Mediale Mitregenten

Medienkonzentration Springers TV-Ambitionen könnten ein Signal für das Endevon Rot-Grün sein

Werden wir uns noch nach Leo Kirch zurücksehnen? Die US-Investoren, die mit Haim Saban an der Spitze die Mehrheit von Kirchs TV-Kette "ProSiebenSat1" gekauft haben, sehen ihre Chance, mit einem dreistelligen Millionengewinn Kasse zu machen. Springer wiederum sieht die Auflage seines Goldesels Bild schmelzen wie einen Alpengletscher. Statt PR-Achsen für die Bertelsmann/RTL-Produkte Big Brother oder Dschungelcamp zu bilden, wird überlegt, ob man diese Geschäfte nicht auch selbst machen könnte, mit eigenen TV-Stationen. Die Kassen sind schließlich gut gefüllt, Bankkredite im derzeitigen, lang dauernden Abschwung zinsgünstig zu haben. Demzufolge wird erwogen, Saban nebst seinen Freunden aus der Mehrheit von "ProSiebenSat1" heraus zu kaufen. Entsprechende Verhandlungen laufen seit Monaten mit noch ungewissem Ausgang.

Saban Co. haben erkannt, dass die deutsche Konjunktur nicht anspringen will. Gute Programmideen für den hiesigen Markt sind ihnen nicht zugeflogen, und ideologische Ambitionen sind dem liberalen Saban fremd. Das könnte sich in den TV-Sendern ändern, wenn das Haus Springer übernimmt.

Allerdings hat sich Springer an TV-Produktionen schon einmal die Finger verbrannt. Verschiedene Magazine, an denen man sich noch zu Kirchs Zeiten versuchte, waren teure Misserfolge. Da trifft es sich gut, dass Springerchef Döpfner seit einiger Zeit ein freundschaftliches Verhältnis zu Spiegel-Chef Aust pflegt. Das Magazin ist unter seiner Leitung zwar nicht besser geworden, behauptet sich aber gegen die Focus-Konkurrenz; vor allem versteht Aust etwas vom Fernsehen. Sein Spiegel-TV mit Programmplätzen auf RTL, Sat1 und Vox ist kommerziell erfolgreich.

Das Spiegel-Haus, in dem die Bertelsmann-Tochter Gruner Jahr 25,5 Prozent Vetomacht besitzt, könnte so ein entscheidendes Bindeglied der großen deutschen Medienmächte werden, zwischen dem hin und wieder liberalen Haus Bertelsmann und dem nach wie vor stockkonservativen Haus Springer. Springer würde auf dem Fernsehmarkt mit Bertelsmann gleichziehen, bliebe aber auf dem Tageszeitungsmarkt überlegen.

Ein Scheitern am Kartellamt ist zweifelhaft, da dieses nur nach ökonomischen Kriterien urteilt und TV- und Zeitungsmarkt getrennt betrachtet. Publizistische Meinungsmacht gehört nicht zu den Beurteilungskriterien. Anders sieht es bei der "Kommission für die Ermittlung der Konzentration im Medienbereich" (KEK) aus. Für sie könnte dieser Fall zur Bewährungsprobe werden.

Hier kommt die große Politik ins Spiel, denn die Strategie von Springer kann man gewissermaßen als Vorboten für das Ende von Rot-Grün ansehen. Der Konzern würde sich den Status eines medialen Mitregenten erobern. Dann käme endgültig keine Bundesregierung mehr gegen sein Agenda-Setting an. Dass Konzern-Besitzerin Friede Springer und Angela Merkel eng verbunden sind, kann sich noch als nützlich erweisen. Sollten sich Kartellamt oder KEK querstellen, müssten vielleicht ein paar Gesetze nachjustiert werden, damit es für den Coup keine Hindernisse mehr gibt. Auch dafür wäre die Spiegel-Brücke zu Bertelsmann nützlich: falls man die SPD mitnehmen muss.

Wäre diese erneute Machtkonzentration das Ende freier Meinungsbildung in Deutschland? Nein. Es handelt sich um eine Zusammenballung der alten Medien. Sie verlieren Vertrauen, Verkaufsauflagen schmelzen wie die Wahlbeteiligung. Es gibt neue Medien, die sich vermehren werden, in neuen technischen Formen und auf neuen Vertriebswegen. Deren Chancen wachsen jetzt. Um sie wird es neue Machtkämpfe geben.


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