Materieller Maulkorb

Bundeswehr in der Kritik Es ist mehr nötig als ein Friedenskonto - eine neue Friedensbewegung

Wer als Soldat in der Bundeswehr ungefragt den Mund aufmacht, muss mit einer Strafe rechnen. Mal kann es eine Degradierung sein, wie sie dem Major Florian Pfaff widerfuhr, der sich weigerte, logistische Arbeit für zu leisten, die auch für den Irakkrieg der USA genutzt werden konnte. Erst ein Gang zum Bundesgericht in Leipzig rechtfertigte das Tun eines gesetzestreuen Stabsoffiziers. Doch die längst fällige Beförderung ist ihm versagt geblieben.

Ähnlich verlief die Bestrafung des Majors Helmut Priess. Als Wortführer des Darmstädter Signals, einer politisch tätigen Soldatenvereinigung, rechtfertigte er das von Kurt Tucholsky geprägte Urteil "Soldaten sind Mörder". Gegen die prompt folgende Degradierung zum subalternen Oberleutnant widersetzte sich der Offizier mit Erfolg: Er erhielt seinen Dienstgrad zurück und ging sogar als Oberstleutnant in den Ruhestand.

Die Zeiten solcher öffentlichen Auseinandersetzungen sind inzwischen vorbei. Die Bundeswehr, verunsichert durch die hohe Ablehnung militärischen Engagements in der Bevölkerung, verlangt nach Ruhe im Beritt. Von den meisten Medien wird diese voraussetzungslos gewährt. Ein treffendes Beispiel für wehrfrommes Verhalten lieferte kürzlich die Süddeutsche Zeitung. Das Blatt monierte mehrfach, dass die Bundeskanzlerin und ihr SPD-Vize dem Gelöbnisrummel vor dem Reichstag fernbleiben wollten. Die obersten Regierungsvertreter wichen dem Druck und kuschten.

Prinzipiell folgen Militär und Politik dem strategischen Prinzip des low profile, um möglichst wenig aufsehen in der Öffentlichkeit zu erregen. Das eingefleischte Befehl-und-Gehorsam-System der Bundeswehr, das Soldatengesetz und die Truppengerichte, nicht zuletzt der soldatische Kameradschaftsmythos bieten genügend Möglichkeiten, Unbotmäßigkeiten ohne großes Aufsehen zu bestrafen.

Ein Zauberwort heißt Disziplinarbuße. Es steht jedem Vorgesetzten zur Verfügung, ohne dass dieser sich gleich zu erkennen geben muss. Bestraft wird der Verstoß gegen die Norm. Es ist eine Art Verwaltungsvorgang, wie zum Beispiel ein Verkehrsdelikt. Da kommt eine amtliche Mitteilung mit der Post ins Haus, diese nennt den vermeintlichen Verstoß und die fällige Bußzahlung. Ratenzahlung ist möglich. Der Straftatbestand wird Teil der Personalakte.

Ein unfaires und infames System, das die Meinungsfreiheit angreift, darauf aus, die Betroffenen kirre zu machen. Es nimmt für sich in Anspruch, das Soldatengesetz richtig auszulegen und führt die Geldstrafe als Abschreckungsmaßnahme ein. Eine wirkungsvolle materielle Waffe wo es um Gewissen, Moral und Überzeugungen geht. Den durch Disziplinarbuße Erpressten wird das inzwischen eingerichtete Friedenskonto (vgl. Freitag 31/2008) Hilfe und Unterstützung sein. Doch Geld allein wird Engagement nicht ersetzen. Die Bundesrepublik wird eine neue Friedensbewegung ins Leben rufen müssen.

Der Oberstleutnant und Freitag-Autor Jürgen Rose ist vermutlich das zurzeit bekannteste Opfer amtlicher Versuche der Informationsunterdrückung. Die Maßregelungen der Bundeswehr haben ihn bisher fast 9.000 Euro gekostet. Der Stabsoffizier hat Einspruch erhoben und lässt auch seine Kritik nicht ruhen: mit Beiträgen in dieser Zeitung, in Ossietzky, dem NDR, in Vorträgen und Diskussionen. Der versierte Kenner internationaler Sicherheitspolitik will nicht die Bundeswehr abschaffen. Er möchte nur dazu beitragen, dass die Bundesrepublik, ihre Politiker wie auch ihre Öffentlichkeit, die Lehre aus der Geschichte dieses Landes ziehen. Sie heißt: Krieg ist keine Option. Politiker wie Soldaten haben mit ihrem Handeln dieses Dogma mehrfach verletzt. Und auch der hoch geschätzte Altkanzler Helmut Schmidt irrt, wenn er jungen Soldaten versichert: "Dieser Staat wird Euch nicht missbrauchen". Es ist bereits geschehen. Mehrfach.

Friedenskonto: Kontonummer 900369426, Sparkasse Hannover, BLZ 25050180

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden