Matador des Guten

Ohne Furcht und Tadel Otto Schily, die CIA-Flüge und die politische Korrektheit

Es galt hierzulande als Gebot politischer Korrektheit, vor dem Irak-Krieg 2003 davon überzeugt zu sein, dass Saddam Hussein über gewaltige Bestände an Massenvernichtungswaffen verfügte und daher eine nicht zu unterschätzende Gefahr für den Weltfrieden darstelle. Wen es in den zivilgesellschaftlich gut abgedichteten Diskurs-Container verschlagen hatte, in dem nicht zuletzt die so genannte moderne Linke ein Hausrecht beansprucht, unterlag besonders strengen Auflagen. Ja, der sich abzeichnende Feldzug des Imperiums und seiner Paladine gegen den irakischen Despoten schien kritikwürdig, das durfte gesagt werden. Aber dann bitte umgehend die Gesslerhüte grüßen und bekunden, welch große Besorgnis die Waffenarsenale im Reich des Bösen auslösen. Ob Hans Blix mit seinen UN-Waffeninspektoren da genug ausrichten könne, wer wisse das schon? Vielleicht bleibe am Ende doch nur der Militärschlag? Ein Liebäugeln, ein kokettes Augenzwinkern mit dem großen Ausputzer, mit der Macht des Imperiums schien erlaubt - warum denn nicht? Schließlich hatten die Amerikaner schon einmal am Golf mit einem Wüstensturm der westlichen Wertegemeinschaft einen sagenhaften Durchbruch verschafft. Und nebenbei vielen modernen Linken geholfen, fortan tatkräftig an den Monumenten einer neuen Ethik, einer Gesinnungsethik ohne Furcht und Tadel, mitzubauen, die sich auf viele Bewährungsproben freuen durfte.

Besonders naive (oder raffinierte) Gemüter wärmte noch kurz vor dem Irak-Krieg der Glaube - und blieb unerschütterlich, auch wenn das Imperium schon sein Militäraufgebot vor der Tür des Diktators postiert hatte -, man dürfe einen Krieg unter gar keinen Umständen herbei reden, wenn ihn George Bush vielleicht gar nicht führen wolle. Man solle den amerikanischen Präsidenten nicht zu Affekten nötigen, wenn es doch um Politik gehe. Dabei schien die politische Korrektheit kurzzeitig in Einfalt umzuschlagen, konnte dann aber tief durchatmen, weil Gerhard Schröder für den Feldzug nach Mesopotamien die Gefolgschaft verweigerte. Mindestens der Anstand, wenn nicht gar die Überzeugung verlangten danach, dies einen mutigen Schritt zu nennen. Soviel Zivilcourage aber auch, wo schon Jugoslawien und Afghanistan soviel Überwindung gekostet hatten.

Die politisch Korrekten mochten es dem Kanzler gern nachsehen, dass er in Zeiten des Wahlkampfes innenpolitisch auszuschlachten verstand, was ihm außenpolitisch nicht weiter schadete. Er hatte sich entschlossen, einer selbstmörderischen Politik zu entsagen und war von keiner Rückgrat-Starre heimgesucht, sondern stets mit einem wissenden Lachen ausgestattet, gegen das Kanzler-Aspirant Stoiber nur verlieren konnte. Und hatte sich der Kanzler nicht gar an seinen Amtseid gehalten, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden? Gewiss, deutsche Flughäfen waren eine Art Scharnier, um amerikanischer Logistik und Technik zu einem jederzeit überzeugenden Auftritt und durchschlagenden Erfolgen auf dem irakischen Schlachtfeld zu verhelfen. Aber Bündnispflichten stehen gelegentlich über dem Grundgesetz. Beihilfe zum Angriffskrieg? Wer wollte da kleinlich sein, wer wollte da nachhaken und offenbaren, wie wenig er mit der verspielten Ambivalenz der politischen Korrektheit umzugehen versteht?

Sie wird nun auch Otto Schily zu Diensten sein, der als Mitwisser schwerer Menschenrechtsverletzungen von sich selbst eingeholt wird, was nicht verwundert. Er gilt als ausgesprochen kreativer Baumeister, der einiges dafür tat, dass die Monumente der neuen Ethik soviel Erhabenheit ausstrahlen. Er hat stets mit dem Imperium fraternisiert und daher für CIA-Flüge mit entführten Gefangenen gewiss Verständnis aufgebracht. Sollte man mehr von ihm erwarten? Selbstverständlich sind Zweifel angebracht, ob und wie viel die Regierung Schröder davon wusste, die schließlich nie einer "Koalition der Willigen" angehörte und bekanntlich so mutig war. Soviel politische Korrektheit muss sein.


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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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