich etablieren, so oder so. Dieses Marktgesetz funktioniert letztlich doch.
Nur ein Trägermedium
Dahinter aber steht nun eine bange Frage, die eben noch lautete: "Who wants yesterday's paper?" Heute heißt sie: "Who wants today's paper?" Die Printmedien werden schrumpfen. Das ist ein Menetekel für die Zeitungsverleger, aber Sie wissen doch: Sie waren immer nur ein Trägermedium, das Platz und Plattformen für Botschaften bereit gestellt hat, auf die es letztlich ankam. Und wenn es Ihnen um die Botschaften geht, dann werden Sie Mittel und Wege finden, sie mittels des neuen digitalen Mediums in die Welt zu senden und ihren verdienten Lohn dafür zurück erhalten. Zugleich werden Sie - vielleicht weniger, vielleicht andere - Zeitungen drucken. Bisher ist, soweit ich weiß, noch kein Medium vollends untergegangen, es soll sogar noch Buschtrommeln geben. Es wird auch weiterhin Zeitungen geben, sie werden gelesen werden, vor allem dann, wenn ihre Verleger unbeirrt daran arbeiten, den besten und den passenden Ort für anständig bezahlte Botschaften frei zu halten.
Es gibt so viel zu berichten, zu erzählen, zu analysieren. Die Situation der Medien gehört nur für uns Macher und Macherinnen an die Spitze der Prioritätenliste. Ich glaube, wir werden bessere Macher sein, wenn wir andere Topoi an die Spitze setzen. Eigentlich haben wir das nie wirklich geglaubt, dass das Medium die Botschaft sei. Dafür sind wir gottlob zu neugierig auf die Welt.
Kommentare 12
Das Medium ist die Message wo immer es um Leben geht. Wenn wir die DNA und auch die Großhirnrinde betrachten können wir sehen, dass ein wesentliches Merkmal Reflektion ist und in der Folge Reproduktion und Rekombination -und Mutationsfähigkeit. Zusammen ist das nichts anderes als Medium=Botschaft oder Operator=Operand wie etwa in der Gödelisierung in der Mathematik.
Gerade macht die Softwarewelt, die hinter dem Internet steht, eine Revolution durch. Mehr und mehr wird die Reflektion ihrer Selbst eingeführt. Medientheorie ohne Softwaretheorie zu denken ist weniger als eine halbe Sache. Sobald die Software hinter und im Netz die Texte, Audioaufnahmen, Videos nicht mehr NUR als Content transportiert sondern interpretiert, wird erst augenfällig werden was McLuhan gemeint hat. Wir sind mitten in diesem Prozess.
Wohin das führt ist gar nicht abzusehen, aber gerade jetzt McLuhan zu den Akten zu legen, wäre mehr als daneben.
Inwiefern das Medium die Botschaft ist, wird uns erst aufgehen, wenn wir unser Softwareparadigma von klassischer Logik auf eine noch nicht fassbare Logik von Quantensystemen umstellen. Heute probieren wir den anvisierten Quantencomputer immer wieder als weiteres Trägermedium für herkömmliche Logik zu sehen. Aber genau das ist eben das typische Spiel: Man meint Medien seien beliebig und versucht immer nur wieder alte Botschaftsmuster zu übertragen, statt zu sehen, dass man nun damit völlig anders denken und schöpfen kann.
McLuhan bleibt hochaktuell.
"Sobald die Software hinter und im Netz die Texte, Audioaufnahmen, Videos nicht mehr NUR als Content transportiert sondern interpretiert, wird erst augenfällig werden was McLuhan gemeint hat."
Das stimmt und ist ein besonders griffiges Beispiel. Wer sich näher mit der Materie beschäftigt, merkt, wie jedes Medium die Nachricht mitbestimmt und modifiziert. Das fängt beim Sprechen an und steigert sich über das Schreiben bis zum weiteren und entwickelteren Einsatz technischer Medien.
Fr. Sichtermann meint vielleicht, einen medientheoretischen Beitrag zu liefern. Man weiß nicht, ob sie systematische und technische Aspekte entweder ignoriert, nicht wirklich kennt oder bewusst verschweigt. Von der ständigen Wiederholung, dass ein Medium nur der Träger der Botschaft sei und diese vollkommen unabhängig davon, werden ihre Behauptungen jedenfalls nicht wahrer. Ihr einziges Argument ist am Ende doch, dass wir, ob Papier, Buschtrommel oder digitales Medium, immer in der Lage sein werden, Botschaften abzusetzen. Ja klar. Aber das ist doch kein Argument contra McLuhan und den Medienmaterialismus!
Diese Rede war es wahrlich nicht wert, abgedruckt zu werden!
Auch wenn die Kommentatoren Frau Sichtermanns Irrtum bereits deutlich herausgestellt haben noch ein Beispiel, warum McLuhan nicht irrt: Ein Blinder erlebt eine andere Welt als ein Sehender. Die zum Einsatz kommenden Medien bestimmen den möglichen Weltbezug.
Es gibt keine Botschaft ...
Ein Musikstück transportiert die gleiche Botschaft, wie ein geschriebener Text - das kann selbst Frau Sichtermann nicht glauben.
also die botschaft,info zählt? heut kommt sie nicht mehr vorherrschend von der kirchen-kanzel. wenn biblische geschichten- und bild-programme für an-alfabeten die richtschnur abgeben sollte, ists heute eher die un-ausweichliche werbe-tafel,die leben, als konsumieren steuern soll,wozu nur minimale lese-fertigkeit vonnöten ist. auch städte,gebautes,sozial-milieus werden schrift-los gelesen.ein kopftuch,schläfen-locken sind für manche verstörender als andere lifestyle-manifestationen.zu massen-medien möchte ich anmerken: vieles kündet von parallel-welten,lenkt ab vom zwang,geld zu verdienen, sich für eine arbeit zu qualifizieren,pfiffig zusein um sich und die eigene brut aus dem vermeidbarsten rauszuhalten. infos über sport,die noch schöne weite welt,die immer aufwändiger zu erreíchen ist,das schöne leben der beauties und arbeits-befreiten,virtuelle event-teilhabe hinter der scheibe(gottseidank,wer will sich schon allen gefahren aussetzen).unterhaltung(früher hieß das distanzierter: zer-streuung,gegenpol der konzentrierten arbeit/studien),das abschalten fällt schwer,wenn der sog dich zum teil einer/mehrerer serien-gemeinde macht. die medien saugen wie nie zuvor(wer weiß,was marx heute geguckt hätte,statt unser system zu durchschauen?)....gegen offizielle politische appelle oder dröge einlullungs-versuche,millionenhaft verbreitete klischees, kommt, an der zielgruppe gemessen, nur wenig gegenwehr. angeödete,sich hinters licht geführt fühlende,die sich appellen und programmierten sichtweisen entziehen,haben mit den medien und ihren massierenden botschaften einiges mehr zu bestehen als früher(oder?). der nicht als druck wahrgenommene einfluß ist noch schwerer zu taxieren. es geht nicht um einzelne botschaften,die frische hirne leicht filtern können.odrr?
Lesen müsste man können, der Titel lautet:
The Medium is the Massage ...
"McLuhan hat sich geirrt. . In ihrer Dankesrede erklärt sie, warum der Botschaft das Medium egal ist"
Wir, die Medienjornalisten erklären hiermit, dass und, genau wie der Botschaft das Medien für die wir arbeiten egal sind. Dass nicht die Omnipräsenz des Geldes und der Ökonomie, die hinter unserer öffentlichen Macht steckt, den Erfolg erklärt, mit dem wir die freie Meinung in unserem freien Land so beeinflussen konnten, dass es zu einigen politischen Positionen praktisch keine relevanten öffentlichen Gegenmeinungen mehr gibt. Das erklärt sich schon durch diese neue Bescheidenheit, mit der wir ja durch diese Preisverleihung für jeden sichtbar machen, dass wir zurückgetreten sind. Hinter die eigentliche Wahrheit, die wir in unserer Selbstüberhebung so lange nicht erkennen konnten. Nun ist sie wieder auf unesrer Seite. Die einzig wahre Wahrheit. Nicht wir, die Medien und Medienschaffenden sind wichtig, oder wahr, oder die Medien, von denen wir ökonomisch und weltanschaulich abhängig sind, sondern die Botschaften, die in uns und den unwichtigen Medien stecken. Durch die wir, ganz objektiv und unbescheiden, mit der in ihnen enthaltenden Wahrheit die Wähler bewegen konnten und können, uns und unseren freien Werten die Treue zu halten. Und die das durch ihr freies Wahl- und Konsumverhalten, durch Prioritäten die in der öffentlichen Meinung reproduziert werden immer wieder bestätigen. Die Medien sind tot. Diese, unsere Botschaft, die ganz objektiv in uns und den Medien steckt und als Wahrheit Verbreitung und Öffentlichkeit sucht, sie lebe hoch! Dreimal hoch!
Der erste Satz ist verunstaltet. Er muss lauten:
Wir, die Medienjornalisten erklären hiermit, dass uns, genau wie der Botschaft, das Medium für das wir arbeiten egal ist.
(Anm.: Ich sollte nicht in kurz vor dem Abschicken irgendwelche Sätze in meinen Userbeitrag kopieren...)
Ich denke, dass Medientheorie bereits in der Schule angeboten werden muss. Solche Fehlleistungen, wie die von Frau Sichtermann ließen sich so vielleicht vermeiden. Insgesamt scheint mir bis in höchste Politikkreise wenig Kenntnis über McLuhans Theorem und dessen Bedeutung zu bestehen. Anders kann ich mir den nahezu kindlich naiven Umgang mit Facebook und Twitter vieler Spitzenpolitiker in Deutschland nicht erklären.
"The medium is the message" als Witz: Sagt ein Mann zu seinem Freund: "Ich werde nie wieder einen Liebsbrief schreiben!" Fragt sein Freund: "Warum, du hast Deiner Freundin doch in den ersten drei Monaten jede Woche gleich drei Liebesbriefe geschrieben?" Sagt der Mann: "Ja, das habe ich und als wir uns nach drei Monaten verlobt haben, waren es sogar fünf. Allerdings hat meine Verlobte dann nach acht Monaten den Briefträger geheiratet."