Mehr Reformkonsequenz bitte

Kommentar Rente nur zwischen 67 und 72

Es ist eine wahre Freude, die Arbeit von Koalition und Regierung in diesem Staat zu sehen. Ein so eindrucksvolles Bemühen um das Beste, denn eine so ausgewogen unsoziale Konzeption sucht ihresgleichen. Allerdings: Stringenz wäre dringend anzuraten. Was getan werden soll, bleibt unvollkommen. Nehmen wir die Renten. Ein Aussetzen der Angleichung an die Inflation für nur ein Jahr, wie der Finanzminister sie vorschlägt, ist inkonsequent. Die Grünen haben mit Scharfsinn erkannt, mindestens zwei sind wesentlich lukrativer für den Staatshaushalt - und der Unternehmerverband DIHT weiß, mindestens drei Jahre wären vonnöten, damit Gold auf sie fällt. Aber ist das genug?

Es würde die Lohnnebenkosten weit mehr entlasten, Renten überhaupt nur noch zwischen dem 67. und dem 72. Lebensjahr zu zahlen. Wer es vorzieht, älter zu werden, muss eben privat vorsorgen. Das wäre gerecht und löste mehrere Probleme auf einen Schlag: Die mittlere Generation bliebe faktisch unbehelligt, die Renten für diese Jahre könnte jeder selbst, vor allem ohne Arbeitgeberanteil ansparen, Pflegeheime würden auf ein Minimum reduziert, Altersheime eingespart. Da die Älteren auch die Hauptmasse der Konsumenten von Arzneimitteln stellen, wäre ganz nebenbei der Beitrag zur Krankenversicherung stabilisiert. Überschüsse bei den noch vorhandenen Kassen könnte die Pharmaindustrie selbstverwaltet einsetzen, ihre Produkte international unter der upper class vermarkten.

Fazit: Man muss den Ansatz der deutschen Reformen dringend überprüfen. Überall ein bisschen kürzen bringt alle Schichten auf und führt zu nichts anderem als von Jahr zu Jahr wiederkehrenden unerfreulichen Debatten. Es kommt darauf an, Kosten in Gänze zu vermeiden. Einige CDU-Abgeordnete haben das erkannt und die Gesellschaft durchforstet. Wo kostet was wie viel? Dabei stellte sich heraus, auch Kinder sind ganz wesentlich ein Kostenfaktor. Mit minimalem Aufwand hergestellt, stehen in der Folgezeit Aufwand und Nutzen in keinem vernünftigen Verhältnis. Staatsaufwendungen in Milliardenhöhe - Entbindungskliniken, Ärztehonorare, Säuglingsstationen, Kinderkrippen, Kitas, Schulen, Ausbildungsplätze, Hochschulen - die Gesellschaft kann sich das nicht mehr leisten. Schließlich kommt hinzu: Kinder hindern ihre Eltern, den Lohn abzuarbeiten. Sie reduzieren Zeit - sie sind Kostentreiber schlechthin und global weit billiger zu haben. Auch die mittlere Generation, die in den bisherigen Entwürfen als zu entlastende galt, wird ihrer Rolle nur unzureichend gerecht. Ihr Konsumverhalten lässt zu wünschen übrig, auch hier sind gesetzgeberische Innovationen gefragt.

Eine wirklich schonungslose Diagnose lässt keinen anderen Schluss zu: Das Gros des Volkes ist ein Störfall, der dringend behoben werden muss. Brechts der DDR-Regierung 1953 anempfohlene Wahl eines neuen Volkes muss unter kapitalistischen Bedingungen ergänzt werden: Es geht um die Abschaffung seiner teuren Teile, das aber konsequent.

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