Medientagebuch

Bernd Eichinger Wovon die Nachrufe auf Bernd Eichinger schweigen: Kirch

Am Ende der Woche, in der Bernd Eichinger starb, erschien ein Nachruf, der alle anderen Nachrufe beerdigen sollte. Mitherausgeber Frank Schirrmacher resümierte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dass die Anerkennung, die Bernd Eichinger im Tode fand, zeitlebens eine „Aberkennung“ gewesen sei. Dagegen waren die Eichinger-Filme Der Untergang und Der Baader-Meinhof-Komplex in der FAZ hymnisch als die Meisterwerke gefeiert worden, zu denen sie Schirrmacher nun erneut ernannte. Die einzig aufrichtige Eichinger-Würdigung, so die implizite These, komme deshalb von ihm, Schirrmacher.

Vor diesem Selbstlob des Nachrufenden muss man Bernd Eichinger, der Kritik stets sportiv nehmen und auch selbst austeilen konnte, in Schutz nehmen. Und man muss daran erinnern, was Schirrmacher wie all die Nachrufe, die dieser bilanzierte, ausblendete – nämlich den Hintergrund, vor dem Eichinger zur bestimmenden Produzentenpersönlichkeit Deutschlands geworden war. Als Eichinger 1970 an die Münchner Hochschule für Fernsehen und Film kam, war die Euphorie für die Idee des Autorenkinos bereits wieder abgeklungen. Dass Autorenfilme nicht gut liefen, musste Eichinger erfahren, als seine 1974 gegründete Firma Solaris Wenders, Geißendörfer und Reitz koproduzierte. Erfolgreich war damals der Schulmädchenreport.

Eichinger wollte beides nicht – weder die Erfolglosigkeit des vom Feuilleton anerkannten Autorenfilms noch den Erfolg der billigen Massenproduktion. Als er 1979 einen Teil des heruntergewirtschafteten Verleihs Constantin übernahm und parallel die Herstellungsfirma Neue Constantin gründete, schwebte ihm ein Produktionsmodell vor, wie es sich in den USA zuvor erfolgreich etabliert hatte. Dort hatten junge Produzenten mit jungen Regisseuren Filme wie Easy Rider gedreht, die eigenwillig waren, aber den Geschmack des altersgleichen Publikums trafen.

Eichinger entwickelte fortan Filme, die ein solches Publikum versprachen, weil sie auf populären, aber zugleich filmischen Büchern basierten: Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, Die unendliche Geschichte, Der Namen der Rose. Hier war er als Produzent in jeder Phase des jeweiligen Projekts präsent, der Autorenfilm war bei ihm zum Produzentenfilm mutiert, und er selbst zum einzigen Tycoon aufgestiegen, den die Bundesrepublik nach Atze Brauner und Horst Wendlandt kannte.

Möglich aber war dieser Aufstieg nur, weil jemand Eichingers Ambitionen absicherte, die viele ökonomische Risiken bargen. Dieser Mann war Leo Kirch, der sich schon immer still an Filmfirmen beteiligt hatte und der mit dem Beginn des Privatfernsehens sein verschachteltes Firmenimperium zum internationalen Medienkonzern ausbaute. Mehrere Jahre dementierte Eichinger laut und ungestüm, dass Kirch an der Neuen Constantin beteiligt sei, ehe er es Jahre später zugab. An dieser Beteiligung war nichts Ehrenrühriges; Kirch ließ seinen Produzenten stets frei Hand, solange das Geschäft florierte. Aber ohne sie hätte die Karriere von Bernd Eichinger einen anderen Weg genommen. Seinen ersten Spielfilm seit der Hochschulzeit (Das Mädchen Rosemarie) inszenierte er folglich für Kirchs Sat.1. Und als er 2006 seine Anteile an der Constantin verkaufte, gingen diese an die Schweizer Firma Highlight Communications, an der Kirch bis heute beteiligt ist.

Ohne Leo Kirch ist der Aufstieg Eichingers nicht denkbar. Ein Umstand, der dessen Leistungen nicht schmälern, sondern nur deren ökonomischen Hintergrund beleuchten soll. Das nicht zu tun, wie in all den Nachrufen geschehen, bedeutet, Eichingers Leben als Aufstieg des Kleinbürgers zum Großunternehmer zu träumen. Oder sich einfach nur selbst zu loben.

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