Mehr Mut zu Ambivalenz!

Sprache Der „Duden“ gendert nun. Naturgemäß bringt das einige in Aufruhr. Differenzierung und Aufklärung täte gut
Ausgabe 02/2021
Im Englischen ist der Begriff „firewoman“ für „Feuerwehrfrau“ schon lange üblich
Im Englischen ist der Begriff „firewoman“ für „Feuerwehrfrau“ schon lange üblich

Foto: Adam Berry/Getty Images

Sprache ist Macht, und Macht schafft Wirklichkeit. Männer waren diesbezüglich die letzten Jahrtausende bekanntlich im Vorteil und drückten allen Bezeichnungen ihren Stempel auf. Dass mit der Gender-Bewegung das sogenannte generische Maskulinum, also die männliche Form als Standard für gemischtgeschlechtliche Gruppen, schon lange hinterfragt wird, ist gut und richtig. Die Problematisierung der patriarchal gefärbten Sprache trägt dazu bei, unser aller Bewusstsein stetig zu verändern.

Doch was passiert, wenn aus der Sensibilisierung der Druck zur Norm erwächst? Sprache zur Sache der Politik wird? Zeit für Fakten, mag sich wohl die Duden-Onlineredaktion gedacht haben. Sie will das Wörterbuch gendersensibel umschreiben, die Modifizierungen sollen um die 12.000 Berufs- und Personenbezeichnungen betreffen. Bei „Lehrerin“ etwa wird dann nicht mehr nur auf den „Lehrer“ verwiesen, die weibliche Form erhält eine eigene Definition. Vertreter des Geschlechts „divers“ allerdings wurden nicht bedacht. Ein Fauxpas? Nicht durchdacht? Dr. Nicole Weiffen ,Duden-Pressesprecherin, begründet diese Entscheidung so: Man hätte für Berufe zum Beispiel explizit neue Wörter erfinden müssen, was anmaßend sei.

Nur, welche Funktion soll eigentlich das deutsche Wörterbuch schlechthin haben? Inwiefern ist bei der Darstellung von Tätigkeitsprofilen eine Gender-Unterscheidung überhaupt von Belang? Würde „Gott/Göttin, Person, die ...“ nicht genügen? Mal ehrlich: Den Duden nutzen wir, wenn sachlicher Erklärungsbedarf besteht. Bedeutender als die Beschreibung der phänotypischen Veranlagung etwa einer Studienrät:in ist doch deren Aufgabe, nämlich Wissen zu vermitteln. Nicht ausreichend!, rufen jedoch jene, die hinter der teils erbosten Kritik an der Neuausrichtung altkonservative Kräfte am Werk sehen. Nieder mit der „Ihr seid doch mitgemeint“-Haltung!

Stimmt, Ausrufezeichen! Aber Differenzierung kann ebenso helfen, doppeltes Ausrufezeichen! Denn Gendern ist gleichsam eine Frage der Angemessenheit. Politische Reden sollen alle adressieren. Dasselbe gilt für amtliche Dokumente. Und wo es kein Muss ist, kann das rechte Feingefühl leiten. Zum Beispiel in Schulbüchern. Bei Gebrauchsliteratur, gedacht zur raschen Informationsversorgung, ist hingegen Zweifel angebracht. Zum einen wegen des fehlenden konkreten Nutzens, zum anderen wegen der Negativ-Folgen. Die Überwindung des generischen Maskulinums mag das richtige Ziel mit den falschen Mitteln sein. Denn was bewirkt der redaktionelle Eingriff? Wahrscheinlich genau das Gegenteil von dem, was er erreichen soll. Denn er ist Wasser auf die Mühlen der Spötter („der ,Duden‘ macht also Nägel:_/*Innen mit Köpf:_/*Innen“, gefunden bei Tichys Einblick). Der Potsdamer Linguist Peter Eisenberg sprach in der Welt von „Irreführung“, „Fake“ und „Trump-Manier“.

Was also tun? Am besten räumt man zunächst das Rüstzeug weg. Frontlinien sind kein guter Ort für Wörterbücher. Weitaus besser steht ihnen die Aufklärung. Gerade die Online-Ausgabe des Dudens bietet sich dazu an, via Links und Fußnoten Hinweise zu einer geschlechtsneutralen Sprache zu geben. Liebe Redaktion, lasst bitte mehr Raum zum Argumentieren und weniger für Fixierung, lasst euch weder vor den Karren von Betonköpfen spannen noch vom Zeitgeist leiten. Es tut die Ambivalenz einen guten Dienst – gerade auch, weil sie Diskurs befördert und nicht einfach einzementiert.

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