„Mehr miteinander“

Privathandel Nicht alle Sharing-Formen dürfen über einen Kamm geschoren werden, sagt Experte Thomas Dönnebrink
Ausgabe 47/2013

der Freitag: Die Online-Wohnungstauschbörse Airbnb bekommt es mit dem Staat zu tun: In Städten wie Berlin, Paris und New York soll das temporäre Vermieten von Wohnraum teilweise verboten werden. Zu Recht?

Thomas Dönnebrink: Ich kann das kaum nachvollziehen. Wenn Gäste, die ein Zimmer bei einer Privatperson buchen, zufrieden sind und der umliegenden Nachbarschaft dadurch Tourismusmittel zufließen, so sollte dies im Interesse des Gemeinwesens sein. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass dabei Ressourcen besser und vor allem sparsamer genutzt werden. Zudem tragen solche Tauschangebote zu mehr Begegnung und, wenn man so will, Völkerverständigung bei. Wo Regulierungen sinnvoll sind, sollte sicherlich nachgebessert werden. Ein generelles Verbot scheint mir aber eher von Lobbyinteressen geleitet.

Die traditionelle Hotellobby ist ganz schön sauer auf Airbnb. Die Tauschbörse würde in rechtlichen Grauzonen operieren...

Die Gesetzgebung hinkt Veränderungen in der Gesellschaft meist hinterher, und so gibt es sicherlich auch hier in bestimmten Bereichen Handlungsbedarf. Wenn die Gastgeber beispielsweise nicht mehr die eigene Wohnung anbieten, um Kosten zu senken, sondern nicht selbst bewohnte Räumlichkeiten zur Gewinnmaximierung vermieten. Damit verlassen sie dann den privaten Bereich. Sie werden kommerziell und Hotels ähnlich. Alle Formen jedoch über einen Kamm zu scheren, ist weder gerecht noch sinnvoll noch im Interesse des Allgemeinwohls.

Airbnb ist schon lange kein nettes kleines Unternehmen mehr, sondern macht einen Umsatz von 180 Millionen Dollar pro Jahr. Sollten Tauschbörsen kommerziell sein?

Wenn, wie bei Airbnb, ein guter und fairer Service angeboten wird, ist es völlig in Ordnung, dass ein Unternehmen dadurch mitverdient. Erst dadurch kann es sich durch Investitionen weiterentwickeln. Ich halte nichts von Automatismen wie: kleines Unternehmen oder Non-Profit gleich nett, großes Unternehmen gleich böse.

Glauben Sie, dass die Share-Economy eine Konkurrenz oder eine Ergänzung zum kapitalistischen Alltag darstellt?

Sie ist beides. Zum einen tritt sie mit dem bestehenden Wirtschaftssystem und kapitalistischen Alltagsleben in Konkurrenz oder drängt es sogar teilweise zurück. Ein Beispiel ist das Carsharing. Durch das gemeinsame Nutzen von Pkw werden de facto weniger Autos neu gekauft.

Zum anderen kann die Share-Economy eine sinnvolle Ergänzung sein. So können Bereiche abgedeckt werden, für die sich die rein wirtschaftlich agierenden Akteure nicht interessieren. Das ist zum Beispiel die kostenlose Verteilung von Lebensmitteln, die sonst weggeschmissen würden.

Die Share-Economy ist also antikapitalistisch und gleichzeitig systemkonform?

Erfreulicherweise weicht die Share-Economy auch alte Dichotomien von traditionellen Links-Rechts-Spektren oder Gegensätzen von Kapital, Besitz und Arbeit auf. Denn in der Share-Economy steht nicht so sehr der Besitz an sich im Mittelpunkt, sondern der Zugang dazu. Damit erübrigen sich hoffentlich auch einige der unproduktiven politischen Grabenkämpfe und dogmatischen Links-Rechts-Rhetorik-Automatismen der Vergangenheit. Damit ist der Weg dafür frei, dass Menschen stärker miteinander und weniger kompetitiv arbeiten. Mehr miteinander, weniger gegeneinander!

Text und Gespräch: Susanne Götze

Thomas Dönnebrink arbeitet für die Online-Plattform „OuiShare“. Dieses internationale Netzwerk ist gemeinnützig und will die Idee des kollaborativen Wirtschaftens voranbringen

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