„Es war ein langweiliger Wahlkampf. Die Kandidatur der Herausforderer der bisherigen Koalition schien nach einem vielversprechenden Beginn gegenüber der Union hoffnungslos abgeschlagen. Die Ursachen lagen einerseits in mehrfachen, massenmedial weithin beachteten Fehltritten, andererseits in der mangelnden eigenen Machtperspektive“. Dieser Vorspann ist verfasst 2021, aber könnte fast genauso gut die Bundestagswahlkämpfe 2009, 2013 und 2017 beschreiben.
Das Originellste an diesem Bundestagswahlkampf im Jahr 2021 liegt nicht in der bündnisgrünen Kanzlerinnenkandidatur, sondern darin, dass sich Angela Merkel zum ersten Mal seit 16 Jahren nicht mehr um das Amt der Regierungschefin bewirbt. Ansonsten ist sehr Vieles im parteipolitischen Karneval dieses Jahres mit den Verläufen früherer Wahlgänge austauschbar. Wiederum scheint alles auf eine unionsgeführte Bundesregierung hinauszulaufen – und das, obwohl die Rahmenbedingungen der diesjährigen Bundestagswahl gar nicht unbedingt für die Unionsparteien arbeiteten. Das ist es, was die Lage aus fortschrittlicher Sicht so ärgerlich und tragisch macht. In vielerlei Hinsicht waren die Bedingungen für einen linken Aufbruch noch nie so günstig. Aber es sieht stark danach aus, als hätten es die Parteien links von Union und FDP wieder einmal vermasselt.
Was wir beobachten können, hat Bedeutung über den Wahlkampf hinaus. Angela Merkel mag im Herbst als Kanzlerin abtreten, aber der Merkelismus wird vermutlich noch eine ganze Weile quicklebendig bleiben. Merkelismus soll heißen: Unwillen und Unfähigkeit der Politik in der Bundesrepublik, durch auch kontrovers ausgetragene Sachkonflikte die Weichen dafür zu stellen, in welche Richtung sich das Land entwickeln sollte. Das musste keinesfalls so kommen. Unklar ist, ob man die Wiederkehr des Gleichen noch abwenden kann.
Kurzfristige Fehler: Der grüne Kaiser ist auf einmal nackt
In einer Juli-Ausgabe arbeitet sich der SPIEGEL an den handwerklichen Fehlern ab, die der Wahlkampagne der bündnisgrünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock unterlaufen sind. Es ist eine ganze Reihe an Kritikpunkten: Nicht gemeldete Zusatzeinkünfte, aufgehübschter Lebenslauf, unklug platzierter Hinweis auf notwendige Benzinpreissteigerungen, zuletzt das Skandälchen um abgeschriebene Stellen in Baerbocks ohnehin nicht berauschendem Buch Jetzt!. Das Magazin liegt damit nicht völlig falsch, aber letztlich sieht der SPIEGEL vor lauter Bäumen den Wald nicht.
Wäre der diesjährige Wahlkampf von einem leidenschaftlichen Streit um Sachthemen geprägt, bei denen es, wie man sagt, „um’s Eingemachte“ geht, interessierte sich niemand für das verbaerbockte Buch. Außer glühenden Fans der Kandidatin und ihrer Partei, den pflichtschuldig rezensierenden Journalistinnen und Journalisten und der politischen Konkurrenz auf der Suche nach Kritisierbarem wird es am Ende ohnehin niemand ernsthaft gelesen haben. Liefe der Wahlkampf deutlich oberhalb des bisherigen Niveau-Limbos, wäre Armin Laschet bereits vor der Hochwasserkatastrophe im Westen und Südwesten für seine Karikatur eines Wahlprogramms in jeder Talksendung auseinander genommen worden.
Laschet hätte sich dann nicht nur für den Beinahe-Totalausfall an Klimapolitik bei der Union rechtfertigen müssen, nicht nur für eine wahrheitswidriges Hin und Her in der Frage von Steuererleichterungen in eben jenem Programm. Er wäre vielmehr auch für seine Version einer Voodoo-Ökonomie gestellt worden, bei der es zwar keine Steuererhöhungen geben soll, die zum ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft notwendigen Investitionen aber trotzdem aufgebracht werden können, obwohl der Aachener und seine Partei die Schuldenbremse möglichst bald wieder anwenden wollen. Erst unter Bedingungen solch eines politischen Kreuzverhörs verdampfte vielleicht endlich Laschets „Wahlkampf der strategischen Ambitionslosigkeit“ (Bernd Ulrich), den er bislang so unerreicht erfolgreich bestritten hat. Dann kämen Progressive nicht in die Versuchung, sich den Sturz Laschets über einen missglückten Video-Auftritt und ungelenke Auftritte zu erhoffen. Und vermutlich würde dann auch den Wählerinnen und Wählern klar, was in diesem und den nächsten Jahren eigentlich politisch auf dem Spiel steht.
Dies wünschen sich wohl nicht wenige fortschrittliche und linksliberale Kommentator:innen sowie andere, die einfach vom bisherigen Wahlkampf enttäuscht wurden. Eine Politisierung des Wahlkampfs in der aktuellen Konstellation wäre jedoch ein zweischneidiges Schwert. Drehte sich die öffentliche Auseinandersetzung weniger um persönliche Qualitäten als um Inhalte, bedeutete das keineswegs schon ein Heimspiel für Bündnis 90/ Die Grünen. Spielten Baerbock und ihre UnterstützerInnen die Inhalte ihres Wahlprogramms in den Vordergrund, wäre alsbald die Frage unvermeidlich – und würde auch nur zu gerne von Union, FDP und AfD instrumentalisiert –, mit wem dieser durchaus fortschrittliche Forderungskatalog denn eigentlich umzusetzen sei. Wären die Bündnisgrünen ehrlich, könnte die Antwort nur lauten: Mit einer grün-rot-roten Koalition. Keine andere Farbkonstellation an der Regierung käme plausibel dafür infrage. Bereits anlässlich des Programmparteitags hatte das Ulrich Schulte für die taz in unbestechlicher Klarheit festgehalten: „Ein Großteil der Ideen wird in der Koalition mit CDU und CSU nämlich nie das Licht der Welt erblicken. Es wird mit CDU und CSU keinen Abschied von Hartz IV geben, also keine sanktionsfreie Grundsicherung und auch keine Regelsätze von 603 Euro. Es wird keine Bürgerversicherung geben und auch keinen Mindestlohn von 12 Euro, außerdem keine Kindergrundsicherung, keine Vermögensteuer, keine Abschaffung des Ehegattensplittings, keinen Klimapass für Geflüchtete, keine Änderung des Transsexuellengesetzes und keine echte Abkehr von der Schuldenbremse, also kein Geld für all die grünen Investitionswünsche, die viele Milliarden Euro kosten.“
Das offen sagen wollten die Bündnisgrünen aber zu keinem Zeitpunkt – weder ihrer Mitgliedschaft, noch ihren Wähler:innen, noch der Öffentlichkeit insgesamt. Vielleicht wollten Annalena Baerbock und ihr Ko-Vorsitzender Robert Habeck diese genannten Inhalte auch eigentlich nicht, sondern steuerten von Anfang an eine Koalition mit der Union an, und waren deswegen bereit, die fortschrittlichen Teile des Wahlprogramms zu opfern, wie es ihnen viele nicht-grüne linke Kritiker:innen schon lange unterstellen. Aber auch in diese Richtung gaben sie keinerlei Anzeichen oder, wie man in der Fachsprache sagt, „Koalitionssignale“.
Ein Plan wie von der SPD geschmiedet
Im Rückblick liegt die Vermutung nahe, der real existierende Grünen-Wahlkampf habe voll darauf gesetzt, mit dem allseits beschworenen grünen „Lebensgefühl“, mit den bekannten grünen Feelgood-Konsens-Kumbaya-Botschaften („wir sind bunt, hip, gegen rechts und für die Umwelt“) so viel wahlpolitische Schwungmasse zu sammeln, dass es für einen komfortablen Spaziergang ins Kanzleramt reicht. Eine siegreiche grüne Kanzlerkandidatin Baerbock hätte dann nach der Wahl mit der (nicht ernst gemeinten, aber für die Union dennoch ernst zu nehmenden) Drohung einer grün-rot-roten Koalition die Union beim Koalitionsvertrag gefügig gemacht. Und mit dem Verweis auf „staatspolitische Verantwortung“ und die ach-so-furchtbaren außen- und europapolitischen Positionen der LINKEN hätte sich die bündnisgrüne Basis – wenn auch wegen ihrer Fridays for Future-Zugänge wohl zähneknirschend – in dieses Szenario eingereiht.
Insofern war der Plan der Bündnisgrünen dem der SPD in den Jahren 2013 und 2017 nicht unähnlich. Auch die Sozialdemokraten hatten damals versucht, mit einem tendenziell fortschrittlichen Wahlprogramm, aber einer parteirechten und auf den vermuteten Massengeschmack zielenden Kanzlerkandidatur im Wahlkampf möglichst vage bleiben zu können. Allerdings stolperten die Bündnisgrünen auch in die gleiche Schieflage wie die SPD vor acht und vier Jahren: Will man einen personalisierten Wahlkampf machen, einen Image-Wahlkampf, der bloß keine richtungspolitische Entscheidung zwischen Links und Rechts abbilden soll, dann muss er „sitzen“. Je geringer die Substanz, mit der man vors Publikum tritt, desto verwundbarer ist man durch die Fallhöhe der inszenierten Makellosigkeit. Ein Kandidat:innen-Hype ist wie ein Fahrrad – wenn es nicht vorwärts geht, fällt es um.
An dieser Strategie der Bündnisgrünen kann man Vieles kritisieren. Doch gerade Linke sollten dabei einen wichtigen Punkt nicht übersehen: Eine fortschrittliche Mehrheit bei Bundestagswahlen ist jetzt, wo sich die AfD fest im Parteiensystem eingenistet hat, nur möglich, wenn es gelingt, hinreichend viele Wähler:innen von der Union und/oder vormalige Nichtwähler:innen zu gewinnen. Nach Lage der Dinge könnte dies bei dieser Bundestagswahl nur den Bündnisgrünen gelingen. Es spricht jedoch einiges dafür, dass Baerbocks Partei für diese Herausforderung versuchte, so vage wie möglich zu bleiben, um auch der Union nicht abgeneigte Wechselwähler:innen nicht zu verschrecken.
Woran es nicht gelegen hat: Märchen, mit denen wir uns selbst ruhig stellen
Zumindest bis zu den schrecklichen Hochwasserkatastrophen von Mitte Juli hatte Armin Laschet eine nahezu traumhafte Situation erreicht. Er schien Angela Merkel darin beerben zu können, gleichsam im Schlafwagen ins Kanzleramt zu rollen, während seine Konkurrenz von links sich mit eigenen Fehlern blamiert (Grüne), ihr ein Verlierer-Image anhängt (SPD) oder sie sogar mit der Existenz kämpft (DIE LINKE). Wie konnte das kommen bei einer Ausgangslage, die für die Unionsparteien viel ungünstiger, für die Parteien links von CDU/CSU viel günstiger war? Immer häufiger hörte man in Gesprächen dazu Argumente und Topoi, wie sie die Ära Merkel schon seit Ende der Nullerjahre begleiten. Damit wächst Merkels langer Regierungszeit, wie jetzt auch Armin Laschets Kanzlerkandidatur ein Nimbus der Unvermeidlichkeit zu, der politische Spielräume verschwinden lässt. Es hat natürlich auch etwas Beruhigendes für Sozialdemokrat:innen, Grüne und LINKE: Waren die Siege Merkels und ist der Laschets ohnehin nicht abzuwenden, braucht man das eigene Vorgehen nicht zu hinterfragen. Ein typisches Märchen führt diesen Erfolg der Union auf eine tief verwurzelte politische Kultur und bei den Wähler:innen verankerte Dispositionen zurück: grundsätzlich unpolitische Haltungen, obrigkeitsstaatliche Orientierungen und ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis. Das ist aber wenig plausibel, bedenkt man etwa den Mythos, der die Zeit Willy Brandts umgibt; die Bedeutung Deutschlands als Heimat vieler alter und neuer sozialer Bewegungen und das im Rückblick fulminante Tempo der gesellschaftspolitischen Liberalisierung seit Beginn der Ära Merkel. Auch passen weder die beispiellose Mobilisierungskraft der Willkommenskultur 2015, noch die gesellschaftspolitische Polarisierung der Bundesrepublik in dieses allzu simple Schema.
Ein zweiter Mythos liegt in den vielen Varianten der Bindestrich-Gesellschaft. Lebten wir in einer „Risikogesellschaft“, einer „erschöpften“ Gesellschaft, einer „Gesellschaft der Singularitäten“ oder einer Gesellschaft des „metrischen Wir“, dann könnte in der Tat eine Black Box wie Angela Merkel oder nun eben Armin Laschet als Regierungschef(in) nahezu unvermeidlich sein. Denn in einer Gesellschaft wie den oben aufgezählten wäre es gar nicht möglich, hinreichend Menschen hinter positiv formulierten Vorhaben zu versammeln. Neben bestenfalls kleinen fortschrittlichen Veränderungen (ein gesetzlicher Mindestlohn, aber bitte nicht zu hoch; eine ‘Grundrente’, aber bitte nicht zu großzügig; ein ökologischer Umbau, aber bitte nicht zu doll und zu schnell) könnte man Koalitionen nur noch darüber zusammenbekommen, was man nicht will.
Die Diagnosen von Bindestrich-Gesellschaften mögen bestimmte Ausschnitte der Realität treffend erfassen und auf einen Begriff bringen. Aber sie verallgemeinern unzulässig aus ihrem jeweiligen Blickwinkel heraus und kommen so zu überzogenen Schlussfolgerungen. Jedenfalls ließe sich durch dieses Raster nicht erklären, warum Merkel zwar bei der Bundestagswahl 2013 einen fulminanten Sieg eingefahren, aber bei jeder anderen Wahl, zu der sie als Kanzlerkandidatin antrat (2005, 2009, 2017) für die Union ein schlechteres Ergebnis als bei der vorherigen Wahl einfuhr. Gleich zwei Mal, nämlich 2009 und 2017 war Merkels Sieg ein bestenfalls relativer und verdankte sich vor allem dem Absturz der SPD auf ein historisches Tief.
Eine dritte Legende schließlich kreist um Merkel als gewiefte Politikerin. Durch ihre geschickte Strategie der „strategischen“ oder „asymmetrischen Demobilisierung“ habe sie alle Konkurrenten ausmanövriert und deklassiert. An ihr konnten sich selbst erfahrene Politiker wie Franz-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück oder Martin Schulz nur die Zähne ausbeißen. Keine Chance für Angriffe mangels Angriffsfläche. Aber auch diese Selbstberuhigungsargumente stechen nicht. Merkel gelang das Abräumen von Angriffsflächen, weil sie mögliche Konfliktthemen rechtzeitig vor der Wahl neutralisierte. Die beiden Konjunkturprogramme und die massive Anwendung der Kurzarbeit, die maßgeblich einen Absturz der deutschen Wirtschaft nach der Finanzkrise verhinderten, wurden 2008/2009 von CDU/CSU und SPD gemeinsam beschlossen. Die Mietpreisbremse übernahm Merkel 2013 von der SPD, und 2017 gab sie die Abstimmung über die „Ehe für alle“ im Bundestag einfach frei.
Niemals aber wurde der Versuch unternommen, Merkel an einem Thema zu stellen, das zu schlucken für die Union unverdaulich geworden wäre. 2009 und 2013 hatte die SPD keine Machtoption, weil sie eine Koalition mit der LINKEN ausgeschlossen hatte. 2017 blieb Martin Schulz auf Anraten des Willy Brandt-Hauses inhaltlich so unkonkret, dass der anfängliche Hype um ihn nicht in eine anhaltende Begeisterung überführt werden konnte, sondern bald wieder verpuffte. Der beste Kronzeuge gegen die These von Merkels Unvermeidlichkeit kommt vom Erfinder der „asymmetrischen Mobilisierung“ selbst. Im Interview mit dem SPIEGEL wurde Matthias Jung, Chef der Forschungsgruppe Wahlen, 2018 ganz deutlich: „Die SPD hat’s immer noch nicht kapiert. Die einzige Methode, Merkel wirklich gefährlich zu werden, wäre gewesen, sie inhaltlich beim Thema soziale Gerechtigkeit anzugreifen. Aber dazu hat die SPD nicht wirklich die Kraft gefunden. Stattdessen hat Schulz mit dem Begriff herumhantiert, ohne ihn mit knallharten Inhalten zu füllen“.
Mittel- und langfristige Folgen der Selbst-Merkelisierung in der Ära Merkel
Um den berühmten Satz von Vito Corleone zu variieren, hätte man Merkel mit einem Angebot konfrontieren müssen, das sie nicht hätte übernehmen können. Es hätte so volksnah vorgetragen und mit Druck in die Öffentlichkeit getragen werden müssen, dass Merkel es nicht hätte ignorieren können. Dazu hätte es aber einer programmatischen und strategischen Entschiedenheit zur Ablösung der CDU/CSU an der Regierung durch eine fortschrittliche Alternative bedurft, die in der Bundesrepublik bis heute zu keinem Zeitpunkt jemals bestanden hat. Es fehlte bei SPD, Grünen und Linkspartei für alle erkennbar an politischem Willen und geeignetem Personal, um diesen Wechsel herbeizuführen.
An dieser Stelle werden die Kontinuitäten offensichtlich, die die Parteien in der Bundesrepublik bis heute plagen. Merkel regierte so lange und Armin Laschet liegt so frustrierend anstrengungslos vorne – nicht weil sie so brillant sind (auch wenn es gar nicht darum geht, ihre Qualitäten abzustreiten), sondern weil die Konkurrent:innen so schwach, unentschieden und konfliktscheu sind. Nicht nur die CDU/CSU hat sich „merkelisiert“, sondern alle anderen Parteien haben sich diesem Zeitgeist ergeben.
Es muss fast bizarr anmuten, dass man gegen die erdrückende historische Evidenz noch unterstreichen musste, wie wenig aggressiv, konfrontativ und verletzend dieser Wahlkampf des Jahres 2021 im Vergleich zu früheren Auseinandersetzungen anmutet. Gegen „Brandt alias Herbert Frahm“, „Freiheit statt Sozialismus!“, „Stoppt Strauß!“, „Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau“, „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen!“ oder selbst die „roten Socken“ hat das Wahljahr 2021 mehr von einer Schlaftablette als einem Schlagabtausch, der den politischen Blutdruck hochtreibt. Die Parteien haben nicht nur darauf verzichtet, sie haben wahrscheinlich sogar verlernt, durch gezielte, oft auch polemisch übertriebene Zuspitzungen den Gegner aus der Reserve zu locken und die in Frage stehenden politischen Alternativen hinreichend scharf zu zeichnen. Natürlich, nicht jede Wahl kann und wird zu einer Volksabstimmung, die den gesellschaftspolitischen Fortschritt und außenpolitischen Gezeitenwechsel ratifiziert wie die berühmte „Willy-Wahl“ 1972. Aber früher war doch deutlicher, was politisch auf dem Spiel steht.
Innerparteiliche Konfliktscheu
Unübersehbar ist: Die äußere folgte aus einer inneren Konfliktscheu. Offene Auseinandersetzungen um den richtigen Kurs waren und blieben Ausnahmen, die die Regel bestätigen – zum Beispiel der Sonderparteitag der Bündnisgrünen 2007 zum Afghanistan-Einsatz, den eine kleine Basisrebellion erzwungen hatte; der Angriff auf Sigmar Gabriel auf offener Parteitagsbühne durch die damalige Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann oder die von Frank Schaeffler in der FDP betriebene Urabstimmung gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismen (ESM) in der ersten Hochphase der Eurokrise.
Als Regel gilt, dass breitere Mobilisierungsversuche aus den Parteien heraus scheiterten oder fast immer brav blieben und kaum wagten, aus den vertrauten und vorgezeichneten Bahnen auszubrechen. Die Jusos wagten den Aufstand gegen eine weitere schwarz-rote Koalition erst 2017, als die einzige Alternative die Opposition oder eine (vom Bundespräsidenten Steinmeier verwehrte) Neuwahl war, aber nicht 2013, als rechnerisch auch eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit möglich gewesen wäre. Jens Spahn und die Junge Union errangen auf dem CDU-Parteitag 2016 einen symbolischen Abstimmungserfolg mit einem Antrag gegen die doppelte Staatsbürgerschaft – aber mussten sich unmittelbar danach von Merkel darüber aufklären lassen, dass sich diese Position mit keiner infrage kommenden Partei nach der Bundestagswahl umsetzen ließe. Die Bewegung „Aufstehen“ von Sahra Wagenknecht endete bald als Rohrkrepierer. Noch die bemerkenswerteste Abweichung von Muster ist Christian Lindners „mic drop“ vom Spätherbst 2017, mit dem er die Jamaika-Koalitionsverhandlungen unverhofft beendete. Auch diese Geste führte letztlich – nirgendwo hin. Bei den Grünen wurden mit dem Amtsantritt von Annalena Baerbock und Robert Habeck alle erdenklichen Konflikte befriedet, bevor sie wirklich auf- oder ausbrechen konnten, und der seit den 1990ern tradierte innere Dualismus von „Realos“ und „Parteilinken“ deutlich relativiert. Bei der LINKEN wurden Konflikte abmoderiert, weil sich die spätestens ab 2015 gefestigten, gegensätzlichen Lager die Bastionen aufteilten. Die Partei glich immer mehr einer schlecht gealterten, unglücklichen Ehe, deren Partner nur der äußeren Notwendigkeit (lies: der Fünf-Prozent-Hürde) wegen zusammenbleiben.
Lang lebe der Merkelismus!
Von den Parteien konnten im Wesentlichen nur die Grünen und die AfD auf der Welle außerparteilicher Bewegungen surfen. Waren es bei den einen PEGIDA und lokale Mobilisierungen gegen Geflüchtete, so erlebten die anderen einen Auftrieb durch Fridays for Future. Das Gesamtbild aber zeigt eher eine zweifache Austrocknung politischer Parteien. „Von oben“ konnte oder wollte die Politik nicht mehr Anregungen aus dem intellektuellen Feld als politische Alternativen wirksam in die Öffentlichkeit übersetzen. Zwar veränderten Grüne und SPD zuletzt ihre Wirtschaftspolitik und wendeten sich gegen die Schuldenbremse und die „schwarze Null“. Allerdings fochten sie darüber keine scharfen Konflikte aus. „Von unten“ dünnte die Parteipolitik sozialstrukturell weiter aus, ihr Personal setzt sich immer homogener aus Akademiker:innen zusammen, wobei unter diesen wiederum viele Vertreter:innen vor allem Politikbetrieb-nahe Berufsabschlüsse vorzuweisen haben. Man denkt, spricht und handelt ähnlich, auch über durchaus vorhandene politische Differenzen hinweg. Einer so zusammengesetzten Politik fällt es aber scheinbar immer schwerer, Impulse und Anliegen aus der Bevölkerung wahrzunehmen, abzufragen und in praktische Politik umzusetzen.
Umso aufgeschreckter und nervöser wirkt der gesamte politische Betrieb jedesmal, wenn es einer Bewegung gelingt, die Wahrnehmungsschwelle zu überschreiten und für eine bestimmte Zeit ein Thema zu setzen oder, wie während der Corona-Pandemie durch die „Querdenker“ oder weniger paranoid erscheinende Kritiker:innen, die vorherrschende Politik frontal anzugreifen. Auf der einen Seite steht so eine Parteipolitik, die den Frontalangriff gar nicht mehr gewohnt ist. Auf der anderen Seite steht ein seltsames, vielfältiges, aber auch verstreutes Feld von Bewegungen sehr unterschiedlicher Couleur und gemischter Vernunft-, Konsens- und Politikfähigkeit, denen oftmals nicht nur die Strategie, sondern auch die Ansprechpartnerin fehlt, um ihr Anliegen auch tatsächlich realisieren zu können.
Das ist kein gutes „entweder-oder“, aber die Realität der bundesdeutschen Politik. Zumal das mittel- und langfristige Interesse der Parteien in Deutschland dahin geht, diese Konstellation fortzusetzen. Denn solange aus den Bewegungen keine Parteien hervorgehen, die absehbar die Fünf Prozent-Hürde überwinden können (und weder bei den Klimalisten, noch bei der Querdenkerpartei „die Basis“ oder der „PARTEI“ sieht es auf Bundesebene danach aus), werden die etablierten Parteien von einem perversen Effekt des personalisierten Verhältniswahlrechts profitieren. Je weniger Erststimmen notwendig sind, um einen Wahlkreis zu gewinnen – was durch Abschmelzen der Volksparteien, Wachstum der Grünen und Zunahme der der Kleinparteien eintreten dürfte –, desto größer muss und wird die Zahl der Ausgleichsmandate ausfallen. Die etablierten Parteien können so auch bei sinkenden Stimmenanteilen ihre Mandats- und Postenverluste begrenzen.
Diese Ausgangslage stimmt für die Zukunft nicht unbedingt hoffnungsvoll. Was im Hinblick auf gesellschaftlichen Wandel durch Digitalisierung oder ökologischen Umbau an richtungsgebenden Entscheidungen auf die Bundesrepublik zukommt, wird sich nicht ausschließlich, wahrscheinlich auch nicht prioritär durch den konfliktvermeidenden Politikstil Angela Merkels bewältigen lassen. Schon gar nicht, ohne viele Verlierer:innen und soziale Spaltungen zu produzieren. Der diesjährige Bundestagswahlkampf führt aber vor, wie weit dieser Stil sich parteiübergreifend festgesetzt hat. Die wichtigste Legende um Merkel könnte deswegen vielleicht im Glauben daran liegen, die Kanzlerin habe erfolgreich den politischen Wettbewerb sediert. Vielmehr muss man die Behauptung vom Kopf auf die Füße stellen, damit sie stimmt: Merkel konnte so lange konfliktarm „durchregieren“, weil ihre Konkurrenz sich selbst bis zur Zahnlosigkeit gezähmt hat. Der Glauben an Merkels Unbesiegbarkeit war zu jedem Zeitpunkt mehr eine selbsterfüllende Prophezeiung als durch harte Fakten gedeckt. Der Kaiser war die ganze Zeit nackt, aber niemand forderte die Menge auf, dann wirklich hinzusehen. So wird Merkel im Spätherbst oder Winter 2021 abtreten, aber allem Anschein nach wird ein Merkelismus ohne Merkel fortbestehen. Er lastet wie ein Alp auf den Gehirnen der Lebenden.
Alban Werner war von 1999 bis 2004 Mitglied bei der SPD. Seit 2005 ist er bei der Linkspartei auf verschiedenen Ebenen aktiv. Der Politikwissenschaftler schreibt unter anderem in Sozialismus und Das Argument
Kommentare 42
Eine treffende und gut geschriebene Analyse. Vielen Dank. Leider sehr wahr und deshalb auch mehr als ernüchternd, – um nicht zu sagen deprimierend.
Der Autor beschreibt recht differenziert die Kontinuität der Art bzw. die Form der Bundestagswahlkämpfe seit 2009, quasi die Ebene der politischen Personen und Parteien. Weitergehende analytische Fragen, die sich mir stellen, wären, welche Faktoren denn im einzelnen die politischen Parteien so in diese Richtung in Deutschland beeinflussen.
Wie verlautete einmal ein Statement aus dem Munde der Scheidenden sinngemäß? Sie kennen mich, mit mir ändert sich nichts! Und genau das ist zu erwarten, wenn man sich die Bewerber und die Programme ihrer jeweiligen Parteien anschaut. Und genau deshalb wird die CDU wiederum den Kanzler stellen, weil das Wahlvolk daran glaubt. Egal, ob die Menschen im Hochwasser des menschengemachten Klimawandels ersaufen und ihr Hab und Gut den Bach hinunterschwimmen. Die Menschen glauben immer noch, das sich nichts ändern muss. Unter Führung der CDU-Strategen in den Abgrund. Und Herr Laschet im Hintergrund feixt sich eins.
Was das Vermasseln des Wahlkampfs von Seiten der drei reformlinken Parteien anbelangt, kann man EINE zusätzliche Ursache nicht laut genug benennen: die von den Parteiapparaten betriebene Sabotage mit dem Ziel, nach dem September möglichst nicht in die Nähe politischer Gestaltungsoptionen zu gelangen.
Bei der Linkspartei liegt die betriebene Selbstsabotage offen auf der Hand. Weder inhaltlich noch im engeren Sinn wahlkampftechnisch ist die Partei bislang in Erscheinung getreten. Selbst bei offenen Flanken der Union herrscht entweder vollkommene Linksstille (wie bei dem bevölkerungsverachtenden Affront, den sich Unions-KK Laschet kürzlich in Erftstadt leistete) oder aber müde Mini-Verlautbarungen (wie bei dem NRW-Vorstoß in Sachen Beschneiden des Versammlungsrechts), so dass kein Zweifel entstehen kann an dem Bild, dass die hauzptberuflichen linken Jäger zur Jagd getragen werden müssen. Wirft man einen näheren Blick auf den Zustand der Partei, ist derlei auch vollkommen logisch: Sämtliche Kräfte sind absorbiert für die innerparteilichen Auseinandersetzungen. Entsprechend dient die Wahl allein auch nur dem Zweck, die Fünf-Prozent-Hürde zu wuppen, damit der interne Zwist weiterhin ausreichend finanziert ist.
Bei der SPD ist das Bild weniger klar, aber doch deutlich genug. Gegen Laschet in die Offensive gingen nach dem Erftstadt-Auftritt allein Vertreter(innen) des linken Flügels. Der Kandidat macht derweil auf Elder Statesman mit Spendierhose für Flutopfer; der Rest der Seeheimer-Riege – wahrscheinlich im Urlaub. Das Wahlprogramm passt zu dieser Abstinenz wie Faust auf Auge; in seiner sozialen »No Future«-Programmatik könnte es so genausogut von der Union stammen. Die angepeilte Strategie liegt so klar auf der Hand: Die Sozialdemokraten hoffen, möglichst unbemerkt und mit wenig Tam-Tam wieder bei der Union unterschlüpfen zu können.
Bezüglich der Grünen kann man viele der im Beitrag getätigten Befunde unterschreiben. Abseits aller Pannen sowie dem Umstand, dass die Generalrichtung erkennbar auf ein Bündnis mit der Union hinausläuft, muß man den Grünen immerhin konzedieren, dass sie als einzige der drei reformlinken Parteien tatsächlich Wahlkampf MACHEN. Anders als bei den beiden anderen geht es bei den Grünen nicht nur um »Bundestag – egal wie« oder »in die Regierung – egal wie«. Der Prozentabstand zur Union ist hier nachgerade entscheidend. Sicher hat diese Stategie ihre Fallstricke: Ist der Abstand zu groß, werden sie zu Petersilie auf der neoliberal-schwarzen Schlachtplatte degradiert. Immerhin sind die Ambitionen jedoch noch groß genug, dass die Partei kämpft.
Das ist mehr, als man vom Rest sagen kann.
Die ersten Absätze fand ich durchaus interessant, aber beim dritten oder vierten :innen habe ich dann aufgehört zu lesen. Schade, dass der Autor seine Gedanken nicht ohne Sprachverhunzungen formulieren konnte!
++ Gegen „Brandt alias Herbert Frahm“, „Freiheit statt Sozialismus!“, „Stoppt Strauß!“, „Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau“, „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen!“ oder selbst die „roten Socken“ hat das Wahljahr 2021 mehr von einer Schlaftablette als einem Schlagabtausch, der den politischen Blutdruck hochtreibt. ++
Gab es nicht ein einziges Beispiel für einen guten Wahlslogan. Was war daran so vitalisierend? Sie liefern Beispiele dafür, dass Sachthemen damals so wenig zur Debatte standen, wie Sie es jetzt beklagen. Also manchmal sind Linke nur glücklich, wenn Krawall ist. Das ist nicht sehr konstruktiv.
++ Der Kaiser war die ganze Zeit nackt, aber niemand forderte die Menge auf, dann wirklich hinzusehen. So wird Merkel im Spätherbst oder Winter 2021 abtreten, aber allem Anschein nach wird ein Merkelismus ohne Merkel fortbestehen. Er lastet wie ein Alp auf den Gehirnen der Lebenden. ++
Komisch das mit der Nacktheit habe ich gerade weiter oben im Beitrag über Annalena Baerbock gelesen. Irgendwie komisch.
Und ein "Alp, der auf den Gehirnen der Lebenden" liest sich wie griechisch-tragödisches Hinterhertreten. Wird es demnächst Seminare geben "Das Merkelige in uns besiegen. Spät aber doch noch heilsam "Merkel ist weg" oder wie oder was. Meine Güte, die Frau kann nicht alles verkehrt gemacht haben. D
Davon abgesehen sind so viele Konjunktiv 2 Sätze in dem Beitrag. Bei manchen Passagen fiel mir immer Steinbrücks "Hätte, hätte, Fahrradkette" ein.
Aha, endlich wird die Lähmung überwunden. Auf in den Widerstand Ihr Widerständler:innen :-)))
Jetzt, wo auch die Linke sich endgültig zur Coronablockpartei avanciert hat, ist es schon egal, wie die Wahl ausgeht. Es bleibt beim transatlantischen WEITERSO unter korruptionsverdächtigen Herrschern. Da diese auch die Listenplätze festlegen, bleibt dem Bürger nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera, sowie die naziverdächtige außerparlamentarische Opposition. Auch wenn der Oppositionelle links ist, ist er ganz "Rechts". Das hat mittlerweile auch die Linkspartei gelernt.
Es ist noch nicht so sehr die Zahnlosigkeit der Gegner als deren Inkompetenz.
Kürzlich das Buch von Wagenknecht gelesen und fand es hervorragend. Sehr klare Gedanken und ein riesiger Fundus an Material, seriös, empathisch und im besten Sinne sozialdemokratisch. Ich war schwer beeindruckt. Sogar ihre klimapolitischen Vorschläge fand ich z. T. weitaus ausgereifter als die der Grünen.
Baerbocks Buch im Buchhandel mal angeblättert. Geld und Zeit wären mir da zu schade gewesen.
2017 war Katrin Göring-Eckardt auch nicht wirklich besser als Baerbock heute, Cem Özdemir allerdings besser als Habeck.
Schade, dass Wagenknecht nicht Top-Kandidatin der Linken ist. Sie ist allen Kandidat*innen bei weitem überlegen.
Progressive Parteien? Welche denn? Und nein, auch wenn Sie es noch so oft wiederholen. dieBasis ist nicht "die Querdenkerpartei". Und das werden Sie alle spätestens bemerken, wenn dieBasis den Einzug in den Bundestag tatsächlich nicht schaffen würde – was in der Tat wahrscheinlich ist. Bemerken deswegen, weil sich das Potential der Erneuerung, das in diesen Bewegungen seinen Ausdruck findet, weder rhetorisch einhegen lässt, wie es derzeit in solchen Diffamierungen versucht wird, noch erchöpft ist, wenn die parlamentarische Hürde nicht genommen wird. Im Gegenteil: Die Versuche aus dem Stand über die 5% Hürde zu kommen haben sehr viel von den Kräften gebunden, die die Grundlage der Partei dieBasis darstellenilden. Roots, in denen vielleicht auch einige Querdenker wurzeln, was aber absolut nicht bedeutet, dass man diese zwei Phänomene in einem Atemzug nennen oder sogar gleichsetzen könnte, ohne damit zu zeigen, dass man nicht in der Lage ist die eigentlich innovativen, sprich progressiven Kräfte wirklich verstehen zu können. Und das was man nicht versteht, wird einen in der einen oder anderen Form überholen – das ist schon anderen selbstgerechten Vereinen so ergangen.
„die von den Parteiapparaten betriebene Sabotage mit dem Ziel, nach dem September möglichst nicht in die Nähe politischer Gestaltungsoptionen zu gelangen.”
Das ist es ja gerade, das Deprimierende, dass der Wahlkampf immer offensichtlicher einer abgekarteten Simulation von Demokratie gleicht.
Eine abgehobene Klasse Parlamentarier, die sich gegenseitig nicht weh tun wollen, weil sie nämlich allesamt äußerst bequem in einem von den wirtschaftlich Mächtigen gesponserten Boot sitzen mit dem Auftrag, möglichst glaubhaft die Erzählung (zwangsläufig einer Soap immer ähnlicher) von politischen Differenzen diesseits der Systemalternative aufzuführen.
Eine Kluft zwischen den behaupteten politischen Inhalten und der Anstrengung diese auch offensiv zu vertreten, wobei letzteres offensichtlich jederzeit allzugerne intern inszenierten Steitigkeiten geopfert wird, legt nahe, dass erstere nur einer schon im Vorhinein festgelegten Rollenverteilung zu folgen scheint.
Das gilt natürlich nur für einigermaßen redliche politische Kräfte, also links der Union. Diese selbst verwaltet im Grunde einfach nur den Status Quo, die Machtverhältnisse, so wie sie eben sind, ohne politische Ambition, was sich schon seit Bestehen im Fehlen eines wirklichen parteipolitischen Programms manifestiert.
Die DNA des Unpolitischen der Kapitalismus als zweite Natur. Die Blase in der wir alle leben.
FDP und AFD würde ich mal rauslassen. Die einen bedienen für jedermann sichtbar ein besonders opportunistisches Klientel, das den Hals nicht vollkriegt, obwohl alles bestens für sie läuft, also ethisch Beanspruchte im korrekten Sprech, die anderen sind ohnehin nichts weiter als ein Geschäftsmodell für abgehalfterte Narzissten und chronisch Beleidigte (und damit ihrem Lieblings-Feindbild, dem Islamisten sehr ähnlich), also ethisch Beanspruchte ohne Portfolio, und außerdem Teil eines Kalküls, das in der Alimentierung und Duldung rechtextremistischer Gruppierungen eine Form von faschistischem Backbone pflegt, nur sicherheitshalber für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass es zum Äußersten kommen sollte (die Androhung und Praxis hemmungsloser Gewalt war schon immer der beste Schutz und der Ursprung von Eigentumsansprüchen).
Deprimierend auch vor allem deshalb, weil es so verdammt durchsichtig ist und man offensichtlich glaubt, mit sehr wenig Aufwand (ein bisschen Theater) an vorgegebener Glaubwürdigkeit damit durchzukommen, – eine Beleidigung der Intelligenz des Wahlvolks eigentlich und trotzdem scheint es noch zu funktionieren. Schon die viel- und gernzitierten Talkshows zeigen den grassierenden Intergritätslimbo des politischen Personals ganz deutlich.
Dem Wunsch, das Ganze fände auf zunehmend dünnem Eis statt und den Wahlberechtigten würde ob der Schlampigkeit und Kaputtheit der Inszenierung bald mit einem großen „Achso!” und „Ah!” ein Licht aufgehen, wird wohl nicht entsprochen werden. Aber tragfähig im Sinne einer gesellschaftlich nachhaltigen zukunftfähigen positiven Politik ist das so sicher auch nicht. Die Aussichten sind wi immer nicht wirklich rosig.
S.N.A.F.U. Um einen älteren Ausdruck zu bemühen.
Ja. Fubar – um ebenfalls einen etwas älteren Ausdruck zu bemühen.
Der letzte Gedanke ist kompletter Quatsch und könnte auch von irgendwelchen patriotischen Leistungsfanatikern kommen; ähnlich geistreich las ich neulich z.B. ganz woanders: "Das Land" atme auf nach 15 bzw. 16 Jahren Löw/Merkel. Oder es wird, Achtung, Worthülse, "die Merkelei" kritisiert. Die CDU ist nicht mehr der Kanzlerwahlverein früherer Jahre, zudem gibt es in der Wählerschaft offensichtlich einfach einen Hang zum 'Stabilen/Bewährten'. Denn Helmut Kohl war ebenfalls vier Legislaturperioden am Ruder, Schröder nicht mal zwei. Hat aber selbst in dieser kurzen Zeit mehr Schaden angerichtet, außen- wie innenpolitisch. Kriege, Hartz 4, Schily. Wie überhaupt gerade SPDler die CDU oft rechts zu überholen versuchten, damit aber glücklicherweise eher selten Erfolg hatten. Kurt Schumacher mal so zu Konnie A.: "Kanzler der Alliierten!" Ja, ging's denn nicht noch a bisserl toitschnationaler?! Back to now: Bezüglich der Zuwanderung gerade 2015 ist Angela Merkel sicher humaner als beispielsweise der SW-OL-Flügel der Linken. Die Grünen... hm... Ebermann, Trampert und Ditfurth sind vor drei Jahrzehnten raus. Was ist zu dieser Partei auf Bundes- und Europaebene sonst noch zu sagen? Vielleicht, dass sie "nicht grillen" (heute-show) können. Und "hip", wie im Artikel steht? Och nö (allerdings ist das vielleicht auch zu viel verlangt von der Politik; die besteht nun mal aus vielen eher zähen Geschichten). Über die SPD bin ich schon hergezogen, für heute mag es genug sein.
"Bezüglich der Zuwanderung gerade 2015 ist Angela Merkel sicher humaner als beispielsweise der SW-OL-Flügel der Linken"
Nicht nur die Opfer der Kölner Silvesternacht könnten dies anders sehen.
Es gibt keinen ‚Merkelismus‘, wie es auch keinen ‚Kohlismus‘ gibt.
Es gibt jedoch die unsäglich traurige Geschichte der Aneignung und Übernahme der Republik durch die schwarzen C-Parteien.
Nepotismus und Klientelismus.
"Tarnen, Täuschen und Verpissen", heißt das bei der Bundeswehr.
Aber es gibt Leute wie Wolfgang Schäuble, die seit 1972 im Bundestag sitzen.
Und würdigen Nachwuchs wie Philipp Amthor.
Die Nachkriegsdemokratie zum Puppenspiel für neoliberale Drahtzieher verkommen.
System. Change. Now.
BLACK. OUT.
Ihre zustimmungswürdige Analyse endet mit diesem Satz, den ich auch in all seiner Schönheit hinterfragen will:
Die Grünen würden bei allzu großem Abstand zu "Petersilie auf der neoliberal-schwarzen Schlachtplatte degradiert".
Warum sollten grüne Männer und Frauen mit Verstand und Herz sich auf diese Platte legen? Auch eingedenk 1998-2005?
Aber vielleicht bereitet der Wähler in seiner Mehrheit sich selbst eine bunte Speisenfolge, deren Tafel allenthalben schwarze Trauben als Nachgang aufweist?
In den letzten Umfragen haben sich über den Daumen gep. 70/80% FÜR Klimaschutz etc. ausgesprochen. Die Bilder aus NRW/RPF haben sichzudem bei den Menschen eingeprägt.
Ist das nicht jedenfalls ein Indiz, dass hierfür - für MITWELTSCHUTZ-MASSNAHMEN - auf B90/Die Grünen als bundesweit anerkanntes Kompetenz-Zentrum zurückgegriffen wird, mit dem Aber-Millionen, die in welcher Konstellation auch immer vor Ort in solchen Stadt-Entwicklungs-Projekten eingebunden sind, endlich einen Politik-Wechsel aus eigener Kraft herbei-wähen?
Man muss es halt nur machen.
Die Wechselstimmung ist da.
Es braucht 4 Wochen vor der Wahl eine die VIELEN anschiebende und zusammenführende Initiation. Sie mag sich bottom up herausbilden und zu einer Welle gegen Schwarz heranwachsen.
Black. Out.
Wir haben die Wahl - noch
Der im Text zitierte Bernd Ulrich, der selbst ein von mir angesprochenes grünes, persönliches Projekt umsetzte, hat mit der Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer, die gestern bei LANZ viel bei den Millionen Anschlussfähiges rüberbrachte, dieses Buch geschrieben:
https://www.swr.de/swr2/literatur/noch-haben-wir-die-wahl-das-buch-von-zeit-vize-chefredakteur-bernd-ulrich-und-aktivistin-luisa-neubauer-100.html
"Es wird eine fundamentale Wende unserer Lebensweise sein“, resümiert Bernd Ulrich, Vize-Chefredakteur der ZEIT die notwendigen Veränderungen, um den Klimawandel aufzuhalten. Gemeinsam mit Fridays-For-Future-Aktivistin Luisa Neubauer hat Ulrich das Buch „Noch haben wir die Wahl“ über Ökologie, Freiheit und Konflikt der Generationen verfasst.
Neubauer bei Lanz
https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-21-juli-2021-100.html
Was bitte ist "ein Totalversagen der """deutschen Männer"""?" Vielleicht natürlich des einen oder anderen Begleiters/Freundes/Ehemannes, der sich einer möglicherweise einer Übermacht eben (leider?) gerade nicht mit einem Basebalkschläger erwehren konnte wie der Herr in der Kneipe? Sind "Serben" eigentlich an und für sich heroischer als die Nachfahren von Kimbern und Alemannen?! Gibt es auch ängstliche Balkanstämmige und mutige Mitteleuropäer? Waren die Gewalttäter von Köln nicht weit eher schon 'ne Generation länger hier (komische Konstruktion, fällt mir gerade auf)? Spielt es eigentlich eine Rolle, welchen Sesshaftigkeitshintergrund Täter und Opfer haben? Sind nicht manche "Beschützer" u.U. auch eine Gefahr für Frauen? Sollte ich jetzt aufhören, hier solche Suggestivfragen zu stellen?! Dann beende ich mal ganz abru...
Ähm, es heißt "Baseballschläger"
Ihre Deutsche-Männer-Baseballschlägerfantasien mit gesundem Verhältnis zur Gewalt sind in Ihrem schnuckligen Darkroom besser aufgehoben.
++ bleibt dem Bürger nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera, ++
Ja, genau, wie zwischen Dracula und van Helsing.
Putin lobt Merkel - schreibt tag 24 als Resümee von Nordstream 2 und die einen werden sie der Putin-Freundlichkeit zeihen, andere werden wieder was über die USA-Hörigkeit der Kanzlerin schreiben. Oder behaupten, wie die NDS, (die man aber mit Milde betrachten muss, weil Albrecht Müller krank ist), es seien sowieso alles Einflussagent:innen. Auf jeden Fall hat sie heute schon mit Putin telefoniert. Das meint Müller aber sicherlich nicht mit seinem Vorwurf der Einflussnahme. Vielleicht beeinflusst Merkel ja auch Putin, wer weiß.
So ist das aber ganz gut - Balanceakte auf hohem Seil aber die Zeitgenoss:innen haben eben keinen politischen Schönheitssinn.
Mal im Ernscht: Erst "hehe, danke" froh sein und dann aber am Schluss doch ungeduldig geworden "Stellen Sie bitte..." Why is that? How come? Und die Widersprüche (o.k., Menschen sind contradictionary) gehen weiter, denn: Ihnen zufolge haben Flüchtlinge in Nänbäch Schlimmeres verhindert. Gegen jemanden "ihresgleichen"? Kann ja sein, mal etwas platt gesagt wollten die vielleicht nicht, dass Einzelne gewissermaßen eine ganze Gruppe in Verruf bringen. Kennen "ihre" Pappenheimer. (Btw: Was war eigentlich genau in Nürnberg?) Zum Ende noch dies: Also es gibt/gab Deutsche, die besser nicht so "mutig" gewesen wären wie sie eben waren. Nicht nur vor 80 Jahren sondern auch in letzter Zeit, NSU (auch in der 2.0-Version), Hanau, Halle. In München 2016 wollte einer "deutsch-arisch" sein. Es gibt leider noch sehr viele weitere Beispiele, zahllose Anschläge auf Heime, die 1990er-"Baseballschlägerjahre" und das verheerende Signal der Politik damals, als Reaktion auf (tödlichen) Rechtsterrorismus das Asylrecht stark einzuschränken. Wo sonst in der Rechtssprechung gab/gibt es diese verquere "Logik", dass als Reaktion auf schwerste Straftaten die Anzahl möglicher Opfer zu begrenzen ist?! Dadurch, dass diese gewissermaßen einen dauerhaften 'Platzverweis' bekommen?!
"weil Albrecht Müller krank ist"
Aha. Das wissen Sie genau.
Wechseln Sie auch pünktlich die Wadenwickel? Messen Sie die Laktatwerte? Führen Sie Buch? Komplettpflegedienst mit angeschlossener Presseversorgung?
Erzählen Sie mehr von diesem heißen Scheiß...
Das was Paula über den Peter sagt, verrät manchmal mehr über die Paula, als über den Peter ...
Die Nachdenkseiten selbst haben das berichtet und die meisten Kommentatoren dort haben ihm Genesung gewünscht.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=71776
Also ich glaube nicht, dass ich die einzige (ehemalige ) Nutzerin der NDS bin, die die Entwicklung der Nachdenkseiten kritisch sieht. Es gibt auch - schon lange - auf facebook eine Gruppe, die sich Nachdenkseiten Watch nennt. Da gucke ich ab und zu auch mal rein, aber die sind sehr sporadisch und ich teile deren Meinung auch nicht immer.
Ich frage mich allerdings: Wenn das kritische Beobachten von Medien, seien sie etabliert oder alternativ, für Sie "Stalken" ist, dann ist mir ziemlich Bange.
Allerdings gibts eine Menge Leute, die mir erklärten: Da gucken wir gar nicht mehr rein. Die ziehen da Leute an, um Gotteswillen. ...
Und ich muss sagen: Bei mir ist es einfach ein Erinnern an Zeiten, in denen dort die Beiträge nicht so polarisierend waren.
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass ich von so vielen andauernd angegangen werde. Irgendwo bin ich auch mal als "Kreatur" charaktierisiert worden. Aber, ich weiß nicht mal mehr, wer das war. Es ist mir einfach nicht so von Belang. Einen Hang zum Masochismus habe ich eigentlich nicht.
Eines ist aber auch wahr: Es gibt gute Freunde - auch ehemalige FC Nutzer- die mir dringend raten, hier auszusteigen. Vielleicht aus den Gründen, die Sie hier "irritierend" nennen. Na, mal sehen... man kann ja auch einfach nix mehr schreiben...
Anziehen können die von mir aus, wen sie wollen. Aber die NDS sind von links das, was Gerhard Löwenthals "ZDF-Magazin" von rechts war. Der zornige alte Mann in der Mitte, flankiert von Jürgen Todenhöfer (auswärtige Angelegenheiten, damals noch auf CDU-CSU-Linie) und Werner Kaltefleiter (Innere und Äußere Sicherheit).
Gelegentlich erheiternd, auf Dauer langweilig.
So lange mir van Helsing nicht mit dem Holzpflock kommt, ist alles gut. Ein bisschen Knoblauch lasse ich mir gern gefallen, wenn es hilft.
@ Richard Zietz
Man muß die Linkspartei ja nicht mögen. Aber wenn die Debatte hier weiterführen soll, dann wären, besonders wenn's um Grundsätzlicheres geht, auch paar Belege und Sachargumente nötig.
"Bei der Linkspartei liegt die betriebene Selbstsabotage offen auf der Hand. Weder inhaltlich noch im engeren Sinn wahlkampftechnisch ist die Partei bislang in Erscheinung getreten. Selbst bei offenen Flanken der Union herrscht entweder vollkommene Linksstille (wie bei dem bevölkerungsverachtenden Affront, den sich Unions-KK Laschet kürzlich in Erftstadt leistete) ..."
Keine Ahnung wo Sie da hin- oder weggeschaut haben, das ist einfach haltlos. So führte die Linke im Vergleich zu den anderen Parteien eine deutlich engagiertere Debatte über ihr Wahlprogramm, im Lifestream zugänglich. Wovon sogar medial einiges 'rüberkam, obgleich der Zwist zwischen den Strömungen, dem die Quotenjäger entgegen gefiebert hatten, überwiegend produktiv ausgetragen wurde.
Da Sie v.a. auf die Kommunikation nach der Unwetterkatastrophe abstellen: Soweit ich überblicke, kam eines der ersten Statements am 16. Juli von Hanno Raußendorf, dem klimapolitischen Sprecher der Linken NRW: "Wenn Laschet jetzt davon redet, dass die Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe beschleunigt werden müssen, dann ist das doch der blanke Hohn. Klimapolitisch ist NRW Entwicklungsland und es ist seine Landesregierung, die in den vergangenen Jahren alles getan, um im Interesse von Konzernprofiten die Energiewende zu verzögern und zu behindern."
Henning-Wellsow forderte Entschädigung der Flut-Opfer und Einführung einer solidarischen Versicherung gegen Elementarschäden. Und von den SpitzenkandidatInnen und Vorsitzenden auf Bundes- und Landesebene gibt es eine gemeinsame Erklärung, die sehr klar und ohne Effekthascherei die Position der Linken vermittelt.
RZ weiter: "... oder aber müde Mini-Verlautbarungen (wie bei dem NRW-Vorstoß in Sachen Beschneiden des Versammlungsrechts), so dass kein Zweifel entstehen kann an dem Bild, dass die hauzptberuflichen linken Jäger zur Jagd getragen werden müssen."
Starker Anwurf. Aber wieder ohne jeden Beleg und schlichtweg falsch. Auf der Bündnis-Demo am 26. Juni Düsseldorf waren Sie wohl nicht dabei, die Linke schon. Als Service gern Bilder, war nichts für zart besaitete. Übler Polizeieinsatz, die ganze Auseinandersetzung um das Versammlungsrecht in NRW, das Agieren der Linken – alles im Netz zugänglich. "Der Gesetzesentwurf der CDU/FDP-Landesregierung ist ein Generalangriff auf die Grundrechte. Wir werden Ministerpräsident Armin Laschet und Innenminister Herbert Reul daher keine Sommerpause gönnen. Auch mit Einzelkorrekturen ist dieser Entwurf nicht mehr zu retten, er muss zurückgezogen werden." Nur als Auszug Website der Linken, Titel keine Sommerpause für Laschet. Zu"müde" für Sie, lieber Richard Zietz?
Tja, angesichts der Sachlage ist ihr Fazit freilich alles andere als "logisch":
"Wirft man einen näheren Blick auf den Zustand der Partei, ist derlei auch vollkommen logisch: Sämtliche Kräfte sind absorbiert für die innerparteilichen Auseinandersetzungen. Entsprechend dient die Wahl allein auch nur dem Zweck, die Fünf-Prozent-Hürde zu wuppen, damit der interne Zwist weiterhin ausreichend finanziert ist."
Klassischer, argumentativer Salto-Mortate: Das angepeilte Fazit in Gestalt einer weiteren unbelegten, diesmal ziemlich infamen Behauptung soll dafür herhalten, die vorherigen Behauptungen quasi zu verifizieren. Als infam bezeichne ich das deswegen, weil damit so viel ehrliches Engagement einfach nur diffamiert wird. Wenn man die Mär von der Linken, die nur ein taktisches Verhältnis zum Parlament hätte und Steuergelder bloß zur Selbstbeschäftigung mißbräuchte, im Cicero oder der FAZ liest – übler Journalismus, aber okay, von denen erwartet man nichts anderes. Aber hier, in der Freitag-Community?
Hm... also der Post ist nach meinem Dafürhalten eher mäßig gelungen, der Schlusssatz erinnert mich ein wenig an "Und ... (meistens Putin) lacht sich ins Fäustchen". Dass jemand unberechtigterweise zufrieden ist (und dabei auch noch lacht) finde nicht sooo erhellend, eher komisch moralisierend-empört (was ja "Linken/Grünen/Gutmenschen" öfter mal angekreidet wird...
Das ist drei Monate her. Sie fantasieren, dass Müller immer noch krank isei. Das ist plumpe Pathologisierung Andersdenkender. Die behauptete Watch-Seite ist ein Facebook-Eintrag ohne jedes Impressum. Etwa so einzuordnen wie Xavier Naidoos Telegram-Gruppe.
Ach was!
Nein: Ach, was!
Hier stimme ich Ihnen in Einigem zu.
Sie verkennen, dass auch das Freitagsforum, wie alle Foren, verschiedene Funktionen erfüllt. Die hin und wieder durchaus zu beobachtende gut informierte, sachliche Diskussion ist nur eine Erscheinungsweise. Da gibt es noch einige andere Formen. M.E. sind die in der Mehrheit. Also alles normal.
Pardon, ich hatte meinen Kommentar nicht richtig an Sie adressiert. Grüsse.
Naja, immerhin nur "mäßig gelungen". Das ist doch schon was. Nicht gelungen oder "beschissen", wäre schlimmer. Leider halten Sie sich an Nebenkriegsschauplätzen auf. Zum eigentlichen Thema, wenig Erhellendes von Ihnen. Das ist weniger, als mäßg.
Gern – wenn auch etwas verspätet – antworte ich Ihrer Kritik an meiner Linkspartei-Lageeinschätzung:
Zunächst einmal: Relevant ist nicht die Bemühung; keine(r) streitet ab, dass die Linkspartei sich redlich bemüht. Entscheidend ist das Bild. Und hier erhalten wir grosso modo dann eben doch das Bild einer Partei, die sich zwar abmühlt, es aus unterschiedlichen Gründen allerdings nicht schafft (und vielleicht auch nicht will), ihre Botschaften in der Arena – und bei den Wählern und Wählerinnen – zu platzieren.
Wie von mir angedeutet, hat das mutmaßliche Gründe. Ein wesentlicher in meinen Augen ist die »Apparatischisierung« des parteilichen Mittel- und Oberbaus respektive die damit einhergehende Demobilisierung. Ein Vorkommnis, dass für mich mit den letzten Ausschlag gegeben hat, ist die anvisierte Liquidierung der einzigen parteinahen Zeitung, des ND. Das ist nunmehr exakt das, was die SPD vor fünfzig Jahren im Zug ihrer marktwirtschaftlichen Wende vollzogen hat – wobei selbst die SPD nicht so dämlich war, ihr publizistisches Tafelsilber, den Vorwärts, ebenfalls mit zu verscherbeln.
Eine Zeitung schafft nunmehr Milieu, schafft Einfluss, schafft Diskussion. Dass maßgebliche Kräfte in der Linkspartei nunmehr denken, ohne all das auszukommen, wirft einen tiefen Blick. Es wird aber noch schlimmer: Zugutekommen wird die Einsparung auf dem (nach außen gerichteten) Publikationssektor dem internen Bereich – zuförderst dann wohl der Rosa-Luxemburg-Stiftung. De facto heißt dies: Akademiker*nnen und Hauptamtliche dürfen noch stärker im eigenen Saft schmoren; dazu gibts lecker Häppchen und (für die, die wollen) ab 21 Uhr Fassbier.
Ich betrachte diese Chose übrigens nicht ausschließlich unter dem Aspekt des Fehlers (meines Erachtens ist die ND-Entscheidung ein grandioser, folgenschwerer), sondern dem des klassentechnischen Verdrängungswettbewerbs – ergo dem einer »entproletarisierenden« Säuberung auf leisen, soften Sohlen. Wie auch immer: Die Priorisierung RLS wird dafür sorgen, dass Diskussionen, die eigentlich in der Breite zu führen wären, nur noch in handverlesenen Zirkeln stattfinden.
Und damit bin ich am Ende meiner Betrachtung. Eine Partei, die so verfährt, ist es nicht wert, gewählt zu werden. Mitleidsstimme beim Schrammen der Fünf-Prozent-Hürde behalte ich mir vor. Aber sonst: Why?
Danke für die Replik. Leider sind Sie elegant drüber hinweg gegangen, dass Ihre drei ursprünglichen, zentralen Anwürfe – "Selbstdemontage" der PdL, "Linksstille" im Kontext Unwetterkatastrophe und "linke Jäger zur Jagd" tragen müssen – angesichts meiner oben genannten Belege einfach nicht stimmen.
Stattdessen wechseln Sie die Argumente und behaupten jetzt: Dass es die Linkspartei nicht schaffe, ihre Botschaften in der Arena zu platzieren, sei wesentlich zurückzuführen auf, wie Sie es nennen, "die »Apparatischisierung« des parteilichen Mittel- und Oberbaus respektive die damit einhergehende Demobilisierung."
Wieder so eine Nebelkerze. Und: Hauptamtliche der PdL als "Apparatschiks" zu disqualifizieren, ist einfach unter der Gürtellinie, den stalinistisch geprägten Kontext des Begriffs dürften Sie zumindest auf Wikipedia-Level ja soweit kennen. Für ein derart auf die Substanz der Linkspartei zielendes Urteil, müßten Sie nun aber wirklich wasserdichte Argumente und Belege bringen. Und die wären?
RZ: "Ein Vorkommnis, dass für mich mit den letzten Ausschlag gegeben hat, ist die anvisierte Liquidierung der einzigen parteinahen Zeitung, des ND." Als Beleg verweisen Sie auf einen Beitrag zur ZEIT vom 26. Februar 2021, Schlagzeile: "Linkspartei will sich bei 'Neues Deutschland' zurückziehen".
Schauen wir uns das genauer an: Die ZEIT berichtet vom Plan der Gesellschafter, die Unternehmensstruktur zu verändern, das heißt, die GmbH aufzulösen und das ND als Genossenschaft weiterzuführen. Dazu zitiert das Blatt Harald Wolf, Schatzmeister der Linken: "'Die Interessen der Beschäftigten sind für uns ein zentrales Thema.' Wenn sich die Eigentümerstruktur der Zeitung verändere, bedeute das nicht die Auflösung des Neuen Deutschland. 'Wir sehen uns da in der Verantwortung.' Für eine künftige Genossenschaft müsse es auch eine finanzielle Starthilfe geben von den bisherigen Gesellschaftern, sagte Wolf."
Wie in aller Welt, lieber Richard Zietz, kommen Sie dazu, uns das hier, in der FC als "anvisierte Liquidierung" des ND zu präsentieren?
Was die Bedeutung des ND für die PdL und die gesellschaftliche Linke angeht, sind wir uns sicher einig, denn: "Eine Zeitung schafft ... Milieu, schafft Einfluss, schafft Diskussion", wie Sie völlig richtig feststellen.
Es würde sich vielleicht lohnen, wenn Sie selbst öfter mal reinschauen. Jedenfalls stellte das ND genau zum Thema erst kürzlich (16. Juli) "Fünf Fragen an die Linke". U.a. konkretisierte Harald Wolf das Thema "Startbedingungen" einer Genossenschaft: "(...) Dazu gehören infrastrukturelle Voraussetzungen, ein Netzwerk von Kooperationspartnern im Haus am Franz-Mehring-Platz, langfristig gesicherte Mietkonditionen, eine Anschubfinanzierung."
Zurück zum Ausgangspunkt unseres Austauschs. So unterschiedlich man Lage und Politik der Linkspartei auch immer bewerten mag – dabei mit haltlosen bzw. beliebig wechselnden Argumenten und obendrein mit politischen Kampfbegriffen wie "Apparatschisierung", "Liquidierung" und "Säuberung" zu operieren, das killt jede vernünftige Debatte oder schiebt sie auf völlig unsinnige Nebenschauplätze.
1. Selbstdemontage & Linksstille: Wenn Sie der Ansicht sind, dass Social-Media-Spielereien wie ein auf YT eingestellter Online-Parteitag oder auf der Partei-Webseite online gestellte Pressetexte Indiz oder gar Beweis sind für eine starke Präsenz der Partei in der Bevölkerung, leben wir beide auf völlig verschiedenen Planeten.
2. Apparatschiks bzw. Apparatschisierung. Sicher kann man die Strukturen der Partei diametral entgegengesetzt beurteilen und sogar zu dem Schluss kommen, dass die Strukturen der Linkspartei ganz besonders basisbezogen sind. Ich gebe zu: Eine Reihe Erscheinungsformen bestätigen diesen Befund – wie beispielsweise die überpingelige Formalprozedere bei der Fertigung des Wahlprogramms mit der Auswirkung, dass die Linkspartei die letzte war, die ein solches online stellte. In meinen Augen allerdings ist dieser zelebrierte Basisformalismus eher selbstreferenziell; hinter den Kulissen erfüllt er keinen anderen Zweck als die Verfolgung von Partikularinteressen und letztlich so auch das Herankommen an Fördertöpfe respektive die berufliche Absicherung von Parteiaktiven im Mittel- und Oberbau. Meine Behauptung: Für ebendiese Absicherung lebt und streitet ein nicht unbeträchtlicher Teil der hauptamtlich Parteiaktiven.
3. Zur Jagd tragen: Die verlinkten Flickr-Bilder von der Demo in NRW sind zwar in der Tat nicht von der zarten Sorte. Nur (auch weil ich darauf vorzugsweise Antifa sehe) – was haben die mit der Linkspartei zu tun? Die Linkspartei-Vertreterin im Bundeswahlausschluss hat unterdess zusammen mit den Schwarzen der Nichtzulassung der DKP zur Wahl zugestimmt – im Unterschied übrigens zu dem Vertreter der Grünen, der wenigstens dafür noch genug Eier in der Hose hatte. Auch Dietmar Bartsch fiel zu den institutionellen Pro-Laschet-Manipulationen im heutigen Sommerinterview nicht viel mehr ein als sich selbst auf die Brust zu schlagen, dass die saarländische Linkspartei ihre Liste heil durchbrachte, die Grünen hingegen nicht. In meinen Augen ergibt das genau null Demokratiepunkte – und genau wegen diesem Demokratieabbau, der der Linkspartei am Hintern vorbeigeht, habe ich heute diesen Beitrag verfasst.
4. ND. Die Worthülsen von Harald Wolf im verlinkten ND-Interview sind fast dieselben wie die, welche er gegenüber der Zeit geäußert hat. Sicher kann ich nicht WISSEN, wohin die bei ND eingesparten Zuschüsse gehen werden. Voraussagen kann man allerdings, DASS sie irgendwohin gehen werden. Wohin? Dass die RLS – abgesehen vom Parteiapparat als solchem – derzeit das Parteiprojekt ist, dass am meisten gehegt und gepflegt wird, lässt sich mühelos auch ohne Brille erkennen.
Fazit: bürokratische Verkrustung, keine Leidenschaft, krachlederner Opportunismus und last but not least Entpolitisierung via Entäußerung des einzig verbliebenen Parteimediums – was sollte es für Gründe geben, eine solche Partei zu wählen?