Mehr (als) erwartet

SPORTPLATZ Eine extrem absurde Planung: Eishockey-Weltmeisterschaft im Mai. Da grünt und blüht es; und auch im Menschen erwacht wieder die Natur. Man verlässt ...

Eine extrem absurde Planung: Eishockey-Weltmeisterschaft im Mai. Da grünt und blüht es; und auch im Menschen erwacht wieder die Natur. Man verlässt die dunklen Höhlen, erobert Straßen Plätze, Parks und Seen. Nur mühsam lässt man sich in Behausungen zurückpeitschen; freiwillig mag man sich kaum in unterkühlten Hallen einfinden. Auch sportlich versprach die Veranstaltung Eishockey-WM nicht allzu viel. Die besten Kufencracks ignorieren sie meist - entweder, weil sie sich in Übersee noch um den Stanley-Cup bemühen oder nach Abschluss der Saison die müden Knochen lieber auf der Fernsehcouch ausstrecken, anstatt sich auf dem größeren Spielfeld die Lunge aus dem Hals zu hetzen. Und der patriotisch gesinnte Sportbegeisterte konnte bei dieser WM eigentlich nur Strafe erwarten.

Zwei Jahre lang dümpelte die deutsche Nationalmannschaft bei der B-WM herum. Zwar schaffte man letztes Jahr - neben der Qualifikation als Gastgeber - auch den sportlichen Aufstieg in die Bel-Etage des internationalen Eishockey, aber große Chancen auf den Klassenerhalt mochte denen, die mit dem Adler Schlittschuh laufen, niemand einräumen. Die Deutsche Eishockey-Liga DEL fällt durch Spielkultur eher wenig auf; eher durch Missmanagement, dubiose Finanzierungen und amateurhafte Öffentlichkeitsarbeit. Zudem können sich in der von Amerikanern und Kanadiern dominierten obersten Spielklasse deutsche Nachwuchsspieler kaum entwickeln. Statt einem 18-jährigen Talent ausreichend Eiszeit zur Entwicklung zu geben, setzen die Clubs auf ausgebildete Spieler aus Übersee.

Es gab, kurz gesagt, keinen Anlass, sich besonders auf die Eishockey-WM einzustimmen. Doch nach dem kurzen Sommer Ende April sind wieder düstere meteorologische Verhältnisse ins Land eingekehrt. Die Eishallen sind nicht kälter als die urbanen Räume; fast könnte man sogar unter freiem Himmel den Puck auf dem Eis tanzen lassen. Sensationellerweise entpuppte sich die hiesige Nationalmannschaft auch noch als ein Team, das zwar nicht besonders elegant kombinieren kann, aber mit den deutschen Tugenden Kampfkraft, Disziplin und unbeugsamer Wille Berge zu versetzen. Glich der Auftaktsieg gegen die Schweiz schon einem kleinen Wunder, so sind die beiden Unentschieden gegen die haushoch favorisierten Tschechen und Kanadier eigentlich kaum zu glauben. Man kann nicht einmal sagen, dass die Ergebnisse unverdient waren. Denn die von dem als herrisch und autoritär verschrienen Trainer Hans Zach zu einer echten Mannschaft zusammengeführten Cracks haben nicht nur ihr eigenes Drittel mit Zähnen und Klauen verteidigt, sondern auch offensive Akzente gesetzt. Geschenkt, dass der Puck meist eher über die gegnerische Torlinie gearbeitet als herausgespielt und eiskalt versenkt wurde - den Druck muss man erst einmal erzeugen, damit der tschechische Goalie zweimal und der kanadische gar dreimal hinter sich greifen musste. Mit wachsender Begeisterung verfolgt man nun den Triumphzug des Davids gegen die vielen Goliaths.

Aber es mischen sich auch wieder Wermutstropfen in den Erfolgscocktail. Viele Signale deuten darauf hin, dass die jetzt erzeugte Euphorie nicht nachhaltig in professionelle Rahmenbedingungen überführt werden kann. Kaum bringt die deutsche Mannschaft nämlich ein, zwei Spiele ordentlich über die Bühne, erwartet man gleich Siege gegen vermeintliche Eishockey-Zwerge wie Italien und Weißrussland. Dabei sind die Italiener, verstärkt mit Italo-Kanadiern, mindestens ebenso stark wie Hans Zachs Truppe; die weißrussische Mannschaft ist zumindest technisch stärker. Die beiden Niederlagen waren also normal; nur Leute ohne Eishockey-Verstand werten sie als Enttäuschungen. Leider sitzen solche Leute auch im Deutschen Eishockey-Bund. Leider nutzen eben diese Verantwortlichen nicht den Aufschwung, um dem deutschen Nachwuchs bessere Bedingungen auch in der DEL zu schaffen. Und leider haben sie wieder gezeigt, dass sie zu den simpelsten Dingen nicht fähig sind. Im Spiel gegen Italien blieb ein gesamter Zuschauerblock von 3.000 Plätzen leer. Wegen eines Computerfehlers hatten die Karten nicht verkauft werden können. Geld verschenkt, Fans vergrätzt und der eigenen Mannschaft noch Unterstützung verweigert. Dilettantismus scheint noch immer das wahre Gesicht deutschen Eishockeys.

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