Made in Germany – da fallen einem Maschinen ein, Motoren und Autos. Sie funktionieren, halten, was sie versprechen: Deutsche Ingenieurskunst wird im Ausland geschätzt und gekauft.
Doch seit einiger Zeit erobern Produkte aus Deutschland, die einer ganz anderen Branche entstammen, den Weltmarkt: natürliche Kosmetikprodukte. Massageöl statt Mechanik, Wellness statt Elektrizität. Deutsch und schön – passt das zusammen? Schmiert man sich hier nicht Melkfett auf spröde Hände und Latschenkiefer an geschwollene Füße?
Nirgendwo in Europa kaufen so viele Verbraucher:innen Shampoos mit Bio-Apfel oder Lotionen frei von künstlichen Konservierungsstoffen. Der Umsatz von Öko-Kosmetika hat sich hierzulande in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Branchenkenner:innnen sprechen von einem anhaltenden Wachstumstrend und rechnen damit, dass in Zukunft noch mehr Kundinnen und Kunden ihre Badregale mit natürlichen Pflegeprodukten füllen.
Dabei wird in Deutschland nicht nur mehr gekauft, sondern auch immer mehr produziert und exportiert. Unternehmen wie Lavera aus Hannover, Barbor aus Aachen oder Dr. Hauschka aus dem schwäbischen Bad Boll vertreiben ihre Balsame und Seren, Lotionen und Gesichtscremes mittlerweile fast überall auf der Welt.
Deutsche Kosmetikfirmen, sagt Martin Ruppmann vom VKE-Kosmetikverband, würden im Ausland als besonders natürlich und nachhaltig gelten. Weil Wälder und Wiesen, die deutsche Natur, mit diesen Marken in Verbindung gebracht würden. Und: Die deutschen Firmen überzeugten durch ihre Geschichten. „Sie sind authentisch“, sagt der Geschäftsführer. Es sei nicht nur PR, so Ruppmann, dass die Inhaltsstoffe aus nachhaltiger Produktion stammten. „Die Unternehmen bauen ihre Inhaltsstoffe wirklich im eigenen Kräutergarten neben der Produktionsstätte an.“
So kurz sind die Wege bei Weleda nicht wirklich. Die deutsche Marktführerin unterhält Anbaugebiete auf der ganzen Welt. Sie importiert Wildrose für die glättende Tagespflege aus Chile und Blüten der Ylang-Ylang-Blume fürs Körperöl aus Madagaskar. Die Weleda-Gruppe verkauft ihre Produkte in mehr als 50 Ländern. Vor allem das Geschäft in Russland boomt, im Jahr 2019 wuchs der Umsatz um mehr als ein Drittel. Eine der erfolgreichsten Produktlinien der vergangenen Jahre sind die grünen Skin-Food-Tuben von Weleda. Sogar Ex-Spice-Girl Victoria Beckham und Schauspielerin Julia Roberts sollen die Cremes nutzen, die für extra trockene Haut entwickelt wurden.
Vielleicht lässt sich anhand der „Skin Food“-Pflegereihe besonders gut zeigen, wie deutsche Wald- und Wiesennatürlichkeit und internationaler Glamour zusammengehen. Denn die deutsche Übersetzung der Marke – „Hautnahrung“ – hört sich zu sehr nach „Latschenkiefer“ an. „Skin Food“ – das klingt nicht nur viel melodischer, sondern transportiert auch den Hauch eines Versprechens: „Deine Haut bekommt genau das, was sie braucht!“ Aber: nicht zu viel, nicht zu wenig, genau richtig, und das für jeden. Schönheit ohne Schnickschnack, trotzdem glamourös.
PR wirkt mehr als das Produkt
Die Überzeugung, dass nur natürliche Stoffe auch gesunde Stoffe seien, treibt die Verkaufszahlen von Öko-Cremes nach oben. Bei einer Umfrage unter Konsument:innen natürlicher Pflegeprodukte gaben 87 Prozent an, ihrer Haut etwas Gutes tun zu wollen. Dabei gibt es über die Wirksamkeit von Naturkosmetik kaum verlässliche Studien. Das Marketing wirkt eher als die Pflegeprodukte selbst.
Das zeigt sich auch bei den Zertifizierungen. Viele wüssten gar nicht, was genau die Zertifizierungen auf Labels bedeuteten, sagt eine Branchenkennerin. Trotzdem würden sie sich besser verkaufen. Denn die Siegel vermittelten den Käufer:innen Vertrauenswürdigkeit. Deutsche Firmen sind dabei besonders zertifizierfreudig. Das Label des Natrue-Kosmetikverbandes, das Produkte auszeichnet, die zu 70 Prozent natürlich sind, tragen mehr als 300 Marken weltweit. Allein ein Drittel davon stammt aus Deutschland.
Zertifikate vermitteln Orientierung und suggerieren einen Qualitätsstandard. Deutschland, wo vom Feuerlöscher bis zur Türklinke alles genormt ist, eilt dabei sein Ruf voraus. Das bestätigt auch Martin Ruppmann vom Kosmetikverband: Das Vertrauen und der Vertrauensvorschuss in Kosmetikmarken aus Deutschland sei besonders groß. „Die Deutschen waren im Naturkosmetiksektor absolute Trendsetter“, sagt Ruppmann. Viele Firmen stellen ihre Seifen und Lotionen seit 30, 40 oder 50 Jahren her, Weleda feiert nächstes Jahr sein hundertjähriges Bestehen. Auch Dr. Hauschka oder Speick führen ihre Anfänge bis in die 1920er Jahre zurück. Nicht nur das: Diese Unternehmen sind eng verbunden mit den damals populären anthroposophischen Ideen von Rudolf Steiner. Beim Anbau der Kräuter und der Herstellung der Kosmetika verwenden sie die esoterisch angehauchte biologisch-dynamische Landwirtschaft, die die Planetenkonstellation ebenso berücksichtigt wie die vier Jahreszeiten. Ob bio-dynamischer Anbau wirkt, ist wissenschaftlich nicht belegt.
Vielleicht ist genau diese Kombination aus Esoterik und Wissenschaft das Erfolgsprinzip: Der Doktortitel bei Dr. Hauschka ist wichtig, neuere Marken wie Dr. Augustinus Bader oder Dr. Barbara Sturm knüpfen daran an. Die „Doctor Brands“ aus „Germany“, wie sie in US-amerikanischen Blogs heißen, scheinen Know-how aus Deutschland mit traditioneller Öko-Hautpflege zu verbinden. Die Kombination verkauft sich als 150-Milliliter-Gesichtscreme ab 150 Euro aufwärts.
Deutsche Naturkosmetik-Marken profitieren also von dem Image, das Unternehmen vor hundert Jahren aufgebaut haben. Aber zugleich auch von „Made in Germany“, weil das mit Verlässlichkeit, Forschung und Tradition assoziiert wird. Hinzu kommt: Seit der Klimawandel und die Fridays-for-Future-Bewegung breit diskutiert werden, steigen die Umsätze. Die Verbraucher glauben offenbar, dass sie mit dem Bio-Shampoo nicht nur ihre Haare schonen, sondern auch das Klima. Eine Branchenexpertin drückt es so aus: Die Kundin wird zur Aktivistin im Badezimmer. Und auch wenn sie in den Urlaub fliegt, hat sie im Gepäck die emissionsneutral produzierte Sonnencreme.
Kommentare 19
Klar, alles nur ein Marketing-Gag und jeder, der was anderes denkt, ist halt ein bisschen blöd und naiv, wo das wissenschaftlich alles nicht belegt ist.
Man arbeitet sich weiter am Feindbild ab:
Warum Linke mit Esoterikern, Religionen aber auch mit grünen Ideen und Vollwertköstlern so große Probleme haben. Eine Grundsatzdiskussion.
Es ist ein Markt!
Und der Markt hat immmer Recht!
(Komm'se her komm'se 'ran, hier wern'se genauso beschissen wie nebenan.)
Dann regiert ja einzig und allein Geld die Welt. Dann wäre es auch folgerichtig, möglichst viel davon zu haben. Beide Sätze richtig?
Wie gut für einige der Firmen, dass inzwischen "Gras" über die Sache gewachsen ist. Die Firma Weleda hat sich auch entschuldigt, wenn man das überhaupt kann. Nämlich für die Beteiligung an Menschenversuchen während der Nazizeit. Kräutergärten in KZs. Aber auch ich verwende einige Produkte von Weleda etc. Einfach, weil sie gut sind. Ich weiß allerdings nicht, wie einige der Anwender z.B. in den USA sich verhalten würden, wenn sie davon wüssten... Zu Rudolf Steiner: Ihm war die Thule-Bewegung irgendwann zwar zu durchgeknallt, weswegen er sich distanzierte. Ein heftiger Rassist war er trotzdem. Auch wenn seine Anhänger oft nichts davon wissen wollen.
Und steckt nicht in jedem Öko und Eso noch heute ein Nazi? Und ist nicht jeder der Öko-Handcremes nutzt irgendwie auch so ein bisschen Rassist? Ich hoffe, Sie essen keine Mehlspeisen, die mochte der Hitler nämlich so gerne.
Kern dieser etwas grob gestrickten Vorurteile ist übrigens jedes assoziative und analoge Denken, gegen das heftig polemisiert wird, wenn es von Grünesos kommt.
Funny, isn't it?
"Doch seit einiger Zeit erobern Produkte aus Deutschland, die einer ganz anderen Branche entstammen, den Weltmarkt: natürliche Kosmetikprodukte. Massageöl statt Mechanik, Wellness statt Elektrizität. Deutsch und schön – passt das zusammen? Schmiert man sich hier nicht Melkfett auf spröde Hände und Latschenkiefer an geschwollene Füße?"
Latschenkiefer gilt doch als ein Prototyp für natürliche Kosmetikproduke, bestehend aus einem ätherischen Öl der Latschenkiefer, von der Firma Dr. Theiss produziert, genauso wie die Ringelblumencremes. Auch Melkfett oder Vaseline (Paraffine) werden aus einem Naturprodukt hergestellt, aus Erdöl.
Ja, Latschenöl ist wahrscheinlich "bio", weil dort wo die Latschen wachsen niemand mit Pestiziden und Mineraldünger herumfuhrwerkt. Aber als Wirkbestandteil des guten alten Franzbranntweins hat es eben diesen Ruch von konservativer Biederkeit, den der moderne Biokonsument verabscheut.
Und Erdöl? Ja, wenn man die Entstehung nicht ignoriert ist das auch bio. Es kommt darauf an was man damit anstellt: Verbrennen ist übel, aber das spricht nicht gegen andere Anwendungen. Nur: Wer denkt schon so weit?
Also einen Rassisten erkennt man prinzipiell an seinen samtweichen, nach Lavendel duftenden Händen. Und daran, dass er sich immer in der Drogerieabteilung des Bio Ladends aufhält. Dort knüpft er dann Kontakte zu anderen Bio-Rassisten und zusammen pendeln die dann Lebensmittel sowie Kosmetik aus... man ist ja generell skeptisch...
bei dieser ganzen Diskussion frage ich mich: nutzen dann viele Berufslinke eigentlich auch das Gesundheitssystem... bei all den Dingen die aus den Experimenten resultierten... . naja. Ich gehe mich mal weiter eincremen.
Ja, es bleibt vieles seltsam, auch in diesem Jahr.
Lieber Gruß, frohes Neues!
Danke dir!
und ein duftendes und grandioses Jahr 2021!
p.s. schriebst du denn schon das, was dir so unter den Fingern lag?
Jo, im Grunde habe ich dazu ja den oben verlinkten eigenen Beitrga geschrieben, da kann sich jede(r) verewigen, denn diese Abneigung gibt es ja nicht erst seit gestern, gewundert hat sich mich schon länger.
"Dann regiert ja einzig und allein Geld die Welt. Dann wäre es auch folgerichtig, möglichst viel davon zu haben. "
Das ist Staats(Welt-)religion, leider.
Der Meinung kann man ja sein, ich bin es nicht, weil das für mich bereits der Auftakt zur Selbstentmündigung ist. Aber selbst wenn man so denkt, muss man damit nicht einverstanden sein. Sind Sie ja sicher auch nicht.
Dann ist die Frage, was man machen kann, um dem Geld den Stellenwert alles zu sein, worum es geht, streitig zu machen. Es ist nötig, darf es auch bleiben, aber die Frage ist, ob es sonst noch was gibt?
Da haben z.B. die Esos, Ökos, Anthros ihre eigenen Antworten drauf. Dass sie auch Geld verdienen wollen und müssen, sehe ich zunächst nicht als Problem an. Aber ihnen zugestehen, dass es für sie noch weitere Werte und Ziele gibt, als immer nur noch mehr Geld zu verdienen, sollte man schon. Denn das vertreten sie überzeugender und authentischer als viele andere.
Ich weiß nicht, auf was sie hier anspielen. Was hat das mit der Aussage meines Beitrags zu tun? Sind sie der Meinung es solle nicht mehr erwähnt werden, wer sich in der Vergangenheit nicht nur die Finger schmutzig gemacht hat? Ihr zweiter Satz ist purer Blödsinn. Eine in den Raum gestellte Behauptung ohne Hand und Fuss.
„Ich weiß nicht, auf was sie hier anspielen.“
Ich habe dazu einen eigenen Beitrag im Freitag geschrieben und in meiner ersten Antwort unter dem Artikel hier verlinkt.
Im speziellen Fall bedeutet eine Aufarbeitung der Vergangenheit eine Reflexionsleistung, die ich gut und wünschenswert finde. Allerdings ist die wiederholte und sich wiederholende Erinnerung daran, dass jemand in der Nazizeit Dreck am Stecken hatte, wenn man es immer wieder nur als Mittel der Diskreditierung auspackt, in meinen Augen keine Reflexion, sondern dient der Stigmatisierung. Oder warum erwähnten Sie das?
Es werden auffallend oft immer ähnliche Vertreter einer Richtung – mal mit, mal ohne realen Hintergrund – in einen bestimmten entwertenden und stigmatisierenden Kontext gezogen, der die Elemente der Naivität und Unwissenschaftlichkeit bis zur Idiotie einerseits enthält, aber seit längerem auch die m.E. recht bösartigen Konnotationen des Rassimus bis zum Rechtsextremismus enthält. Im genannten Artikel habe ich das breiter ausgeführt.
„Sind sie der Meinung es solle nicht mehr erwähnt werden, wer sich in der Vergangenheit nicht nur die Finger schmutzig gemacht hat?“
Ich bin der Meinung, es sollte nicht immer und ausschließlich erwähnt werden. Wenn Sie heute einen Artikel über Medizin lesen, denken Sie dann als erstes an die Rolle der Ärzte im dritten Reich? Oder bei der Raketentechnik, der Biologie, der Logistik? Steiner – nein, ich bin kein Anthroposoph – hat sehr viele Bücher geschrieben und Reden gehalten und angeregt, warum reduzieren Sie ihn auf die Rolle des Rassisten, so er denn einer wahr? Was hat es mit dem Artikel zu tun, in dem zwar Steiner erwähnt ist, aber in einem ganz anderen Kontext? Sie – nicht nur Sie, das tun viele – verschieben die Diskussion nun in einen ganz anderen Bereich und knüpfen damit an eine vorwissenschaftliche und voraufklärerische Assoziationsketten an, die sorgsam in dumm und verkommen einerseits, sowie gut und integer andererseits trennt. Indem diese assoziativen Begriffsketten immer wiederholt werden, schleifen sie sich ein. So funktionieren Vorurteile, Herabsetzungen und Stereotype, aber so funktionieren nicht Diskurs, Reflexion oder Aufklärung.
Das ist außerdem ein performativer Widerspruch. Man tut selbst das, was man theoretisch kritisiert oder bekämpfen möchte.
Ich bin Naturwissenschaftler. Da gehört Querdenken zum Beruf. Vor Jahrhunderten gehörte die Erdkugel zu den (faktenbasierten) Verschwörungstheorien. Freiheit ist auch immer die Freiheit "Verschwörungstheorien" zu diskutieren. (Rosa aktualisiert) Und dazu zählen unsere "Herrscher" die Alternativen zur Neoliberalen Religion.
Klar, aber die Ableitung, dass weil mal etwas, was als Verschwörungstheorie galt, sich nachher als richtig herausstellte, berechtigt logisch nicht (da eine unzulässige Verallgemeinerung) zu folgern, dass alles was heute als Verschwörungstheorie angesehen wird, demnächst als wahr/richtig anerkannt wird.
Soll aber wohl darauf hinweisen, dass Sie mit dem was Sie Staats(Welt-)religion nennen, auch nicht einverstanden sind. Ist ja okay, ich ja auch nicht, aber wie schon gesagt, auch die Esos, Ökos, Anthros haben da ihre Antworten.
Diskutieren darf man nicht mit Akzeptieren verwechseln. Dann lässt es sich auch mit allen Reden. Mindestens für den eigenen Horizont eine Bereicherung.
Tue ich nicht. Also verwechseln. Ich finde aber sogar gerade die abgefahrensten und schrägsten Ideen oft am interessantesten.
Das ist übrigens was, was ich den Coronaleugner wirklich vorwerfe, dass sie so erschreckend eintönig und vorhersehbar sind. Zum Gähnen.
Aber gut, hier gings ja ums leugnen der Aufrichtigkeit von Melkfett & Co. KG. Da werfe ich dann den linken Kritikern, dass sie so erschreckend eintönig und vorhersehbar sind.
FInde ich hier allerdings interessanter, weil Linke, Grüne und Esos (vielleicht nicht die schwarzmagischen Logen, aber die lieben Reikis und biodynamischen Eintänzer) im Grunde bestens zusammen passen müssen.
Naja, jetzt machen einige lieber Querfront mit den Faschos, hat ja auch was, man gönnt sich ja sonst nix.