Mehr Rivalität zeigen

Buchmesse Die großen Verlage sind zu kuschelig miteinander. Das ist nicht zum Vorteil der Literatur und Buchkultur
Die Buchbranche in Deutschland: Viel Harmonie
Die Buchbranche in Deutschland: Viel Harmonie

Foto: Hannelore Foerster/Getty Images

Auch dieses Jahr war der Deutsche Buchpreis, jener Endausscheid der Literaturliga, nicht Wettkampf, nur Nettbewerb. Von der Longlist über die Shortlist bis zur Preisverleihung an Saša Stanišić bloß Schulterklopfen unter den Verlagen, kein Neid, kein Zorn, keine Häme blitzte auf, als stünde man gar nicht in Konkurrenz. Diese hartnäckige Harmonie lässt sich auch in den sozialen Medien beobachten, wo die Verlage sich gerne gegenseitig liken und hauptsächlich voneinander begeistert sind. Nie wird da ein Kommentar auftauchen, wie: „Euer Schund hat keine Chance! Wir machen Euch platt!“ Dabei täte dies der deutschen Bücherwelt dringend gut.

Buchverlage sind hart konkurrierende Wirtschaftsunternehmen, gleichzeitig pflegen sie die Außenerscheinung einer Branche, die eng zusammenhält, zu dankbar und befriedigend ist das gemeinsame Image vom Guten, Schönen, Wahren, das von Markt, Technik und Zeitgeist bedroht wird. Diese Harmonie hat aber Nachteile. Zu den bedeutenden Marken anderer Wirtschaftszweige gehört immer auch die Rivalität: Nike gegen Adidas, Burger King gegen McDonald’s, Mercedes gegen BMW, Apple gegen Microsoft. Wie viele Kunden gibt es, die jeweils einer von beiden Marken die Treue halten, weil diese Konzerne eben nicht nur Produkte verkaufen, sondern Identifikationsangebote. Schwindende Rivalität hingegen schwächt die Kundenbindung, siehe Volksparteien.

Kampf um die theoretische Detungshoheit

Wie wäre es, wenn in die Verlagswelt die offene Rivalität einzöge? Wenn etwa C.H.Beck jedem leichtfertigen Bestseller-Thesenbuch mit fettgedrucktem Typo-Cover einen dicken Geschichtsschinken um die Ohren hauen würde, wenn fanatische KiWi-Anhänger alle Fabrikate des Hanser Verlags als bildungsbürgerlichen Dämmstoff gegen den gesellschaftlichen Klimawandel verspotten würden, wenn S.Fischer gegen Suhrkamp in den Ring stiege, im Kampf um die theoretische Deutungshoheit der Gegenwart?

Mit einem Mal ginge es wieder um etwas beim Lesen, wäre es nicht bloß mehr ein neurowissenschaftlich verbrieftes Werkzeug gegen enge Stirn und Vergesslichkeit, wie man es heutzutage gerne bewirbt, jener von den Feldern der Verzweiflung gebrochene Strohhalm. Und in Abgrenzung von der Konkurrenz würde wieder klarer, wofür ein Verlag eigentlich stehen will, ein erfrischendes Gebot für die verblasste Vielfalt der großen Verlage, in der jedes Buch überall erscheinen kann, in der es keine unverwechselbaren Verlagskulturen mehr gibt, sondern nur allgemeine Trends und Höchstbietende in Manuskriptauktionen.

Randkonflikt Rechtsaußen

Eine Kostprobe wie es anders sein kann, gibt es bereits, wenn auch in extremer Form: die Auseinandersetzung zwischen den rechten Verlagen und dem Rest. Welche Brisanz gewannen plötzlich Bestenlisten und Buchmessen, die sonst im Trott der ewigen Wiederkunft absolviert wurden. Und man beachte erst, welche Aufmerksamkeit und Anhängerschaft die rechten Verlage aus dieser Rivalität generieren konnten. Nun stelle man sich vor Suhrkamp und Fischer, Hanser und KiWi, Piper und Diogenes würden sich handfest über Ästhetik und Qualität, über Zeitdiagnosen und politische Ausrichtung streiten, wie gerne wäre man mitten im Getümmel, als Autor, Lektor, Leser.

Und was fiele dann noch an Aufmerksamkeit und Identifikationspotential ab für den Randkonflikt Rechtsaußen. Wenn es wieder um etwas ginge, würde es darum nicht mehr gehen. Und wenn man das gemeinsam und gegeneinander erreicht, muss das Branchenbewusstsein nicht leiden, nein, es wäre Grund sich zu beglückwünschen und zu umarmen.

Zuletzt erschien von Leander Steinkopf „Kein Schöner Land – Angriff der Acht auf die deutsche Gegenwart“ (C.H.Beck) und „Stadt der Feen und Wünsche“ (Hanser Berlin)

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